Aber ist die Geschwindigkeit in der Industrie nicht erfahrungsgemäß eine ganz andere als im Consumer-Umfeld?
Zangerl: Generell ist die Mentalität der Industriebranchen schon konservativer, aber das war nicht immer so: Als ich vor drei Jahrzehnten ins Berufsleben startete, war die industrielle Seite in vielen Bereichen der Vorreiter und hat verschiedene Entwicklungen zu den Endkonsumenten getragen. Stand heute sind hingegen die Innovationszyklen im Consumer-Bereich ungleich dynamischer.
Die Lebenserwartung von Maschinen ist ja auch deutlich länger als die von Consumer-Elektronik und Co.
Zangerl: Pauschal betrachtet ist das so, aber bei genauerem Hinsehen gibt es schon Unterschiede. So haben sich in manchen Bereichen kurze Innovationszyklen von wenigen Jahren etabliert. In vielen anderen Fällen müssen Maschinen und Anlagen hingegen nach wie vor mehrere Jahrzehnte funktionieren. Insgesamt ist es wohl auch eine Generationsfrage: Die heutigen Entscheider sind vielleicht eher noch Bewahrer mit gewissen Berührungsängsten gegenüber den neuartigen Möglichkeiten welche die Digitalisierung bietet. Die nachfolgenden Generationen, die heute im digitalisierten Umfeld schon ganz selbstverständlich agieren, werden jedoch kürzere Innovationszyklen mit in die Industrie bringen.
Liegt in einer zunehmenden Schnelllebigkeit nicht eine Gefahr für die Stabilität der europäischen Industrie?
Zangerl: Hier gibt es ganz unterschiedliche Meinungen. Unterm Strich müssen Unternehmer immer wieder das passende Mittelmaß zwischen langfristiger Stabilität und dem Raum für neue Innovationen finden. Nur dann kann es gelingen, die Vorteile beider Welten zu verheiraten. Sich dem Trend von Industrie 4.0 hingegen komplett zu verschließen, wird niemand langfristig durchhalten. Gewisse Dinge im Markt entwickeln sich eben einfach. Und dann muss man mitmachen, ob man will oder nicht. Obwohl der Mittelstand normalerweise von Haus aus agil ist und schnell reagieren kann, sehe ich hier durchaus eine große Herausforderung.