Leistungsstarke Antriebe für Achterbahnen

Mit Vollgas ins Vergnügen

Egal ob die Höhe des Kurses, die Steile der Kurven oder die Zahl der Loopings: Neue Achterbahnen müssen stets Rekordmarken setzen, um die Gunst der durchaus beachtlichen Achterbahnszene zu gewinnen. Der Blue Fire Megacoaster, 2009 im Europa Park eröffnet, erfreute sich schnell solch großer Beliebtheit, dass er sich heute baugleich in zahlreichen Freizeitparks der Welt findet. Mit ausschlaggebend für den Erfolg ist das Antriebskonzept über Linearmotoren und die dahinter stehende Umrichtertechnik.
Im modernen Achterbahnen wie dem Blue Fire Megacoaster kommen mehr und mehr Antriebe auf der Basis von Linearmotoren zum Einsatz.
Im modernen Achterbahnen wie dem Blue Fire Megacoaster kommen mehr und mehr Antriebe auf der Basis von Linearmotoren zum Einsatz.Bild: Europa-Park

Höher, schneller, weiter – immer größer, immer komplexer: Nach diesem Motto baut man moderne Achterbahnen. Mit dieser Entwicklung einhergehend kommen auch neue Technologien in den Anlagen zum Einsatz – gerade, was die Automatisierungs- und Antriebstechnik der Bahnen angeht. So wird z.B. der klassische Kettenlift, der die Züge zum höchsten Punkt der Strecke zieht und den Rest anschließend der Schwerkraft überlässt, immer häufiger ersetzt. Durch Antriebskonzepte auf Basis von Linearmotoren zum Beispiel, denn auf diese Weise lassen sich Konstruktionen und Fahrtverläufe umsetzen, wie es sie vorher nicht gab. „Linearmotoren eröffnen komplett neue Möglichkeiten im Achterbahndesign“, unterstreicht auch Dr. Dieter Kraus, Geschäftsführer der Firma Intrasys, den Trend. „Man kann die Züge nicht nur aus allen denkbaren Positionen unglaublich beschleunigen, sondern sie genauso abbremsen oder in entgegengesetzter Richtung – also rückwärts – fahren lassen.“

Bei der Umrichterserie ADV200 von Gefran lassen sich mehrere 355kW-Module über einen gemeinsamen Zwischenkreis zusammenschließen.
Bei der Umrichterserie ADV200 von Gefran lassen sich mehrere 355kW-Module über einen gemeinsamen Zwischenkreis zusammenschließen.Bild: Gefran Deutschland GmbH

Vielseitige Vorteile der Linearantriebe

„Linearmotoren sind im Vergleich zu einer Kettenzuglösung natürlich etwas teurer“, räumt Kraus ein. Aber über die bereits genannte Flexibilität hinaus gebe es weitere starke Argumente, warum sich der Kostenaufwand lohne: Zum einen sind die Linearmotoren praktisch verschleißfrei, in der Folge reduziert sich der Instandhaltungsaufwand für den Betreiber der Achterbahnen. Zum zweiten erhöht sich in vielen Fällen die Sicherheit: Denn während die Achterbahnzüge in klassischer Ausführung bei Störungen einfach stehenbleiben – im ungünstigsten Fall auch über Kopf oder in der Steilkurve – lassen sie sich mit Linearmotoren langsam und kontrolliert in eine sichere Position bringen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man die Nutzungsfrequenz durch die Linearantriebe erhöhen und in relativ kurzer Zeit mehrere Züge hintereinander starten kann. „Das Timing lässt sich mit Linearmotoren zuverlässig und sicher synchronisieren“, bekräftigt Kraus. „Insgesamt bieten wir mit unseren Linearmotorlösungen also eine sehr zuverlässige und ausgereifte Technik. Das beste Beispiel dafür ist der Blue Fire Megacoaster.“

Intrasys-Geschäftsführer Dieter Kraus setzt im Rahmen seiner Linearmotoren (im Vordergrund) auf zuverlässige und ausgereifte Technik.
Intrasys-Geschäftsführer Dieter Kraus setzt im Rahmen seiner Linearmotoren (im Vordergrund) auf zuverlässige und ausgereifte Technik.Bild: TeDo Verlag

