Das Thema Drive Intelligence gewinnt ständig an Relevanz. Grund dafür sind die fortschreitende Digitalisierung und steigende Anforderungen an Präzision, Produktivität und Planbarkeit in der Fertigung. Beim Blick auf das gesamte Antriebssystem mit Motor, Antrieb und Steuerung zeigt sich, dass sich bei der Umrichtertechnik hierzu viel entwickelt hat und auch weiteres Entwicklungspotential gegeben ist. Neben den Standardaufgaben, wie der Steuerung des Leistungsflusses oder der Regelung der Motordrehzahl, sind viele weitere Features im Antrieb vorhanden, z.B. Safety-Funktionen.
Speziell in komplexeren und hochdynamischen Anwendungen, die mit Servoantriebstechnik umgesetzt werden, spielen smarte Zusatzfeatures eine immer größere Rolle. Ziel ist es, mit den im Antrieb vorhandenen Daten z.B. die Verfügbarkeit der Maschine zur erhöhen, die Produktqualität zu sichern bzw. zu verbessern oder durch Konnektivität neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
Drive Intelligence, was ist das eigentlich?
Drive Intelligence ist die Nutzung der Daten, die im Umrichter zusammenlaufen, um damit einen Mehrwert für den Maschinenbauer und den Betreiber zu generieren. Das geschieht durch die Integration von Funktionen zur Steuerung, Regelung Vernetzung und Selbstoptimierung im Umrichter. Wichtige Weichenstellungen für einen energieeffizienten und performanten Betrieb der Maschine werden bereits in der Engineering-Phase getroffen. Deshalb ist die intelligente Dimensionierung und Auslegung von Antriebssystemen etwa mit moderner Simulationstechnik ein weiterer wichtiger Baustein von Drive Intelligence. Der digitale Zwilling verkürzt z.B. die Entwicklungszeiten und erleichtert die Auslegung komplexer Antriebssysteme, so dass die geeignete Dimensionierung hinsichtlich Leistung, Effizienz und Lebensdauer gefunden wird.
Beim Thema Drive Intelligence geht Baumüller den Weg zur Verlagerung von Steuerungsfunktionen in den Umrichter. Denn durch die Integration eines leistungsfähigen Motion Controllers in den Umrichter lassen sich Kosten reduzieren und die Maschinensoftware modular aufbauen. Diese dezentralen Antriebskonzepte entlasten Feldbusse und verbessern durch reduzierte Zykluszeiten die Produktivität und Produktqualität. „Bei Baumüller gibt es zwei Varianten, wie Steuerungsfunktionalitäten in den Umrichter integriert werden,“ erklärt Produktmanager Jürgen Dlugosch. „Mit der SoftdrivePLC in der Firmware setzen wir Bewegungen und Analysefunktionen in Einzel- und Doppelachsanwendungen um. Mit der PLC di ermöglichen wir die Steuerung von mehreren Achsen und zusätzliche IoT-Funktionen.“ Des Weiteren können mit den antriebsbasierten Maschinenmodulen Funktionen wie Querschneider oder Servopumpe direkt im Antrieb umgesetzt werden. Mit den vorprogrammierten Software-Motion-Modulen kann der Maschinenbauer seine Anwendung effizient in wenigen Schritten konfigurieren. Drei Bereiche haben Maschinenbauer im Blick, wenn der Einsatz intelligenter Antriebstechnik diskutiert wird: Nachhaltigkeit, Prozessverbesserungen und Zuverlässigkeit.
