Interview mit Michael Gartz und Andreas Winkler von Panasonic Electric Works

„Schneller, besser, exakter „

Welche Anforderungen stellt der Markt heute an moderne Servoantriebe? Welche technologischen Einflüsse prägen Neuentwicklungen in diesem Bereich? Und an welchen Stellen kann sich die kürzlich vorgestellte Panasonic-Servogeneration Minas A6 vom Wettbewerb differenzieren? Über diese Punkte hat das SPSMAGAZIN mit den Panasonic-Antriebsspezialisten Michael Gartz und Andreas Winkler gesprochen.
Bild: Panasonic Electric Works Europe AG

Herr Gartz, Sie verantworten den Bereich Control & Drives bei Panasonic, sprich die Automatisierungstechnik. Dabei ist die Marke in Deutschland ja vor allem aus der Unterhaltungselektronik bekannt.

Michael Gartz: Die Consumer-Elektronik aus unserem Haus mag in Deutschland in der Tat bekannter sein, dabei macht der Industriebereich in Wirklichkeit den größeren Teil des Panasonic-Konzerns aus und deckt ein breites Technologiespektrum ab: In der Automatisierung ist Panasonic Electric Works als Vollsortimenter aufgestellt, d.h. wir können von der Steuerungstechnik über die Antriebstechnik und HMIs bis hin zur Sensorik und Elektromechanik komplette Lösungen liefern.

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Inwieweit ist dieses Portfolio auch auf die Anforderungen im deutschen bzw. europäischen Markt ausgelegt?

Gartz: Wir haben am Standort in Ottobrunn eine eigene Entwicklung. Deren Hauptaufgabe ist es, die in Japan entwickelten Produkte auch fit für den europäischen Markt zu machen. Darüber hinaus gibt es auch Produkte wie unseren FP-Webserver oder die SPS-Betriebssoftware FP Win Pro, die komplett in Deutschland entwickelt wurden, aber global vertrieben werden.

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Kürzlich hat Panasonic Electric Works die Servoantriebsfamilie Minas A6 vorgestellt. Was war die Intention für die Neuentwicklung?

Gartz: Das ist einfach erklärt: Die Lebenszyklen in der Antriebstechnik von Panasonic sind relativ lang – die Vorgängerserie haben wir bereits vor sieben Jahren gelaunched. Der Markt verändert sich aber ständig und so haben wir die Minas-A5-Baureihe weiterentwickelt, an aktuelle Anforderungen angepasst und um neue Funktionen und Leistungsdaten erweitert. Herausgekommen ist Minas A6.

Es war also einfach an der Zeit?

Gartz: Das kann man nach sieben erfolgreichen Jahren von Minas A5 so sagen. Wobei es auch Kunden gibt, die sogar noch die A4-Reihe einsetzen und die wir entsprechend auch immer noch im Programm haben. Schließlich haben viele Maschinen in der Industrie einen Lebenszyklus von 20 Jahren und mehr.

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Weshalb der Anwender auch auf Automatisierungsseite eine hohe Langzeitverfügbarkeit fordert.

Andreas Winkler: Richtig. Bei Panasonic stellen wir deswegen sicher, dass neue Hard- und Software stets kompatibel zur bereits etablierten Technik ist. So hat der Kunde keinen großen Aufwand, wenn er neue Produkte einsetzen will.

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Sie sprachen eben von neuen Anforderungen, Herr Gartz, denen Sie sich mit den neuen Servoantrieben stellen müssen. Welche sind hier konkret zu nennen?

Gartz: Im ersten Zug sind es die des technischen Fortschritts: Produkte müssen immer schneller, besser und exakter sein – gleichzeitig aber auch robust und sehr langlebig. So haben wir z.B. die Geschwindigkeit in der Minas-A6-Reihe von 6.000 auf 6.500U/min erhöht. Das klingt nicht weltbewegend, spielt aber in einigen Prozessen durchaus eine entscheidende Rolle. Zudem ist in den neuen Antrieben ein 23Bit-Encoder verbaut, der die Genauigkeit verbessert.

Winkler: Die A5-Serie verfügt über einen 20Bit-Encoder, mit der sich pro Umdrehung etwa 1Mio. Pulse/Umdrehung ansteuern lassen. Mit einem 23Bit-Encoder erhöht sich diese Zahl hingegen auf etwa 8Mio Pulse/Umdrehung. Das ist z.B. in Applikationen aus der Halbleiterindustrie ausschlaggebend, die sich ja nach wie vor dem Moor´schen Gesetz stellen muss: alle zwei Jahre die Rechenleistung verdoppeln und gleichzeitig die Bauteilgröße halbieren. Um die immer kleineren Chips mit immer feineren Leiterbahnen produzieren zu können, benötigt der Hersteller natürlich auch modernste Antriebstechnik.

