Vernetzte Industrieprozesse

Edge Devices als Basis für das IIoT im Maschinenbau

Datenverarbeitung am Rand des Netzwerks: Edge Computing findet direkt an oder nahe einer bestimmten Datenquelle statt, um eine schnelle Analyse und Reaktion zu ermöglichen. Diese dezentrale Ergänzung zum Cloud Computing ermöglicht schnelle Reaktionszeiten für industrielle Anwendungen in der Fertigung oder Robotik. Durch Edge Computing werden Entscheidungen in Echtzeit sowie eine bessere Steuerung von Maschinen und Prozessen möglich.

Die Achsen und Sensoren von Maschinen können große Datenmengen erzeugen. Daher ist es sinnvoll, diese lokal zu verarbeiten und zu filtern, bevor sie an zentrale Rechenzentren oder in die Cloud übertragen werden. Edge Devices stellen Daten unmittelbar zur Verfügung und reduzieren Übertragungs- und Antwortzeiten. Sie sammeln, verarbeiten und visualisieren Produktionsdaten oder überwachen Produktionsabläufe. Zudem können sie deren Steuerung und Überwachung übernehmen. Vom Rand eines IIoT-Netzwerks aus übermitteln sie Datenpakete zwischen den jeweiligen Komponenten.

Steuerung, Gateway oder HMI-Server

Das Konzept der Embedded-Steuerung C6 Compact 3 von KEB Automation basiert auf einem Linux-Betriebssystem und einer offenen Microservice-Architektur. Neben der eigentlichen Maschinenautomatisierung kann sie für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden: „Sie kann zum Beispiel als Gateway zwischen einer übergeordneten Steuerung und einem programmierbaren Steuerungssystem mit KEB-SoftMotion-Funktion fungieren. Als Schnittstelle dient unter anderem ein OPC-UA-Server“, sagt Sebastian Wietzorrek, Applikationsingenieur bei KEB. Des Weiteren kann die Steuerung als HMI-Server-Device genutzt werden. Sie realisiert die Kommunikation mit einem oder mehreren 3rd-Party-Systemen und ermöglicht für HTML5-fähige Browser, die Inhalte über einen HMI-Server zur Verfügung zu stellen.

Durch die container-basierte Technik lassen sich diverse Softwarefunktionen integrieren und organisieren. Das bringt Funktionalität und Kosteneffizienz in Einklang. Zukunftssicher wird das System durch den Einsatz von Open-Source-Softwarebausteinen und Multicore-Technik sowie echtzeitfähiger Motion Control – programmierbar über IEC61131. So lassen sich Anwendungen mit geringer bis mittlerer Komplexität automatisierten.

Web-HMIs bringen Flexibilität

Dieser dezentrale Ansatz setzt sich mit den Web-HMIs C6 X1 fort: Die Panels lassen sich mit verschiedenen Montagemöglichkeiten flexibel an der Maschine anbringen. „So ist sichergestellt, dass die Geräte nahtlos in eine bestehende Infrastruktur integriert werden können. Dadurch entfällt die häufig vorgegebene Montage am Schaltschrank und Anwender profitieren von der freien Platzierung des HMIs in Maschinennähe“, so Wietzorrek. Ein Vorteil hierbei ist die einfache Konnektivität der Geräte, denn das Panel arbeitet mit Power-over-Ethernet (PoE). Die Kosten für die Verkabelung können spürbar reduziert werden. Die Nutzung losgelöst vom Schaltschrank wird auch durch die Schutzklasse IP67 begünstigt, die den Einsatz in einem erweiterten Temperaturbereich ohne zusätzliches Gehäuse erlaubt. „Damit haben Maschinenbauer die Möglichkeit, die Visualisierung von Informationen und die Bedienmöglichkeit für ihre Maschinen genau dort zu platzieren, wo ihre Anwender sie benötigen“, erklärt Wietzorrek. Das Web-HMI C6 X1 ist mit kapazitivem Multitouch ausgestattet und verfügt über ein Linux-Betriebssystem sowie einen Chromium-basierten HTML5-Browser. Damit eignet es sich gut für IIoT-Edge-Anwendungen in der Industrie.

HMI der Zukunft

Im Zusammenspiel mit dem HMI-Management-Tool Helio lässt sich mit dem Web-HMI ein intuitives Visualisierungssystem für Maschinen und Anlagen aufbauen. Mit Helio können Anwender schnell HMIs erstellen und diese unter der Verwendung von Live-Daten aus der Steuerung der Maschine editieren. Sie sind durch moderne Web-Technik wirklich responsiv und unabhängig von Plattformen und Endgeräten. „Bislang wurden HMIs in der Regel für ein bestimmtes Panel mit definiertem Format, Größe und Auflösung erstellt. Dadurch wurde ein Wechsel auf ein anderes Endgerät oder eine mobile Darstellung erschwert“, sagt Wietzorrek. Bei Helio werden die Entwicklungsumgebung und das HMI über den Browser ausgeführt. Die lokale Installation einer ressourcenbindenden Entwicklungsumgebung entfällt. Das HMI-Managementsystem stellt Templates zur Verfügung, die professionelles Interface Design bereits mitbringen. „Anwender müssen nur noch konfigurieren und nicht mehr selbst programmieren.“

