Höher, schneller, weiter – immer größer, immer komplexer: Nach diesem Motto baut man moderne Achterbahnen. Mit dieser Entwicklung einhergehend kommen auch neue Technologien in den Anlagen zum Einsatz – gerade, was die Automatisierungs- und Antriebstechnik der Bahnen angeht. So wird z.B. der klassische Kettenlift, der die Züge zum höchsten Punkt der Strecke zieht und den Rest anschließend der Schwerkraft überlässt, immer häufiger ersetzt. Durch Antriebskonzepte auf Basis von Linearmotoren zum Beispiel, denn auf diese Weise lassen sich Konstruktionen und Fahrtverläufe umsetzen, wie es sie vorher nicht gab. „Linearmotoren eröffnen komplett neue Möglichkeiten im Achterbahndesign“, unterstreicht auch Dr. Dieter Kraus, Geschäftsführer der Firma Intrasys, den Trend. „Man kann die Züge nicht nur aus allen denkbaren Positionen unglaublich beschleunigen, sondern sie genauso abbremsen oder in entgegengesetzter Richtung – also rückwärts – fahren lassen.“
Vielseitige Vorteile der Linearantriebe
„Linearmotoren sind im Vergleich zu einer Kettenzuglösung natürlich etwas teurer“, räumt Kraus ein. Aber über die bereits genannte Flexibilität hinaus gebe es weitere starke Argumente, warum sich der Kostenaufwand lohne: Zum einen sind die Linearmotoren praktisch verschleißfrei, in der Folge reduziert sich der Instandhaltungsaufwand für den Betreiber der Achterbahnen. Zum zweiten erhöht sich in vielen Fällen die Sicherheit: Denn während die Achterbahnzüge in klassischer Ausführung bei Störungen einfach stehenbleiben – im ungünstigsten Fall auch über Kopf oder in der Steilkurve – lassen sie sich mit Linearmotoren langsam und kontrolliert in eine sichere Position bringen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man die Nutzungsfrequenz durch die Linearantriebe erhöhen und in relativ kurzer Zeit mehrere Züge hintereinander starten kann. „Das Timing lässt sich mit Linearmotoren zuverlässig und sicher synchronisieren“, bekräftigt Kraus. „Insgesamt bieten wir mit unseren Linearmotorlösungen also eine sehr zuverlässige und ausgereifte Technik. Das beste Beispiel dafür ist der Blue Fire Megacoaster.“
Vom Einzelstück zum Erfolgsmodell in Serie
Gebaut wurde der Blue Fire Megacoaster, der 2009 im isländischen Themenbereich des Europa-Parks eröffnet wurde, von der Firma Mack Rides. Den auf Linearmotoren basierende Antrieb lieferte die Firma Intrasys. Die Züge der Achterbahn benötigen für die Strecke von 1.056m und den Scheitelpunkt in 38m Höhe ungefähr zweieinhalb Minuten, Looping, übergeneigte Kurven, Korkenzieher-Inversionen und Seitwärtsrolle inklusive. Sie wiegen vollbesetzt mit 20 Personen rund 10t und sind an der Unterseite mit Dauermagneten ausgestattet. Die Statoren entlang der Beschleunigungsgeraden bilden ein wanderndes Magnetfeld, das auf die Züge wirkt. So werden sie mit den Linearmotoren von Intrasys aus dem Stand über eine Strecke von 80m auf rund 100km/h beschleunigt – innerhalb von nur 2,5s. Anschließend hat ein Zug genug Energie gespeichert, um den Rest der Strecke komplett durchzufahren. Alle Statoren außerhalb des Wirkungsbereichs des Zuges werden standardmäßig kurzgeschlossen und dienen dadurch, bei einem Fehlstart oder zu geringer Beschleunigung, als Notbremsen. „Die Zusammenarbeit von Intrasys und Mack Rides bei Blue Fire hat sich mittlerweile zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt“, sagt Kraus. „Denn nach dem Erfolg in Rust, wurde in den Folgejahren die baugleiche Anlage noch einige weitere Male errichtet, z.B. in China, Russland oder Dubai.“ So habe die Firma Mack Rides gemeinsam mit den zusammenwirkenden Lieferanten ein echtes Zukunftsprodukt geschaffen. „Das ist ein toller Beleg dafür, dass wir unser Geschäft verstehen und mit der Lineartechnik langfristig Qualität liefern“, fährt der Intrasys-Geschäftsführer fort. „Und dass Innovation im Achterbahnbau gut ankommt.“
Steuerung im Systemverbund
Damit Intrasys diese Innovation liefern kann, bedarf es nicht nur der Linearmotoren. Denn um das Magnetfeld exakt auf die Position des Zuges abzustimmen, wird auch eine sehr genaue Antriebssteuerung benötigt. Schon bei geringer Abweichung ginge die übertragene Kraft verloren. „Auch diese Antriebssteuerung ist eine Eigenentwicklung von Intrasys und Teil unseres Kern-Know-hows“, so Kraus. Im Antriebscontroller sind die auf die Spezifikationen der Anlage zugeschnittenen Fahrprofile abgelegt. Damit ein Zug starten kann, kontrolliert die übergeordnete Steuerung der Achterbahn nicht nur ob Gatter und Sicherheitsbügel geschlossen sind, sie wird auch kontinuierlich über Ethercat mit der Antriebssteuerung abgeglichen. Letztere nimmt Daten der Linearmotoren zu Energieverbrauch, Position oder Geschwindigkeit im 100µs-Takt auf. Das erlaubt eine tiefgehende Diagnose, schon während der Fahrt und auch später. Andersherum werden Daten zur Anzahl der eingestiegenen Personen oder zur Umgebungstemperatur von oben an die Antriebssteuerung weitergegeben, die auf dieser Basis dann die Leistungselektronik regelt.