Schwerkraftbelastete Vertikalachsen absichern

Gemeinsam gegen die Gefahr

Stöber Antriebstechnik hat gemeinsam mit Pilz das Safety-Modul SE6 für antriebsbasierte Sicherheitstechnik entwickelt. Damit ausgerüstet, erfüllt der Antriebsregler SD6 durch grundlegende Features wie STO und eine Reihe anspruchsvoller Sicherheitsfunktionen, wie dem integrierten Bremsenmanagement, alle Anforderungen an schwerkraftbelastete Vertikalachsen. Das erleichtert die Projektierung von entsprechenden Maschinen.
Bild 1: Der SD6 von STÖBER ist ein flexibler Stand-Alone-Antriebsregler, der sich für komplexe Anforderungen und Aufgaben in der Automatisierungstechnik und im Maschinenbau eignet.
Bild 1: Der SD6 von STÖBER ist ein flexibler Stand-Alone-Antriebsregler, der sich für komplexe Anforderungen und Aufgaben in der Automatisierungstechnik und im Maschinenbau eignet.Bild: Stöber Antriebstechnik GmbH & Co. KG

Der Stand-alone-Einzelachssregler SD6 von Stöber mit einem Ausgangsnennstrom bis 85A kommt vorwiegend in antriebsbasierenden Anwendungen zum Einsatz. Dazu gehört der Synchronbetrieb von bis zu 32 Achsen in elektronischen Getrieben oder fliegenden Sägen ohne überlagerten Motion-Controller. Das Gerät regelt lineare und rotative Synchronservo- und Asynchronmotoren. Durch ein modulares Schnittstellenkonzept und umfangreiches Zubehör lässt er sich passgenau konfigurieren. „Wir wollen mit unserem SD6 einen Schritt weitergehen und Konstrukteure und Maschinenplaner bei der Sicherheitstechnik mehr unterstützen“, sagt Markus Frei, Produktmanager bei Stöber. „Sie stehen oft vor der Herausforderung, hochautomatisierte und flexible Fertigungsabläufe umzusetzen, bei denen gleichzeitig Menschen, Maschinen und Anlagen geschützt sein müssen.“ Der Antriebsregler erfüllt Anforderungen in sicherheitsrelevanten Anwendungen bis SIL3 nach EN61800-5-2 oder PLe bzw. Kat4 nach ISO13849-1. Damit der Antriebsregler diesen Anforderungen praxisorientiert und zuverlässig entspricht und im Notfall unmittelbar einschreiten kann, hat der Hersteller gemeinsam mit der Firma Pilz das Sicherheitsmodul SE6 entwickelt. Damit lässt sich der Antriebsregler SD6 optional ausstatten und soll dem Anwender im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten technisch sowie wirtschaftlich Vorteile bieten.

Bild 2: Der Wechseldatenspeicher Paramodul ermöglicht eine schnelle Inbetriebnahme und einen effizienten Service. Ohne spezielle Kenntnisse kann im Service-Fall das Paramodul einfach ausgetauscht werden.
Bild 2: Der Wechseldatenspeicher Paramodul ermöglicht eine schnelle Inbetriebnahme und einen effizienten Service. Ohne spezielle Kenntnisse kann im Service-Fall das Paramodul einfach ausgetauscht werden. Bild: Stöber Antriebstechnik GmbH & Co. KG