Welchen technischen Neuerungen wurden die A6-Motoren unterzogen?

Gartz: Ein wichtiger Aspekt ist die Abdichtung der Motoren mit unserer dreifachen Öldichtung. In den allermeisten Anwendungen reicht zwar eine Einfachlippe aus. Aber wenn die Motoren in wirklich harten Umgebungsbedingungen eingesetzt werden, dann kann sich durch die Dreifachlippe die Lebensdauer der Antriebe und damit die Verfügbarkeit einer Anlage beträchtlich erhöhen. Und vom Preis her macht es auch kaum einen Unterschied.

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Was spricht denn dann dagegen, gleich alle Motoren der A6-Reihe mit Dreifachlippe auszustatten?

Gartz: Wir hätten die Dreifachlippe gerne als Standard bei Minas A6 gesetzt. Aber sie baut von den Dimensionen her etwas größer, wodurch sich das Gehäuse ändert. Wenn also ein Kunde eins zu eins von A4 oder A5 auf A6 umsteigen will, dann bekommt er die Motoren nach wie vor mit Einfachlippe von uns.

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Wie sieht es mit der Baugröße aus? Sind die neuen Servos auch kompakter geworden?

Winkler: Das größte Herausstellungsmerkmal ist die kompakte Bauweise unserer Motoren und denoch sind die A6-Modelle im Vergleich zu A5 nochmals rund ein Drittel kleiner. Das bedeutet natürlich auch weniger Gewicht, was gerade in Handhabungs- und Robotikanwendungen eine große Rolle spielt.

Gartz: Was die Leistung der Motoren angeht, liegt unsere Stärke vor allem im Bereich von 30W bis 1kW bei 230V. Aber wir wollen auch in den Bereichen oberhalb mehr Präsenz zeigen. Und weil hier größere Ströme durchaus Sinn machen, sind wir gerade bei Minas A6 dabei, unsere Entwicklungen für die größeren Motoren auch im 400V-Bereich voranzutreiben.

Das Produktspektrum wird also größer.

Winkler: Genau. Wir bieten bei den 200V-Motoren eine Leistung bis 15kW. Mit der 400V-Technik soll das Angebot dann bis 22kW steigen. Gleichzeitig wollen wir in Kürze auch 24- und 48V-Motoren für die A6-Reihe vorstellen, die die Baureihe nach unten hin abrunden.

Wie wirken sich die Trends von Industrie 4.0 auf die Funktionalität der neuen Servofamilie aus?

Gartz: Die Antriebstechnik wird nicht so stark von Industrie 4.0 beeinflusst, wie es bei der Steuerungs- oder Kommunikationstechnik der Fall ist. Aber wir müssen natürlich passende Schnittstellen und Standards einbinden. Kompatibilität ist also ein maßgeblicher Aspekt und entsprechend flexibel haben wir Minas A6 als Premiumbaureihe konzipiert.

Positioniert sich Panasonic damit also vorrangig im Bereich der High-End-Anwendungen?

Winkler: Wir haben auch Servotechnik für den unteren Leistungs- und Kostenbereich im Programm, aber insgesamt und vor allem im Bereich der Motoren steht die Marke Panasonic auf alle Fälle eher für High-End-Lösungen.

Gartz: Panasonic ist einer der größten Hersteller von Servomotoren weltweit, doch nur ein kleiner Teil läuft unter der eigenen Marke. Der überwiegende Teil geht gebrandlabelt ins OEM-Geschäft – auch zu einigen europäischen Marktbegleitern. Daher sind es vor allem die Premiumprodukte, die wir unter dem eigenen Brand vertreiben.

Das Beste bleibt der eigenen Marke vorbehalten?

Gartz: Richtig, und das sind die Minas-A5- und A6-Reihen. Servomotoren bauen können viele, aber den meisten fehlt das Know-how für die Premiumklasse.

Welche der genannten Besonderheiten sehen Sie denn als Alleinstellungsmerkmale von Minas A6, bei denen der Wettbewerb nicht mithalten kann?

Gartz: Aus meiner Sicht ist es ganz klar die Kombination der Eigenschaften, die Minas A6 einzigartig macht. Sie finden sicherlich auch bei Marktbegleitern einen 23Bit-Encoder oder eine Dreifachlippe – aber nicht beides zusammen in einer solch kompakten Baugröße. Zudem verspricht Panasonic bei seinen High-End-Baureihen eine außergewöhnliche Langlebigkeit und Zuverlässigkeit.

