OPC UA als Enabler für M2M-Kommunikation

Alternativlos?

Das IEC62541-basierte M2M-Protokoll OPC UA wird heute von vielen als wichtigster Standard für die nicht deterministische industrielle Kommunikation gehandelt. Doch dient OPC UA wirklich der Sicherung der Innovationsführerschaft oder ist es Zeitverschwendung? Ist es nur ein weiterer Standard unter vielen, der zudem noch keine weite Verbreitung in der installierten Basis hat? Diese Frage hat sich auch der Expertenkreis 'Mensch und Mechatronik' gestellt.
 Wandlungsfähige Produktionsanlagen: Plug&Produce kann technisch z.B. über den Austausch von OPC-UA-Informationsmodellen zum Abgleich der Maschinenfähigkeiten und Rezeptdaten für den Produktionsauftrag erfolgen.
Wandlungsfähige Produktionsanlagen: Plug&Produce kann technisch z.B. über den Austausch von OPC-UA-Informationsmodellen zum Abgleich der Maschinenfähigkeiten und Rezeptdaten für den Produktionsauftrag erfolgen.Bild: Talsen Team GmbH

Angeleitet wurde die Diskussion durch Dr. Hans Egermeier und Dr. Ulrich Viethen mit insgesamt fünf Thesen die das Potential aber auch die Grenzen von OPC UA beschreibbar und diskutierbar machen. Die vierte These, die das SPS-MAGAZIN im Rahmen einer Artikelserie in dieser Ausgabe vorstellt, lautet: OPC UA ist der derzeit umfassendste Wandlungsbefähiger im Sinne der industriellen, herstellerunabhängigen M2M-Kommunikation. Derzeit ist keine vergleichbare Alternative zu OPC UA für den Maschinenbau absehbar. Die These greift also den Aspekt der Wandlungsfähigkeit auf und zielt damit auf den ewigen Traum der Produktionstechnik nach flexiblen, schnell und kostengünstig veränderbaren Maschinen, Anlagen und Prozessen, damit individualisierte Produkte in kleinen Chargen zum Preis von Massenprodukten erzeugt werden können. Jede der bisher besprochenen Thesen in Bezug auf

  • die strategische Bedeutung offener Standards (vgl. These 1),
  • moderne Softwarearchitekturen mit klar abgegrenzten, gut handhabbaren Einheiten (vgl. These 2) und
  • der Cloud als Informationshub und technologischer Gamechanger (vgl. These 3)

ist ein wichtiges Puzzleteil auf dem Weg zur Wandlungsfähigkeit. Wer in Bezug auf Wandlungsfähigkeit und OPC UA tiefergehend recherchiert, wird schnell auf die Begriffe wie Plug&Play, Plug&Work oder Plug&Produce (zusammengefasst: Plug&X) stoßen. Dahinter steht die idealerweise vollautomatische Konfigurier- und Rekonfigurierbarkeit von Maschinen und Anlagen zu unterschiedlichen Produktionseinheiten. Das stellt schlussendlich die Basis für eine wandlungsfähige vernetzte Produktionsvision dar.

Flexibler Ansatz

Ohne genauer auf die begrifflichen Feinheiten und Abstufungen von Plug&X einzugehen, kommt hierbei eine weitere grundlegende Eigenschaft von OPC UA zum Tragen. Anstatt vorab alle Schnittstellen statisch festzulegen, bietet OPC UA einen flexibleren Ansatz: Die jeweiligen Kommunikationspartner stellen die eigenen Fähigkeiten und Informationen so zur Verfügung, dass sich ein systematisches Zusammenspiel dynamisch und situationsbezogen ergeben kann. Das entspricht unmittelbar den Anforderungen der Industrie-4.0-Kommunikation bzgl. der Übertragung selbstbeschreibender Informationen und der Selbstauskunftsfähigkeit. Würde man versuchen, vorab alles komplett statisch festzulegen, wäre der Spielraum für alle Beteiligten so stark eingeschränkt, dass diese Art von Standard für Plug&X sicher keine Akzeptanz finden würde. Denn es ist wohl fest damit zu rechnen, dass allein schon aus Marktdifferenzierungsgründen immer ein hersteller-, versions- oder maschinenspezifischer Rest an Informationen in den standardisierten Schnittstellen bleiben wird. Durch die hohe Innovationsgeschwindigkeit und Vielfalt an Maschinentypen und Prozessen im Maschinenbau kann eine standardisierte Schnittstelle nur einen Ausgangspunkt für die ansonsten flexible dynamische Verkopplung auf horizontaler M2M-Ebene und in Richtung übergeordneter Leitsysteme sein. Die technologischen Kernbausteine von OPC UA für Wandlungsfähigkeit und Plug&X sind Informationsmodellierung, Semantik und Serviceorientierung.