Vom Einzelstück zum Erfolgsmodell in Serie

Gebaut wurde der Blue Fire Megacoaster, der 2009 im isländischen Themenbereich des Europa-Parks eröffnet wurde, von der Firma Mack Rides. Den auf Linearmotoren basierende Antrieb lieferte die Firma Intrasys. Die Züge der Achterbahn benötigen für die Strecke von 1.056m und den Scheitelpunkt in 38m Höhe ungefähr zweieinhalb Minuten, Looping, übergeneigte Kurven, Korkenzieher-Inversionen und Seitwärtsrolle inklusive. Sie wiegen vollbesetzt mit 20 Personen rund 10t und sind an der Unterseite mit Dauermagneten ausgestattet. Die Statoren entlang der Beschleunigungsgeraden bilden ein wanderndes Magnetfeld, das auf die Züge wirkt. So werden sie mit den Linearmotoren von Intrasys aus dem Stand über eine Strecke von 80m auf rund 100km/h beschleunigt – innerhalb von nur 2,5s. Anschließend hat ein Zug genug Energie gespeichert, um den Rest der Strecke komplett durchzufahren. Alle Statoren außerhalb des Wirkungsbereichs des Zuges werden standardmäßig kurzgeschlossen und dienen dadurch, bei einem Fehlstart oder zu geringer Beschleunigung, als Notbremsen. „Die Zusammenarbeit von Intrasys und Mack Rides bei Blue Fire hat sich mittlerweile zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt“, sagt Kraus. „Denn nach dem Erfolg in Rust, wurde in den Folgejahren die baugleiche Anlage noch einige weitere Male errichtet, z.B. in China, Russland oder Dubai.“ So habe die Firma Mack Rides gemeinsam mit den zusammenwirkenden Lieferanten ein echtes Zukunftsprodukt geschaffen. „Das ist ein toller Beleg dafür, dass wir unser Geschäft verstehen und mit der Lineartechnik langfristig Qualität liefern“, fährt der Intrasys-Geschäftsführer fort. „Und dass Innovation im Achterbahnbau gut ankommt.“

Bild: TeDo Verlag

Steuerung im Systemverbund

Damit Intrasys diese Innovation liefern kann, bedarf es nicht nur der Linearmotoren. Denn um das Magnetfeld exakt auf die Position des Zuges abzustimmen, wird auch eine sehr genaue Antriebssteuerung benötigt. Schon bei geringer Abweichung ginge die übertragene Kraft verloren. „Auch diese Antriebssteuerung ist eine Eigenentwicklung von Intrasys und Teil unseres Kern-Know-hows“, so Kraus. Im Antriebscontroller sind die auf die Spezifikationen der Anlage zugeschnittenen Fahrprofile abgelegt. Damit ein Zug starten kann, kontrolliert die übergeordnete Steuerung der Achterbahn nicht nur ob Gatter und Sicherheitsbügel geschlossen sind, sie wird auch kontinuierlich über Ethercat mit der Antriebssteuerung abgeglichen. Letztere nimmt Daten der Linearmotoren zu Energieverbrauch, Position oder Geschwindigkeit im 100µs-Takt auf. Das erlaubt eine tiefgehende Diagnose, schon während der Fahrt und auch später. Andersherum werden Daten zur Anzahl der eingestiegenen Personen oder zur Umgebungstemperatur von oben an die Antriebssteuerung weitergegeben, die auf dieser Basis dann die Leistungselektronik regelt.

Die Achterbahn Blue Fire gibt es mittlerweile in verschiedenen Freizeitparks rund um den Globus.
Die Achterbahn Blue Fire gibt es mittlerweile in verschiedenen Freizeitparks rund um den Globus.Bild: Europa Park