Winkler: Hier spielt der japanische Ursprung von Panasonic Electric Works stark hinein. In Japan wird alles immer sehr tiefgründig und gut ausgetestet. Während Fehlerraten von zwei bis vier Prozent in Europa kein großes Thema sind, bedeutet in Japan jeder einzelne Ausfall schon einen Gesichtsverlust.

Was sind denn typische Anwendungen und Branchen, die sie mit der neuen Baureihe adressieren?

Winkler: Minas A6 richtet sich an ein breites Spektrum: Von der Halbleiterindustrie über Werkzeug- oder Druckmaschinen bis hin zu Robotern und Förderanlagen. Zusammenfassend eignet sich die A6-Baureihe überall dort, wo Schnelligkeit und hohe Zuverlässigkeit gefragt ist.

Stellt die Elektronik- und Halbleiterproduktion durch das Panasonic-eigene Angebot an Unterhaltungselektronik ein besonderes Segment dar?

Gartz: Die Semi-Conductor-Werke unserer japanischen Muttergesellschaft sind natürlich sehr gute Referenzen. Denn die Halbleiterindustrie ist einfach eine Vorzeigebranche, wenn es um Genauigkeit und Baugröße der Servoantriebe geht. Viele andere Industriesegmente können daraus die Passfähigkeit der Antriebe ableiten: Von Schraubanwendungen mit sehr exaktem Drehmoment bin hin zur Teppichknüpfmaschine, bei der vor allem das Gewicht des Motors bestimmend ist.

Wir hatten ja eben schon das Thema der Schnittstellen angesprochen. Welchen Reigen bedienen Sie denn hier mit den neuen Antriebsreglern?

Winkler: Hier setzen wir vor allem auf Offenheit. In Europa ist diesbezüglich ganz klar Ethercat ein großes Thema und immer stärker im Kommen. Daneben bieten wir auch Modbus an, weil es ein relativ einfaches, aber sehr verbreitetes Protokoll ist.

Panasonic Electric Works hat mit RTEX auch einen eigenen Kommunikationsstandard. Ist dieser auch für europäische Kunden relevant?

Gartz: RTEX ist besonders stark in Japan, aber auch in einigen anderen Regionen Asiens verbreitet. Aber auch in Europa gibt es Panasonic-Kunden, die die Automatisierung durchgängig aus einer Hand haben wollen und in dieser Hinsicht auch die Vorteile von RTEX nutzen.

Wo liegen denn die Grenzen bei Panasonic, was den Lösungsgedanken angeht? Was kann der Kunde denn alles aus Ihrer Hand bekommen?

Gartz: Wie eingangs schon geschildert: Panasonic ist ein Automatisierungs-Vollsortimenter. Neben der Antriebs- und Steuerungstechnik samt Verbindungstechnik, Elektromechanik und Zubehör deckt unser Angebot also auch die Sensorik und Messtechnik ab – vom Lichtgitter bis zum Energiemessgerät. Aber es geht noch viel weiter: Im Grunde können wir im Konzernverbund ganze Fertigungslinien liefern, inklusive Bestückungsautomaten, Logistikanlagen und der Licht- bzw. Gebäudetechnik.

Welchen Stellenwert hat die Software in diesem Zusammenhang? Müssen Sie hier auch das komplette Spektrum – von der Firmware bis zum Betriebssystem – und entsprechendes Know-how im Unternehmen vorhalten?

Gartz: Ja. Das ist in Zeiten, in denen alles von Industrie 4.0 und Connectivity spricht, unbedingt nötig. Hier muss man einfach mitspielen und deshalb werden wir auch die weitere Entwicklung dahin treiben, das wir in diesem Bereich gut aufgestellt sind.

Sie haben Minas A6 erstmals auf der SPS IPC Drives 2016 gezeigt. Sind Sie mit der Resonanz bisher zufrieden?

Gartz: Die Markteinführung der Minas-A6-Familie läuft gut: Es gibt auch bereits erste Projekte, in denen Kunden ihre neuen Maschinenserien komplett mit Minas A6 ausstatten.

Wie sind die weiteren Erwartungen?

Gartz: Aufgrund der Verbesserungen im Vergleich zur A5-Reihe werden sich die neuen Servoantriebe als Standard in vielen Marktsegmenten und Applikationen etablieren. Wir gehen davon aus, dass sich Minas A6 zu einem Hype-Produkt entwickelt, das jeder haben will.

Panasonic Electric Works Europe AG

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