– Informationsmodelle bilden Daten bzw. Eigenschaften und Operationen bzw. Methoden ab. Im Falle von OPC UA z.B. von Geräten, Maschinen und Anlagen. In dem OPC-UA-Informationsmodell können beliebige Hierarchien und Querverbindungen und Referenzen dargestellt werden.

– Informationsmodellierung ist das Verfahren, das schlussendlich zu den Informationsmodellen führt. Es ist die größte Anstrengung, um zu übergreifenden Standards als Ausgangspunkt zu kommen, wie die derzeit über 40 aktiven Arbeitsgruppen im VDMA zur Definition unterschiedlicher OPC UA Companion Spezifikationen belegen. OPC UA ist ein dafür in besonderem Maße geeignetes Informationsmodellierungs-Framework.

– Semantik: Dieser Punkt ist so unscheinbar und doch der wichtigste Punkt für die Stärke von OPC UA. Ohne Semantik keine Selbstbeschreibungsfähigkeit, damit kein Plug&X und damit keine effiziente Wandlungsfähigkeit. Auf einer technischen Ebene bedeutet das, dass nicht nur Daten, Datenstrukturen und Methoden transportiert werden, sondern auch deren Bedeutung.

– Serviceorientierung (siehe These 2) heißt praktisch gesehen die Zerlegung großer Software in kleine, flexible, handhabbare und austauschbare Einheiten bzw. Dienste und steht damit unmittelbar für die Wandelbarkeit von Softwaresystemen. Das ist bei OPC UA durch den im Kern serviceorientierten Architekturansatz vollständig abgedeckt.

Auch wenn OPC UA die Wirkmechanismen und Architektur für Plug&X mitbringt, stellt sich die berechtigte Frage, welche Alternativen für OPC UA verfügbar sind. Diese Frage ist trotz einer vielfältigen Kommunikations- und Protokollwelt im Prinzip leicht zu beantworten. Der Netzwerkeffekt auf Anwenderebene hat bei OPC UA längst eingesetzt, und obwohl technisch ein vergleichbares Kommunikationsverhalten sehr sicher auch anderweitig erreicht werden kann, leben Standards von der breiten Akzeptanz im Markt. Im Bereich der Fabrikautomation sieht man diese von Jahr zu Jahr schnell weiter wachsen, nicht nur zuletzt an den Mitgliederzahlen der OPC-UA-Arbeitskreise im VDMA oder den Mitgliedern der OPC Foundation, sondern auch an der schlichten Anzahl von Produkten wie Gateways, EdgeDevices, SPSen, IPCs, Leitstandsystemen oder intelligenten Peripheriegeräten die OPC UA verwenden.

Fazit zu These 4

OPC UA bietet durch seine Offenheit nicht nur die generellen Randbedingungen zur Umsetzung und Verbreitung eines übergeordneten Kommunikationsstandards, sondern auch die technische Plattform für wesentliche Zukunftsthemen und zur Steigerung der Wandlungsfähigkeit in der Produktionstechnik. Daher ist OPC UA der Standard, dem als Technologiebaustein in Bezug auf Selbstbeschreibungsfähigkeit und Selbstauskunftsfähigkeit das größte Potential zugesprochen werden kann, in Zukunft flexibles Plug&X-Verhalten auch für variantenreiche und hochkomplexe Industriekomponenten und -systeme zu ermöglichen.

talsen team GmbH

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