Maßgeschneidert Energie bereitstellen

Auch die Frequenzumrichter, die im Hintergrund ihre Arbeit verrichten, nehmen eine wichtige Rolle ein. Denn nur im Verbund können die Linearmotoren die geforderten Eigenschaften der Achterbahn sicherstellen. In den Blue-Fire-Anlagen übernehmen Geräte von Gefran diese Aufgabe. „Mittlerweile setzen wir schon die zweite Gerätegeneration des Herstellers ein“, erklärt Kraus. „Vormals das Open-Frame-System CR Drive AVY und heute die modulare Umrichterlösung ADV200.“ Bei dieser Baureihe lassen sich mehrere Module à 355kW zusammenschließen und über den gemeinsamen Zwischenkreis im Master/Slave-Verbund nutzen. „Wir müssen im Achterbahnbau eine Gratwanderung meistern“, führt Kraus weiter aus. „Natürlich muss man genügend Energie zur Verfügung stellen, um den Zug nach der Kundenvorgabe zu beschleunigen. Gleichzeitig darf man nicht zu viel Leistung im System vorhalten, sonst wird es womöglich vom TÜV nicht abgenommen.“ Mit den modularen Gefran-Umrichtern lasse sich eine Überdimensionierung der Antriebselektronik einfach vermeiden. „So können wir unseren Linearmotoren quasi maßgeschneidert Energie zur Verfügung stellen.“ Anders als bei Motor und Controller setzt Kraus bei den Umrichtern bewusst auf Lieferanten. Denn Gefran hat die Schnittstellen der ADV200-Umrichter genau auf die Bedürfnisse von Intrasys zugeschnitten. „Dafür, dass wir uns vor zwölf Jahren für Gefran entschieden haben, sprach neben den Geräteeigenschaften vor allem die hohe Flexibilität des Lieferanten und die Nähe zu dessen Entwicklern“, lässt Kraus einblicken. Zudem seien die modernen Geräte darauf ausgelegt, dem Maschinenbauer viel Arbeit in der Entwicklung und Inbetriebnahme abzunehmen. So z.B. mit softwarebasierten Lernmodi, mit denen sich der Umrichter weitgehend selbst an den Motor und die Applikation anpasst.

Unterstützung für den Endanwender

Die Umrichter bringen durch Onboard-Diagnose, Selbsttest und integrierte Anzeigeeinheit auch Erleichterungen für den Anwender mit. Denn so lässt sich bei Störungen schnell herausfinden, wo der Fehler liegt. „Solche Features, die dem Instandhalter in industriellen Anwendungen das Leben einfacher machen, kommen natürlich auch in der Achterbahnszene gut an“, weiß Kraus aus Erfahrung. Durch den modularen Aufbau kann der Anwender im Servicefall einen Wechsel der betroffenen Umrichtermodule unkompliziert selbst durchführen und muss nicht das gesamte System auseinandernehmen. Über eine abnehmbare Bedieneinheit an der Gerätefront, die sich einfach auf ein getauschtes Modul übertragen lässt, werden die jeweiligen Konfigurationen und Parameter automatisch übernommen und eingespielt. „Das reduziert die ungeplante Downtime, die in Freizeitparks schnell hohe finanzielle Einbußen bedeutet“, sagt Kraus. Für ihn ist deswegen die Qualität der Umrichter generell von hoher Bedeutung: „Dass viele der eingesetzten Gefran-Umrichter auch nach zehn oder zwölf Jahren zuverlässig ihren Dienst verrichten, spricht einfach für sich.“ Denn Intrasys setze die Umrichter ja nicht so ein, wie vom Hersteller ursprünglich vorgesehen. „In der Industrie ist es normalerweise so: Das Gerät läuft an, über eine längere Zeit konstant und schaltet schließlich wieder ab. Wir aber konzentrieren diesen Prozess auf ein ganz enges Zeitfenster und beanspruchen das System dabei mit maximaler Leistung.“

Aus der Industrie in den Freizeitpark und wieder zurück

Industrielle Linearantriebe lassen sich also – wie das Beispiel Intrasys deutlich macht – auch gut in anderen Branchen und Bereichen einsetzen. „Unser Blick über den Tellerrand zahlt sich aber auch für die Industrie aus,“ versichert Kraus. „Denn die Beschleunigungsprofile aus dem Achterbahnbereich passen auch für verschiedene Industrieeinsätze.“ So hat sein Unternehmen mit seiner Antriebslösung und entsprechender Erfahrung aus dem Achterbahnbereich mittlerweile ebenso industrielle Anwendungen umgesetzt: beispielsweise um Fahrzeuge in Testanlagen der Automobilindustrie auf Tempo zu bringen, bzw. abzubremsen. Entsprechend resümiert Kraus: „Die Kombination unserer speziellen Antriebe mit Standardumrichtern lässt sich wunderbar in die Industrie zurückspielen, denn diese ist zunehmend auf der Suche nach entsprechend leistungsfähigen und zuverlässigen Linearlösungen.“ (mby)

Gefran Deutschland GmbH

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