Elektronikfertigung bei Nord

Antriebselektronik nach Maß

Maschinen und Anlagenbauer fordern heute immer öfter exakt passende Antriebslösungen vom Lieferanten. Sie erwarten Systeme, die genau auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten sind und wollen sich nicht tief mit deren Konfiguration oder Anpassung beschäftigen. Diese Erwartungshaltung bedeutet für Produzenten von Antriebs- und Automatisierungstechnik eine zunehmende Abkehr vom klassischen Kataloggeschäft. Wie sich Nord dieser Herausforderung in seiner Elektronikfertigung in Aurich stellt, davon hat sich das SPS-MAGAZIN vor Ort einen Eindruck verschafft.
Aktuell fertigen in Aurich 130 Mitarbeiter auf einer Gesamtfläche von 5.000m² rund 125.000 Einheiten pro Jahr.
Aktuell fertigen in Aurich 130 Mitarbeiter auf einer Gesamtfläche von 5.000m² rund 125.000 Einheiten pro Jahr.Bild: Getriebebau NORD GmbH & Co. KG

Trend zu dezentralen Lösungen

In der Vergangenheit lag der Fokus in Aurich vor allem auf Schaltschrankumrichtern der Nordac-pro-Familie. In letzter Zeit gab es allerdings große Zuwächse bei dezentraler Antriebstechnik, z.B. für Marktsegmente wie Gepäcksortierung, Intralogistik, E-Commerce oder Paketverteilzentren. „Nicht nur in diesen Bereichen geht es sehr stark in Richtung antriebsnaher Elektronik“, merkt Niermann an. „Auch im klassischen Maschinenbau ist der Trend durchaus spürbar.“ Für dezentrale Lösungen sprechen im ersten Schritt weniger Aufwand und Kosten bei Installation und Verdrahtung, im zweiten Schritt aber auch moderne Industrie-4.0-Aspekte wie die zunehmende Vernetzung der Komponenten untereinander, lokale Datenauswertung oder eine direkte Anbindung der Antriebe in Cloud- oder IoT-Umgebungen. „Deshalb sehen wir in diesem Bereich mittlerweile ein deutlich höheres Wachstum als im Schaltschrankbereich“, so Niermann. „Aus dieser Entwicklung ist letztendlich auch unser Konzept der kundenspezifisch konfigurierten Feldverteiler hervorgegangen.“ Die Geräte sind in erster Linie für einen Betrieb direkt im Feld konzipiert. „Mit unseren motormontierten Umrichtern der Nordac-Flex-Reihe und den Nordac-Link-Feldverteilern können wir bei identischer Funktionalität, gleicher IP66-Schutzklasse und ohne großen Installationsaufwand sowohl motor- als auch wandmontierte Ansätze bedienen“. Der Feldverteiler bietet einen entscheidenden Vorteil: Es gibt deutlich mehr Möglichkeiten, spezielle Kundenanforderungen wie Stecker oder Schalter nach Maß zu integrieren. „Da die Anlagen komplexer werden und neue Entwicklungen gemäß Industrie 4.0 zu berücksichtigen sind, ist der komplett modulare Aufbau unseres Feldverteilers für Kunden sehr attraktiv“, unterstreicht Niermann, „auch was nachträgliche Änderungen oder Modifikationen betrifft.“

„Bei Nordac Link können wir eine außergewöhnlich hohe Varianz in Bezug auf Funktionalität und Verbindungstechnik abdecken.“
Dirk Boysen, Nord
„Bei Nordac Link können wir eine außergewöhnlich hohe Varianz in Bezug auf Funktionalität und Verbindungstechnik abdecken.“ Dirk Boysen, NordBild: Tedo Verlag GmbH