Nachhaltigkeit
Die Digitalisierung als aktueller Trend im Maschinenbau zahlt auf ein weiteres großes Trendthema ein: Nachhaltigkeit. Rohstoffe werden knapper, Energiekosten steigen und der Druck des Gesetzgebers durch neue Normen nimmt zu, die Effizienz in allen Bereichen muss damit weiter steigen. Eine Funktionalität, die zur Verbesserung der Energieeffizienz beiträgt, ist das Smart Energy Monitoring. Intelligente Umrichter müssen in der Lage sein, ohne zusätzliche Hardware ihren Energieverbrauch zu messen. Was zunächst trivial klingt, ist an sich komplex. Denn zusätzlich zum Antrieb müssen auch die Verluste der Drossel, des Filters und aller Zusatzkomponenten ermittelt werden. Baumüller realisiert das mit einer Firmwarelösung, der SoftdrivePLC. Es werden darin Energieflüsse simuliert, daraus wird ein Modell erstellt, das dem Umrichter zur Verfügung gestellt wird. Online kann dann der Energieverbrauch des gesamten Antriebssystems eingesehen und als Basis für Verbesserungen herangezogen werden. Die Referenzmessung dient dabei zusätzlich noch als Ausgangswert, um energetische Verschlechterungen im Produktionsprozess zu erkennen und Warn- bzw. Fehlerschwellen einzurichten.
Eine weitere intelligente Funktion zur Steigerung der Effizienz ist das dynamische Temperaturmodell, das direkt in der Umrichter-Software integriert ist und die maximale Auslastung der elektrischen Antriebe bei Leistungsspitzen überwacht. Die Funktion ist zum Beispiel interessant für Anwendungen, die hohe Drehmomente erfordern. Umgesetzt wurde dies durch ein Temperaturmodell, das den aktuellen Temperaturverlauf erfasst und die zu erwartende thermische Belastung modellhaft berechnet. Das dynamische Temperaturmodell wurde auch in die Auslegungssoftware integriert, so dass damit bereits eine verbesserte Auslegung möglich wird. Die Antriebe werden als Folge besser ausgelastet und können in vielen Anwendungsfällen besser dimensioniert werden. Das verringert den Energieverbrauch der Maschine, senkt den CO2-Fußabdruck des Maschinenbauers und Anwenders, verringert den Maschinen-Footprint und sorgt für eine hohe Maschinenverfügbarkeit.
Prozessoptimierungen
Die Servoantriebe der b maXX-Familie können die direkt am Prozess entstehenden Daten erfassen und analysieren. Das sind zum Beispiel Informationen zu Leistung, Strom, Drehmoment, Drehzahl oder Position. So kann der Antrieb ohne externe Hardware in Echtzeit auf bestimmte Ereignisse selbständig reagieren. Für diese Verbesserungen stehen verschiedene Funktionen wie zum Beispiel „Rückzug bei Netzausfall“, die bei einem Netzausfall eine Positionierung auf eine parametrierbare Position durchführt, oder „Geberloser Stopp“, die im Falle eines Geberfehlers auf den geberlosen Betrieb umschaltet und so kontrolliert abbremst, zur Verfügung. Die Funktionen sind jeweils in der Baumüller-Parametriersoftware ProDrive verfügbar.
Reicht die Datenbasis für den jeweiligen Anwendungsfall nicht aus, kann auch externe Sensorik mit eingebunden werden, z.B. über Schwingungssensoren oder Daten aus einem intelligenten Getriebe.
Eine weitere Funktionalität, die zu Prozessverbesserungen führt, ist die adaptive Regelung. In vielen Prozessen sind die Materialeigenschaften nicht gleichbleibend, wie bei der Verarbeitung von Rezyklaten. Materialunterschiede können hier über direkte und indirekte Sensorik erfasst und mit Hilfe adaptiver Regelung ausgeglichen werden. Dies führt nicht nur zu einer Verbesserung der Produktivität, sondern auch zu mehr Nachhaltigkeit und höherer Energieeffizienz.
Verfügbarkeit
Ein weiteres Ziel beim Einsatz intelligenter Antriebe ist die Überwachung der Verfügbarkeit des Antriebssystems. Durch Schwingungsanalysen über die Firmware kann das System auch ohne externe Sensorik überwacht werden. So können problematische Zustände detektiert werden. Die Messungen werden dann per Analyse ausgewertet und der Betreiber bekommt die Nachricht, das System entsprechend zu überprüfen.
Mit der Baumüller b maXX PLC di, wird der Umrichter zusätzlich IoT-fähig. Die vorverarbeiteten Daten können dann über Schnittstellen wie OPC UA an die Cloud oder einen Edge-PC weitergegeben werden. Damit kann der Maschinenhersteller seinen Kunden erweiterte Services anbieten und sich somit neue Geschäftsmodelle erschließen.