Vorsicht vor herabfallenden Achsen

Müssen Mitarbeiter den Bearbeitungsraum einer Maschine betreten, sind die Antriebsachsen in einen gefahrlosen Zustand zu versetzen. Hängen an den vertikalen Achsen schwere Lasten, können diese aufgrund der Schwerkraft herabfallen und damit das Personal gefährden. Um das zu verhindern, sind die Vertikalachsen in der Regel durch Bremsen gesichert. Verschmutzungen oder mechanischer Verschleiß können deren Wirkung allerdings stark beeinträchtigen. Deshalb gilt es, den Zustand der Bremsen zu überwachen und ihre Funktionsfähigkeit zu erhalten. Aufgrund nicht vorhandener normativer Anforderungen empfiehlt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) im Fachbereichsinformationsblatt Nr. 005 Ausgabe 09/2012 wie schwerkraftbelastete Vertikalachsen abzusichern sind. Lösungen basieren dafür bislang in der Regel auf einer Sicherheits-SPS. Sie steuert über Schütze die Bremsen und überwacht während des Bremsentests den Stillstand. Dadurch entstehen spezielle Anforderungen an den Motor-Encoder und seine Montage. An der Motorwelle angebracht, erfasst er primär die Lage und schickt die Ist-Werte an den Regler. Die Anbindung an die Sicherheitssteuerung erfolgt in der Regel über analoge Signale, die spezielle Encoder, besondere Adapter und Kabel, die das Signal auch über längere Strecken störungsfrei übertragen können, erfordern. Nur so lassen sich die Analogsignale für die Stillstandserkennung herausführen. Dazu kommen Stillstands- und Drehzahlwächter – insgesamt ein kostenintensives Equipment. „Ein weiterer Punkt ist der aufwändige FMA-Anbau“, erläutert Frei. FMA steht für ‚Fehlerausschluss der mechanischen Ankopplung‘ und bedeutet: Der Encoder wird so an der Motorwelle angebaut, dass das ungewollte Lösen der Verbindung ausgeschlossen werden kann. „Im Servicefall kann das zu einem unerwarteten Problem werden“, weiß Frei. Die Reparatur lässt sich dann nicht mehr einfach von einem Mitarbeiter vor Ort erledigen, sondern ist sehr zeitintensiv und nur von Spezialisten durchzuführen. Bis alles verschraubt, verklebt, getrocknet, geprüft und dokumentiert ist, steht die Maschine viele Stunden wenn nicht sogar Tage still und kann in dieser Zeit nicht produzieren. Ein weiterer Nachteil: Die geeigneten Encoder passen nicht auf alle Motortypen und bieten nicht die Performance, die von einem leistungsfähigen Servosystem benötigt wird. Obwohl Hersteller gemäß der EG-Maschinenrichtlinie Hersteller verpflichtet sind, sichere Maschinen zu konstruieren, gibt es keine spezielle Norm über Gefahren an Vertikalachsen, nach der sich der prüfende Konstrukteur richten könnte. „Die Beurteilung erfolgt meist mittels Risikograf nach ISO13849-1. Diese ist abhängig von der Schwere der Verletzung, der Häufigkeit oder der Dauer der Gefährdung sowie der Möglichkeit, Gefährdungen zu vermeiden oder Schäden zu begrenzen. Doch was ist häufig und welche Möglichkeiten gibt es, Gefahren zu vermeiden?“, fragt Frei rhetorisch.

Bild 3: SD6 in Kombination mit SE6 eignet sich für sicherheitsrelevante Anwendungen bis SIL 3, PL e (Kategorie 4).
Bild 3: SD6 in Kombination mit SE6 eignet sich für sicherheitsrelevante Anwendungen bis SIL 3, PL e (Kategorie 4).Bild: Stöber Antriebstechnik GmbH & Co. KG

