Sie haben seit zwei Jahren die Doppelspitze bei Softing Industrial inne. Wie haben Sie sich strategisch aufgestellt?
Hilz: Softing wurde 1979 als kleines Ingenieurbüro gegründet, das sich sehr erfolgreich auf Technologieintegration in der industriellen Kommunikation spezialisiert hat. Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass sich Wachstum nur bedingt skalieren lässt, wenn wir nur Komponenten wie Softwarestack, Chip oder Modul liefern. Daraus folgend wollten wir unsere Kompetenz und Knowhow, das wir aufgebaut haben, nutzen und auch in Endkundenprodukten unseren Kunden verfügbar machen. Mit unserem Eintritt in die Geschäftsführung führen wir dies nun forciert weiter fort und investieren stark in die Verbreitung unserer Produktpalette. Natürlich werden wir uns auch weiterhin auf unseren Kern konzentrieren, Technologieintegration bleibt unser Fundament.
Auf welche Kernthemen fokussieren Sie sich dabei, mit welchen Zielen?
Hilz: Wir haben zwei Kernthemen in den Produktbereichen: die Maschinen- und Steuerungskonnektivität in der Fabrikautomation sowie die Anbindung von Sensoren und Aktoren in der Prozessautomation. Unsere Vision zum ersten Thema ist es, hier der Nummer-Eins-Anbieter zu werden. Das bedeutet, je nach Anwendungsfall beim Kunden, die passende Lösung für sein Problem im Bereich der Konnektivität zu bieten, je nach technischen Anforderungen oder Kundenpräferenz. Also Daten aus Steuerungen und Maschinen übergeordneten Systemen zugänglich zu machen. Und in der Prozessautomation wollen wir uns als Anbieter mit der breitesten Palette an Verbindungsmöglichkeiten für Feldgeräte-Anbindung positionieren. Hier geht es darum, auf der Feldebene Daten einzusammeln und sie dann im übergeordneten System, etwa Asset-Management, verfügbar zu machen.
Weitere Themen sind Marktzugang und Sichtbarkeit. Historisch bedingt ist Softing sowohl als Firma als auch mit den Marken und Produkten in Deutschland und Mitteleuropa stark sichtbar. Hier arbeiten wir mit den großen Automatisierern wie ABB, Siemens und Schneider Electric zusammen. Aber Investitionen in Neuanlagen oder in Anlagenmodernisierungen verlagern sich immer mehr in Regionen außerhalb von Europa. Weil wir da Nachholbedarf haben, investieren wir auch stark in Marketing und Vertrieb mit Service, um näher am Kunden zu sein. So gehört Internationalisierung ebenfalls zu unserer Kernstrategie.
Sie sehen sich als Mittler zwischen der IT- und OT-Welt. Was bedeutet das konkret?
Hilz: Softing zählt zu den Firmen der industriellen Kommunikation, die beide Bereiche abdecken. Historisch bringen wir immens viel Wissen und Erfahrung aus dem OT-Bereich mit. Wenn es z.B. darum geht, ein Profibus-Netzwerk zu diagnostizieren, haben wir schon seit Jahren unser eigenes Produkt. Das ist ganz klassisch OT, aus der wir auch kommen. Auf der anderen Seite haben wir etwa mit dem Thema OPC UA relativ früh angefangen, uns mit dem IT-Bereich vertraut zu machen und auch hier Wissen aufzubauen. Es findet ja kein gleichberechtigtes Zusammenwachsen dieser zwei Bereiche statt, sondern die IT drängt in den OT-Bereich, was immens herausfordernd ist. Die IT ist sehr dynamisch und entwicklungsfreudig, hat aber in vielen Fällen nicht das Verständnis für die Probleme des Ingenieurs, der beispielsweise eine Maschine in Betrieb nehmen muss. Wir bringen unser Verständnis für IT und OT zusammen, um eine Brücke zwischen beiden Bereichen zu bauen. Denn die Bedürfnisse liegen oft sehr weit auseinander. Weil wir aber auch unabhängig von den Automatisierungsherstellern sind, können wir auch da eine Brücke für die Anwender bauen und sie im Endeffekt unterstützen, heterogene Systeme verschiedener Hersteller einfacher zu betreiben und zu digitalisieren. Dabei haben wir sowohl kleine und mittelständische Unternehmen als auch große Konzerne im Blick und versuchen, alle Bedürfnisse mit einem weiten und skalierbaren Portfolio zu adressieren.
Gehen wir näher auf Ihre Technologien ein. Wofür werden Ihre EdgeConnector-Module eingesetzt und welche Vorteile bieten sie?
Rummel: Edge Computing ist für das IIoT von großer Bedeutung, bei dem Daten dezentral verarbeitet und über eine zentrale Plattform gemanagt werden. Hier hat sich Container-Technologie zu einem De-facto-Standard entwickelt, um Software auf Edge-Ebene zu managen. Das nutzen wir für unsere Konnektivitätsprodukte. Unser Vorteil ist es, dass wir ein komplettes Spektrum anbieten. Dazu gehört die EdgeConnector-Produktfamilie, mit der man auf Prozess- und Maschinendaten in Steuerungen und CNC-Maschinen zugreifen kann. Mit diesem Portfolio adressieren wir die unterschiedlichen Bedürfnisse von den Anwendern, die digitalisieren wollen. Dabei gilt immer einfache Verteilbarkeit, einfaches Installieren, einfaches Update, damit der Anwender seine IIoT-Lösung flexibel und skalierbar gestalten kann.
