
Die Firma Thomas Technik + Innovation (TTI) aus Bremervörde ist der prototypische Hidden Champion: Nur wenige Menschen kennen den Namen des Unternehmens, nutzen aber höchstwahrscheinlich dessen Produkte – darunter vor allem den Lattenrost, den das norddeutsche Familienunternehmen 1956 erfindet. Zumindest kurzfristig macht dies das Unternehmen doch prominent, bis hin zur Popkultur: So sang etwa Udo Lindenberg 1981 in seinem Lied ‚Sandmännchen‘ von der Schlafbehörde in Bremervörde. Dass über TTI in der Rockmusik gesungen wird, passt zum Unternehmen, sagt Geschäftsführer Boris Thomas, der das Unternehmen in dritter Generation führt: „Rebellion gegen den Status Quo liegt der Familie im Blut und daraus entsteht Innovationsdrang.“

Eigener Maschinenbau fertigt Pultrusionsmaschine in Serie
Weil das Unternehmen mit der Qualität der zugelieferten Glasfaserprofile für seine Liegesysteme nicht zufrieden war, eröffnete TTI Ende der 1990er Jahre einen eigenen Maschinenbau-Zweig. Er spezialisierte sich auf Pultrusion, einem automatischen Verfahren zur Produktion faserverstärkter Kunststoffprofile. Dabei werden trockene Faserverstärkungen durch ein Harzbad gezogen und durch Wärmezufuhr ausgehärtet, bevor sie als fertiges Pultrudat auf den jeweiligen Bedarf zugeschnitten werden.
Den Innovationsdrang hat TTI bis heute nicht verloren: mit dem PullCube baut das Unternehmen die weltweit kürzeste Pultrusionsmaschine. Und das in Serie, denn Unternehmen auf der ganzen Welt interessieren sich für diese Maschine. Kabel und Stecker dafür bezieht TTI fertig konfektioniert in der Schleppkette vom Spezialisten für integrierte Verbindungstechnologie Lapp. Denn Boris Thomas betont: „Wir verstehen uns nicht als Manufaktur, sondern wollen das konsistente Qualitäts- und Robustheitsniveau einer Serienfertigung bieten.“

Von der Rebellion zum Maschinenbau
TTI sitzt als moderner Fertigungsbetrieb mit mehreren Gebäudeteilen inmitten des ländlichen Bremervörde, zwischen Wald und Wohnhäusern. Schon 1935 stand hier die Werkstatt von Möbeltischler Karl Thomas, dem Begründer des Familienunternehmens. Zur Zeit des zweiten Weltkriegs schloss er sich der sozialistischen Arbeiterjugend an, saß dafür in Haft, die Werkstatt war in diesen Jahren lange geschlossen. „Schon mein Großvater war ein Rebell, und das zieht sich seither konsequent durch die ganze Familie“, sagt Boris Thomas schmunzelnd.
In den Nachkriegsjahren konzentrierte sich die Familie Thomas und ihre Mitarbeiter auf technologische Innovation: 1956 erfand das Unternehmen den Lattenrost, Lattoflex genannt. Ende der 1990er Jahre verbesserte TTI dieses Konzept weiter und entwickelte die Flügelfederung – ein noch ergonomischeres Liegesystem aus Glasfasern und Kunststoff statt aus Holz.
Die zugelieferten Glasfaserprofile erwiesen sich aber als nicht robust genug. Kunden beschwerten sich über gebrochene Leisten – das war die Geburtsstunde des Maschinenbaus bei TTI, das fortan Pultrusionsmaschinen baute, um seine eigenen Glasfaserprofile herzustellen und auch an dritte zu vertreiben.
2008 kam das nächste Highlight von TTI: Mit dem patentierten Radius-Pultrusionsverfahren ließen sich erstmals gekrümmte Glasfaserprofile herstellen. Eine moving Mould, also eine bewegliche statt wie sonst starre Form, ermöglichte dies. Weil Komponenten aus Glasfasern und Verbundstoffen in vielen Branchen eine immer größere Rolle spielen, ist das Interesse groß – so trägt etwa die amerikanische Sportwagen-Ikone Chevrolet Corvette in der achten Generation eine gekrümmte Frontstoßstange, die bei TTI entsteht.
2020 präsentierte TTI schließlich seine neueste Entwicklung: Der PullCube führt das ganze Pultrusions-Knowhow des Unternehmens in einer kompakten Maschine zusammen – die kürzeste ihrer Art.

Flexibel und sicher: die weltweit kürzeste Pultrusionsmaschine
Ein PullCube, der bei TTI gerade für einen Kunden gebaut wurde, steht mitten in der Werkshalle: Mit seinen abgerundeten Ecken, der Vollverkleidung in der unteren und den Glasfenstern in der oberen Hälfte sieht die Maschine wie ein Designerobjekt aus. Die kürzeste Pultrusionsmaschine der Welt bietet dem Anwender Vorteile: Die gerade mal 3,5 m lange Maschine, inklusive Form, Greifereinheit und mitlaufender Trennsäge, lässt sich leicht transportieren – nur ein Gabelstapler ist notwendig, um das Transportfahrzeug zu be- und entladen. Und da alles in einem Gehäuse verbaut ist, entfällt die Montage vor Ort. Das komplett geschlossene System ist zudem sicher, denn die Bediener können weder die heiße Oberfläche der Form noch Greifer oder Säge mit ihren Händen erreichen. Das ist einzigartig.