Funktionspaket für die Sicherheit

Für das Sicherheitsmodul SE6 konnte Stöber gemeinsam mit Pilz für fast alle der identifizierten Schwachstellen praktikable Lösungen erarbeiten und umsetzen. Im ersten Schritt haben die Entwickler die am meisten von den Kunden nachgefragten Sicherheitsfunktionen integriert, so z.B. die Funktion STO (Sicher abgeschaltetes Drehmoment), die die Energieversorgung zum Motor direkt im Antriebsregler unterbricht. Hinzu kommen die Stoppfunktionen SS1 (Safe Stop 1), die den Antrieb geregelt herunterfährt und danach erst die Energiezufuhr zum Motor unterbricht, sowie SS2 (Safe Stop 2), die nach dem geregelten Herunterfahren einen sicheren Betriebshalt (SOS) einleitet. Dabei bleiben die Regelfunktionen des Antriebs vollständig erhalten. Beide Stoppfunktionen lassen sich durch Bremsrampen überwachen. Während SLS (Sicher begrenzte Drehzahl) die Überschreitung einer bestimmten Geschwindigkeit des Antriebs kontrolliert, überwacht SSR (Sicherer Drehzahlbereich) diese innerhalb eines definierten Korridors. Durch SLP (Sicher begrenzte Position) ist sichergestellt, dass der Motor auch hier vorgegebene Grenzwerte nicht überschreitet. Die SDI-Funktion (Sichere Bewegungsrichtung) lässt die Bewegung eines Antriebs nur in eine (definierte) Richtung zu. Die Funktion SLI (Sicher begrenztes Schrittmaß) überwacht nach der Aktivierung die Position innerhalb eines zuvor definierten Bereichs. Falls doch ein Grenzwert verletzt wird, wird der Motor vom Antriebsregler sicher gestoppt. „Wir haben das Modul zudem mit dem sicheren Monitoring für nahezu alle Safety-Funktionen ausgerüstet. Dieses Feature überwacht den Antrieb lediglich“, beschreibt Frei, „und meldet Grenzwertüberschreitungen sicher an die überlagerte Sicherheitssteuerung, statt einen Stopp zu erzwingen.“ Das soll dem Maschinenbauer bei der Störungsreaktion – insbesondere bei synchronisierten Antrieben – viel Flexibilität geben.Darüber hinaus können bei Sicherheitsfunktionen wie SLS Störimpulse mittels variabler Toleranzfenster gezielt ausgeblendet werden. Der Anwender kann somit normativ vorgegebene Grenzwerte besser nutzen, ohne dass es zu einem Fehlauslösen kommt.

Bild 4: Mit dem integrierten Bremsenmanagement erfüllt der Antriebsregler die Anforderungen der DGUV an schwerkraftbelastete Vertikalachsen.
Bild 4: Mit dem integrierten Bremsenmanagement erfüllt der Antriebsregler die Anforderungen der DGUV an schwerkraftbelastete Vertikalachsen.Bild: Stöber Antriebstechnik GmbH & Co. KG

Sicheres Bremsenmanagement

Eine Besonderheit am neuen Sicherheitsmodul ist das integrierte Bremsenmanagement. Damit erfüllt der Regler die Anforderungen der DGUV an schwerkraftbelastete Vertikalachsen. Die Entwicklung orientierte sich am Informationsblatt „Schwerkraftbelastete Achsen“, das der Verband der gewerblichen Berufsgenossen (BG) herausgegeben hat. „Es beschreibt praxisgerecht die Anforderungen an das Absichern von Vertikalachsen, da es derzeit keine harmonisierte Norm gibt, in der dieses Thema behandelt wird“, erläutert Frei. Das Bremsenmanagement im Antriebsregler garantiert durch die SBC-Funktion (Sichere Bremsenansteuerung) das Einsetzen der Bremsen auf Anforderung. Dazu kommt das Feature SBT (Safe Brake Test). Es überprüft bei Bedarf das definierte Bremsmoment und deckt Abweichungen aufgrund von Verschmutzungen oder Defekten an der Mechanik auf, bevor das Bremsmoment einen kritischen Zustand erreicht. Zusätzlich wird das vorgeschriebene Prüfintervall je nach Anwendung und Forderung aus der Gefahrenanalyse überwacht. Ist das Haltemoment der Bremse nicht mehr gegeben, steht im Antriebsregler die Funktion ´Bremsen einschleifen‘ zur Verfügung, die die Anforderungen der Bremsen von Stöber-Motoren berücksichtigt. Anschließend kann das System erneut überprüfen, ob das geforderte Testmoment gehalten werden kann. Weil das Bremsenmanagement des SE6-Reglers die Ansteuerung von zwei Bremsen unterstützt, deckt es damit alle Anwendungsfälle des DGUV-Informationsblatts zu Vertikalachsen ab. „Befindet sich der Bediener mit dem ganzen Körper unter der Last, ist das Risiko sehr hoch zu bewerten. Sowohl im Automatikbetrieb als auch beim Einrichten wird deshalb eine redundante Absturzsicherung nach ISO13849-1 empfohlen“, betont Frei.

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