Offene Automatisierungsplattform

Mit Next Open Automation, kurz Noa, auch in einem System mit dem Edge Device, dem Web Panel und Helio, ergeben sich für Anwender viele neue Ansätze. Die IIoT- und Automatisierungsplattform erfasst, visualisiert und verarbeitet Maschinendaten. „Anwendungsfälle wie Predictive Maintenance lassen sich mit Noa gut lösen und schützen Anlagen- und Maschinenbauer vor ungewollten Ausfallzeiten und hohen Folgekosten“, so Wietzorrek. Die Plattform basiert auf Microservices und lässt sich durch Hard- und Softwarekomponenten von KEB ergänzen. Über den App Manager können auf der Edge sowohl container-basierte Apps wie Lösungen für HMIs, Machine Learning, Monitoring und Steuerungen als auch kundeneigene Apps verwaltet werden. Für die übergeordneten Services wie das Gerätemanagement sorgt das cloudbasierte Noa-Portal.

Die Kerninfrastruktur Noa Core setzt auf eine Linux- und Container-basierte Architektur und kann auf Embedded Hardware, IPCs und Panels von KEB oder 3rd-Party-Geräten genutzt werden. Sie beginnt auf der Edge und kann zur Verwaltung von Services und Apps eingesetzt werden. Für die Core-Anwendung ist eine Internet-Verbindung der Geräte nicht zwingend erforderlich. Das System funktioniert auch on-premise. Hardwareseitig stellt etwa die Embedded-Steuerung C6 Compact 3 eine passende Ergänzung innerhalb der Plattformlösung dar. Ebenso eignet sich der Einsatz der C6-X1-Panels. Hier lassen sich durch ein Edge-System auch vor Ort Daten lokal erfassen. „Die Plattform ermöglicht es Nutzern, eigene Automatisierungslösungen flexibel und einfach auf der Basis von offenen Systemen zu gestalten und anzubieten“, erklärt Wietzorrek.

 Vier Anwendungsszenarien mit Edge Devices
Vier Anwendungsszenarien mit Edge DevicesBild: KEB Automation KG

Anwendungsszenarien mit Edge Devices

  • Use Case 1:
  • C6 Compact 3 als Edge Device, Noa Core als Basis
  • Möglichkeit Combivis Control Runtime mit Softmotion-Funktion
  • C6 X1 als HMI mit Helio-Software, aber auch als WLAN-Hotspot für weitere mobile Anzeigegeräte (z.B. Smartphone oder Tablet)
  • Use Case 2:
  • C6 Compact 3 als Edge Device und Helio-Runtime
  • Mit zusätzlichem WLAN-Hotspot ist kein Display notwendig, Smartphone oder Tablet können genutzt werden
  • Use Case 3:
  • Steuerung C6 Smart oder eine andere SPS als Datenquelle
  • C6 X1 Web HMI als Edge Device, Noa Core als Basis
  • C6 X1 mit Helio-Runtime als Anzeigegerät
  • Use Case 4:
  • 3rd-Party-Hardware als Datenquelle wird mit Noa Core zum Edge Device
  • C6 X1 Web HMI mit Helio-Runtime als Anzeigegerät

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Neuron GmbH
Bild: Neuron GmbH
Einfach, schneller und 
zukunftssicherer

Einfach, schneller und zukunftssicherer

Funktionale Sicherheit ist eine zentrale Aufgabe in der Entwicklung von Automatisierungsanwendungen, da sie der wesentliche Baustein zum Schutz von Mensch, Maschine und Umwelt ist. In einer sich stark verändernden Welt entwickelt sich auch das Thema Safety permanent weiter – Cyber Security, Multicore-Anwendungen und KI lassen grüßen. Das SPS-MAGAZIN hat darüber mit zwei Safety-Experten gesprochen: Axel Helmerth und Robert Mühlfellner, beide CTOs für Functional Safety & Embedded bzw. Engineering Tools & Runtimes bei Neuron Automation, erläutern die Trends und Herausforderungen im Bereich Functional Safety und wie man als Komponentenhersteller schneller zu einer zukunftssicheren Lösung kommt. Dabei geht es auch über die Bedeutung des Fachkräftemangels und welche Rolle künstliche Intelligenz in Zukunft übernehmen kann.

mehr lesen
Bild: Syntegon Technology GmbH
Bild: Syntegon Technology GmbH
Zeit- und kostensparende Modernisierung

Zeit- und kostensparende Modernisierung

Auch wenn der Firmenname selten auf dem Etikett auftaucht, finden sich die Milchprodukte und Getränke von Gropper in Supermärkten in ganz Europa. Um dem hohen Produktionsdruck der Branche gerecht zu werden, braucht es effiziente Anlagen, die ihre Leistung über Jahrzehnte aufrechterhalten – und technisch auf dem neuesten Stand bleiben. Vorausschauendes Obsoleszenzmanagement spielt dabei eine wesentliche Rolle. Claus Mayr, stellvertretender Abteilungsleiter bei Gropper, und Helmut Weissenbach, Projektleiter bei Syntegon, erklären im Interview, wie sie Anlagenmodernisierungen zeit- und kostensparend durchgeführt haben.

mehr lesen