Hier sind wir wieder beim Thema Brücken bauen…
Rummel: Ganz genau. Wir unterstützen viele Steuerungshersteller, darunter Siemens, Rockwell Automation und Fanuc. Hier bringen wir unser OT-Knowhow mit ein. Unsere Konnektivitätsprodukte unterstützen aber eben auch die IT-seitigen Tools – offene Standards und Standardprotokolle wie OPC UA, MQTT und REST. Wir wollen herstellerunabhängig Transparenz für die Datenverfügbarkeit schaffen. Damit ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, Maschinen- und Gerätedaten sicher in IT-Anwendungen zu integrieren. Außerdem ist die nahtlose Integration in die IIoT-Referenzarchitekturen großer Cloud-Plattformen möglich. Und noch eine gute Nachricht für unsere Kunden: Wir arbeiten an einer eigenen ARM-basierten Hardware-Plattform, auf der dann unsere EdgeConnectoren genutzt werden können. Die Idee ist, Stichwort Plug-and-Play-Gateway, eine Lösung in einem Schwung anzubieten, die beide Präferenzen adressiert. Im nächsten Schritt wollen wir das Ganze auch für unsere Windows-basierten OPC-Server ausrollen und erhalten dann drei Produkt-Releases in Einem.
Dafür benötigen Sie Partnerschaften auf beiden Seiten…
Rummel: Natürlich, einige haben wir beim Hardware-Bereich schon angesprochen; um Siemens noch einmal herauszuheben mit der tiefsten Feldintegration und letztes Jahr kam z.B. Wago dazu. Auf IT-Seite arbeiten wir z.B. mit Portainer zusammen, die dann auch einen Einstieg in die Industrie finden. Aber auch mit Hyperscalern haben wir Partnerschaften, wie Amazon AWS und Microsoft Azure. Unsere Produkte unterstützen zum einen deren Referenz-Architekturen, zum anderen lassen sich unsere Konnektoren von Microsoft Edge aus auch einfach konfigurieren.
Kommen wir zu einer weiteren Lösung, die DataFeed OPC Suite, was bietet sie?
Rummel: Die DataFeed OPC Suite ist eine Windows-basierte All-in-One-Lösung, die mehrere Werkzeuge in einer Software-Plattform zusammenfasst, um die IT/OT-Datenintegration einfach, leicht und schnell zu machen. Anders gesagt, sie ermöglicht Anwendern eine einfache Datenkommunikation zwischen Maschinen, Servern und Anwendungen – also zwischen OPC-Classic- und OPC-UA-Netzwerken in einem einzigen Produkt. Die Suite fungiert als Gateway zwischen den beiden Standards und ermöglicht gleichzeitig die Anbindung von OPC-Netzwerken an die Cloud, das Senden von Daten über MQTT oder REST sowie die Integration von Industrie-4.0-Lösungen in bestehende OPC-Komponenten und -Anwendungen. Dank SSL/TLS-Unterstützung mit integrierten Zertifikaten ist die Sicherheit der Datenkommunikation gewährleistet.
Gibt es noch weitere Neuigkeiten im Softwarebereich?
Hilz: Ja, wir sind schon in einer Pilotphase und werden im Laufe des Jahres einen Online-Shop veröffentlichen, in dem der Anwender Lizenzen online runterladen und testen kann. Wir beginnen mit einem kleinen Produktbereich und wollen Schritt für Schritt möglichst viele Software-Produkte verfügbar machen. Das soll auch ein Mietmodell einschließen.
Eine weitere interessante Technologie ist momentan Ethernet-APL, der neue Standard für die Prozessindustrie. Welche Rolle spielt Softing dabei?
Rummel: Ethernet-APL steckt insgesamt noch in den Kinderschuhen, da müssen wir Geduld haben. Das gilt sowohl für die Komponenten- und Switch-Hersteller als auch für die Anwender. Allerdings kann man erste Produkte bereits in produktiven Anlagen einsetzen. Hier sind wir relativ früh dran und gehören zu den ersten Anbietern mit Ethernet-APL-Produkten. Von unserem Knowhow ausgehend haben wir gesehen, dass es sinnvoll ist hier auch zwei Produktbereiche anzubieten. Zum einen haben wir ein Portfolio an Ethernet-APL-Switches, das sowohl eine Kupfer- als auch eine Glasfaseranbindung unterstützt. Die Switches verbinden APL-Feldgeräte mit den Steuerungen, die Standard-Ethernet haben. Also auch hier sind wir wieder der Mittler, in diesem Fall zwischen diesen beiden physikalischen Layern – um die Einbindung in Prozesssysteme zu bekommen. Der zweite Produktbereich bietet Technologie-Integration für Gerätehersteller. Mit dem neuen CommModule APL, ein kostengünstiges SMD-Hardwaremodul, lassen sich Ethernet-APL-fähige Geräte mit kurzer Time-to-Market realisieren. Es wird mit einem vorinstallierten Profinet-Stack geliefert und bietet ein konfigurierbares Anwendungsdatenmodell sowie ein Befehlsmapping, mit dem vorhandene Hart- und Modbus-Geräte auf Ethernet-APL migriert werden können, ohne eine einzige Codezeile zu schreiben.
Zum Schluss, wo geht die Reise hin?
Hilz: Die besprochenen Technologien werden unter anderen in den nächsten Jahren immer wichtiger und wir liefern jetzt schon Produkte, um die Connectivity sicherstellen zu können. Das sind unsere zentralen Punkte und darum haben wir frühzeitig investiert. Dafür haben wir uns, wie anfangs besprochen, besser aufgestellt und planen dieses Jahr wieder mit einem deutlich zweistelligen Wachstum.