Digitale Transformation erfordert konzeptionelle Neuausrichtung

Der digitale Zwilling und die Automatisierungstechnik

Die Digitalisierung hat starke Auswirkungen auf produzierende Unternehmen und deren Fertigung, somit auch auf den Maschinen- und Anlagenbau. In diesem Zusammenhang wird die Forderung nach der Losgröße 1 in Diskussionen, Artikeln und Vorträgen immer wieder genannt. Weiterer Druck auf die Hersteller entsteht durch die globalen Märkte. Industrie 4.0 verspricht hier entscheidende Wettbewerbsvorteile. In unserem dritten Teil des Expertengesprächs mit Wolfgang Blome geht es um die Frage, wie für Maschinen- und Anlagenbauer die Migrationspfade in die Digitalisierung aussehen könnten und mit welchen Technologien sie sich auseinandersetzen müssen, um auf den Paradigmenwechsel reagieren zu können.

Vitales Interesse zur Datenpflege

Auch heute schon könnten alle Änderungen an der realen Anlage – wie sie häufig vorkommen – in die Konstruktionssysteme zurückfließen. Die Realität sieht jedoch deutlich anders aus: „Schon nach der Inbetriebnahme stimmen viele installierte Produktionssysteme nicht mehr mit den Plänen überein“, beschreibt Blome die gegenwärtige Situation: „Das auseinanderlaufen von Konstruktionssystem und realer Anwendung liegt jedoch vor allem daran, dass die Hersteller keinen direkten Nutzen davon haben, die Konstruktionsdaten nachzuführen. Das wird mit dem digitalen Zwilling anders: Rüstzeitenplanung, Simulation und schnelles, einfaches (AR)-Maintenance können nur auf Basis valider Daten erfolgen. Auch für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen Systemen wird ein möglichst genaues digitales Abbild eines Produktionsmittels erforderlich sein. Daher haben Produzenten ein vitales Interesse daran, das digitale Modell ihrer Maschinen und Anlagen zu Pflegen und weiterzuentwickeln.“

Der digitale Zwilling beginnt beim Fertigungsprodukt

Wir haben in dieser Reihe von Beiträgen bereits dargelegt, dass sich die Wirkrichtung vom Produkt zum Verkäufer umkehrt. Sie wird in Zukunft nicht beim Konsumenten enden, sondern dort starten. Vermittelt über die Handelsplattformen des Internets werden kundenkonfigurierten Produktaufträge in der Fertigung ankommen, die anschließend in kürzester Zeit umgesetzt und ausgeliefert werden müssen. Für Blome ist die Folge daraus klar: „Das digitale Abbild des zu fertigenden Produktes ist in Zukunft der Ausgangspunkt für die Maschinenentwicklung. Dafür ist ein möglichst nahtloser Übergang der Produkt-Konstruktionssysteme und der Maschinen-Konstruktionssysteme notwendig. Der Vorteil für die Produktion liegt auf der Hand. Ändert sich etwas in dem zu fertigenden Produkt, kann dies gleich mit den Fertigungswerkzeugen abgestimmt werden.“

Fazit

Blome fasst die zukünftige Entwicklung wie folgt zusammen: „Die digitale Transformation fordert von Maschinenbauern eine konzeptionelle Neuorientierung. Dabei spielen Dinge wie Simulation, Augmented Reality und Lifecycle-Management eine wichtige Rolle. Um die Forderung der Produzenten nach dem digitalen Zwilling erfüllen zu können, müssen sich deren Automatisierungslieferanten in überlagerte PLM-Systeme integrieren. Denn nur dann können beispielsweise Simulation und Automatisierung nahtlos zusammen arbeiten. Dafür ist es jedoch dringend erforderlich eine gemeinsame Semantik zu entwickeln“, mahnt Blome abschließend. Mit dem Thema Semantik wird sich daher der nächste Beitrag dieser Reihe beschäftigen. (kbn)

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