Fertigung nach Maß

Die Vielseitigkeit der Feldverteilerfamilie wirkt sich natürlich auch auf die Produktion am Nord-Elektronikstandort aus. „Wir müssen sehr dynamisch und punktgenau fertigen, da wir gar nicht die Möglichkeit haben, große Mengen an Produkten vorzuhalten – gerade wenn es um kundenspezifische Geräte geht“, schildert Harms die Gegebenheiten. „Die Montage gestaltet sich hier eben ganz anders, als bei mechanischen und elektromechanischen Antriebskomponenten.“ Ähnlich sei es auch beim Endtest: Die Elektronik mit all ihren benötigten Ausführungen und Varianten – mit unterschiedlichen Platinen, Steckern, I/Os und Softwarefunktionen – lasse sich mit einer klassischen Qualitätssicherung nicht realisieren. „Deshalb haben wir unsere Produktion flexibel aber mit einem hohen Grad an Automatisierung ausgelegt, den wir kontinuierlich steigern.“ So wird eine Logistikroute im Werk seit rund einem halben Jahr schon per autonomen fahrerlosem Transportsystem (FTS) versorgt. Mittelfristiges Ziel ist es, weitere vier Routen mit FTSen zu bedienen. Ein ausschlaggebender Aspekt für das Fertigungskonzept ist die durchgängige Erfassung aller Bauteile bereits im Wareneingang. Hier erhält jedes Produkt über 2D-Codes eine eindeutige Zuordnung und wird damit über das Manufacturing Execution System bis zum Warenausgang begleitet und dokumentiert. „So stellen wir eine hohe Rückverfolgbarkeit sicher – einerseits was unsere produzierten Geräte angeht, andererseits auch das zugelieferte Material betreffend“, sagt Werksleiter Harms. Als zweite Besonderheit hat Nord in Aurich ein zentral angeordnetes automatisches Kleinteillager (AKL) mit einer Kapazität von über 2.000 Behältern eingerichtet. Hier werden die erfassten Bauteile eingelagert. Es werden die SMD (Surface-mount device)-Linie und die Kanban an den THT-Bestückungsplätzen versorgt. Auch die in SMD bestückten Platinen und Baugruppen nimmt das AKL bis zur weiteren Verarbeitung wieder auf. „Mit diesem zentralen Umschlagpunkt können wir den Verwaltungs- und Transportaufwand sehr niedrig halten“, erklärt Harms. Die halbfertigen Leiterplatten gehen dann aus dem Lager kanbangesteuert zur THT (Through Hole Technology)-Bestückung. Fertig bestückt werden die Platinen zeitlich abgestimmt der Endmontage zugeführt; diesmal ohne Zwischenstopp im AKL. „Hier sehen wir von einer erneuten Einlagerung ab, da die Baugruppen in der Regel dann schon sehr auftragsbezogen sind“, schildert Harms das Vorgehen. „Das würde die Frequenz im Kleinteilelager nur unnötig erhöhen.“

Automatisierte Qualitätssicherung

Selbst in der THT-Fertigung, wo die SMD-Baugruppen mit bedrahteten Bauteilen bestückt werden, zahlt sich die zentrale Erfassung der Bauteile aus, wie Werkleiter Harms hervorhebt: „Die Nordac-Link-Geräte werden komplett auf Baugruppenebene ohne feste Teilenummern konfiguriert und montiert.“ Dadurch ließen sich Fehler von vornherein ausschließen. „Es wird fortlaufend im Hintergrund geprüft, ob das jeweilige Bauteil überhaupt zum aktuell gefertigten Auftrag passt.“ Diesen Weg hat Nord aufgrund des Baukastenkonzepts und der daraus resultierenden Bauteilevielfalt eingeschlagen. Bestück- und Prüfpläne werden schon bei der jeweiligen Konfiguration passend erstellt – so übrigens auch in der vorausgehenden SMD-Fertigung: Hier muss der Maschinenbediener händisch keine Programme oder Testläufe mehr einstellen. Stattdessen scannt er nur den 2D-Code auf der Baugruppe und alle Parameter und Einstellungen werden automatisch vorgenommen. Im Anschluss an die Platinenbestückung werden die Feldverteiler auf einer klassischen Linie montiert und endgetestet. Sie ist so konzipiert, dass auch sehr kleine Losgrößen oder sogar Einzelstücke ohne Änderungen produziert werden können. „Es war schon eine Herausforderung, unsere Kataloggeräte in hohen Stückzahlen auf der gleichen Anlage und auf gleichem Niveau zu fertigen, wie kundenspezifische Ausführungen“, erzählt Niermann. „Im Resultat haben wir einen Workflow entwickelt, der es uns z.B. im Rahmen des Ersatzteilgeschäfts erlaubt, innerhalb von 24 Stunden selbst Einzelstücke über SMD, THT und Endmontage bereitzustellen.“

Seiten: 1 2 3Auf einer Seite lesen

Getriebebau NORD GmbH & Co. KG

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge