Um eingangs noch einmal kurz zu rekapitulieren: Wie kam es zu der Entwicklung von Skemdit?
Florian Sontowski: Als Digitalisierungsgesellschaft der Blumenbecker Automatisierungstechnik sind wir natürlich bestens mit den Arbeitsabläufen in der Werkstatt vertraut. Daher wissen wir, dass es bei der Elektroplanung häufig zu einem Pingpong-Spiel kommt: Die Konstruktion entwirft einen Stromlaufplan und gibt diesen in der Werkstatt weiter. Der wiederum nimmt, meistens handschriftlich, Änderungen an dem Plan vor, die eingearbeitet werden müssen. Bei der Montage der Anlage an deren Einsatzort wird dann noch einmal etwas geändert, usw. Unsere Mitarbeitenden, die Schaltanlagen vor Ort in Betrieb nehmen, berichten davon, dass sie teilweise drei, vier oder fünf Stromlaufpläne nebeneinanderlegen müssen, um sich zu orientieren, welchem Plan die vor Ort befindliche Anlage denn nun entspricht. Diese grundsätzliche Problemstellung möchten wir mit Skemdit lösen. Natürlich hätten wir uns auch der Angebote der unterschiedlichen E-CAD-Hersteller bedienen können. Dann müssten aber alle an einem Projekt Beteiligte in der Lage sein, mit unterschiedlichen Tools zu arbeiten. Allerdings sind die Fähigkeiten der E-CAD- Tools nicht gleich. Daher sind wir zu der Überzeugung gelangt: Wir benötigen ein Stromlaufplan-Tool, mit dem wir alle E-CAD-Systeme verarbeiten können. Dabei war der kleinste gemeinsame Nenner, ein PDF-basiertes System zu entwickeln, das mit allen am Markt befindlichen E-CAD-Systemen zurecht kommt. So sind alle immer auf dem neuesten Anlagenstand, die Lesbarkeit und Selbstorganisation werden verbessert, es ist sofort erkennbar, durch wen Änderungen vorgenommen wurden, mit wem ggf. Rücksprache zu halten ist, etc. Im Multi User Modus, der 2021 implementiert wurde, ist es sogar möglich, dass mehrere Personen gleichzeitig an einem Dokument arbeiten. Kurz: Die Transparenz und Effektivität der Elektroplanung wird mit Skemdit deutlich erhöht.
Joy Dahlmann: Durch unsere Lösung ist die Nachvollziehbarkeit, die im Hinblick auf die Sicherheit vor allem in kritischen Branchen wie der Pharmaindustrie oder in Kraftwerken oftmals von Kunden gefordert wird, von vornherein gegeben. Die Anpassung auf die unterschiedlichen E-CAD-Systeme war kein größeres Problem, da es sich bei PDF um ein offenes Format handelt. Wer als Planer oder Schaltschrankbauer also mit unterschiedlichen E-CAD-Systemen arbeitet – und das sind doch einige, da das E-CAD-System in der Regel durch die Kunden vorgegeben wird -, der ist mit Skemdit sehr gut bedient.
Wie groß ist Ihr Entwicklungsteam für Skemdit?
Sontowski: Mittlerweile ist ein Team von sechs Mitarbeitenden damit beschäftigt, Skemdit weiterzuentwickeln. 2019 haben wir auf der SPS in Nürnberg den ersten Prototypen gezeigt, einfach um zu eruieren, ob dies überhaupt ein Tool ist, das der Markt gebrauchen kann. Das Feedback war damals schon sehr vielversprechend, und mittlerweile sind selbst viele der damaligen Skeptiker unsere Kunden. Das halbe Jahr im Anschluss an die Messe haben wir damit verbracht, das Tool außerhalb des Blumenbecker-Kosmos mit Kunden weiterzuentwickeln, damit es eine wirklich marktgerechte Lösung darstellt. Ab dem Frühjahr 2020 haben wir dann die ersten Lizenzen verkauft. Ein Jahr später konnten wir den ersten Großkunden für Skemdit HMI gewinnen. Dabei handelt es sich um eine Lösung, die direkt auf der Maschinensteuerung implementiert ist. Erhält der Maschinenbediener eine Fehlermeldung, hat er die Möglichkeit, per Knopfdruck in den Stromlaufplan zu gelangen, um den Grund für die Störung zu lokalisieren – und dies direkt auf einem HMI.
Neben Skemdit und Skemdit HMI gibt es auch noch Skemdit SPS. Was hat es mit dieser Variante auf sich?
Dahlmann: Im Grunde war die Variante Skemdit SPS von Anfang an in unserem Portfolio vertreten. Wir haben diese Lösung aber nicht so offensiv vermarktet, da viele Kunden vor drei Jahren noch gar nicht so digital unterwegs waren, dass sie diese eingesetzt hätten. Mit Skemdit SPS können Ein- und Ausgänge von SPSen gesteuert bzw. geprüft werden. Mittlerweile gibt es zahlreiche Kunden, die sich so gut in Skemdit eingearbeitet haben, dass sie auf Skemdit SPS upgraden und in ihrer Schaltschrank-Produktion einsetzen. Vor allem aber bei Inbetriebnahmen im Feld spielt diese Version ihre Vorteile aus.
Wie hat sich der Absatz Ihrer Software seit dem Marktstart entwickelt, und welche neuen Features bietet Skemdit in der jüngsten Version?
Sontowski: 2022 sind wir mit der Lösung im Vergleich zu 2021 um mehr als 100 Prozent gewachsen. Mittlerweile läuft Skemdit in sieben verschiedenen Ländern. In diesem Jahr steht der Release der neuen Version an, bei der im Wesentlichen die Oberfläche bearbeitet und bedienerfreundlicher gestaltet wurde. Gerade hinsichtlich der Touchscreen-Bedienung hat sich einiges getan, da viele Anwender mittlerweile mit mobilen Endgeräten arbeiten. Vor allem wurde dabei berücksichtigt, dass bei Touchscreens ja keine Maus zur Verfügung steht, mit der Anwender zielgerichteter klicken bzw. platzieren können als mit dem Finger. Den Vollbildmodus sowie die benötigten Bedienelemente hatten wir zwar von vornherein implementiert, in der neuen Version ist es aber jetzt erheblich einfacher, mit dem Finger Querverweise anzusteuern. Vorher war es so, dass, auch wenn ein Stift eingesetzt wurde, der Bedienpunkt bei einem Querverweis erst sichtbar wurde, wenn der Anwender seinen Klick gesetzt hatte. Oft war es dann so, dass der gewünschte Punkt nicht exakt getroffen wurde. Jetzt ist es so, dass beim Öffnen der Funktion für einen Querverweis die Position des Fingers durch ein Steuerrad symbolisiert wird und der Punkt, an dem der Endpunkt des Querverweises im Schaltplan gesetzt werden soll, in einem Fadenkreuz frei ersichtlich ist. Der Anwender hat also immer die Kontrolle darüber, welche Position er im Schaltplan ansteuert. Das erhöht die Effizienz und Präzision enorm. Auch beim Zeichnen und Verschieben von Linien macht sich diese Funktion positiv bemerkbar. Zudem können sich Anwender nun eigene Tabs der Funktionen anlegen, die sie am häufigsten benutzen. Dies ist vor allem für diejenigen interessant, die noch nicht so versiert im Umgang mit Skemdit sind und die Funktionsvielfalt auf ihre Anforderungen einschränken möchten.
Dahlmann: Letztendlich sind die Anforderungen an ein solches Tool unterschiedlich: Diejenigen, die Skemdit im Büro einsetzen, möchten häufig möglichst auf die gesamte Funktionsvielfalt der Software zurückgreifen können. Die Mitarbeitenden in der Produktion hingegen nutzen meist den Vollbildmodus und benötigen nur einige wenige Funktionen für sich ständig wiederholende Arbeitsschritte, die jetzt mit den präferierten Tabs schnell zugänglich sind.
Sontowski: Eine weitere neue Funktion, die eher für den Office-Anwender interessant ist, besteht darin, dass rote Linien im Stromlaufplan, die auf getätigte Änderungen verweisen, nachträglich wieder geschwärzt werden können. Denn den Endkunden interessieren solche Änderungen in aller Regel nicht, da dieser einfach nur seine Dokumentation im Schaltschrank hinterlegt haben möchte. Zudem kann jetzt in unterschiedlichen Farben gezeichnet werden. Für den Werker hingegen wurde für die Touch-Bedienung eine vereinfachte Kopierfunktion z.B. für Linien angelegt.
Wie machen sich Anwender mit dem Gebrauch des Tools vertraut? Bieten Sie Schulungen an?
Sontowski: Natürlich bieten wir auch Schulungen an. Was aber viel häufiger genutzt wird, ist die sogenannte begleitete Testphase von Skemdit. Das heißt, wir vergeben an einen Kunden eine begrenzte Anzahl an Lizenzen – also beispielsweise vier -, und mit diesen Anwendern arbeiten wir dann 90 Tage lang zusammen – beginnend mit einer Kickoff-Session. Ziel ist es, dass die Kunden nach 90 Tagen wissen, was Skemdit in ihrem Unternehmen leisten kann und welche prozesstechnischen Anpassungen ggf. noch innerbetrieblich vorgenommen werden müssen. Die vier Mitarbeitenden, die an dem Training teilgenommen haben, sind dann Key-User und können als Ausbilder für ihre Kolleginnen und Kollegen fungieren. Meist sind die Teilnehmer bereits nach 30 Tagen so gut ausgebildet, dass es für den Rest der Zeit nur noch um das Fine-Tuning geht.
Welche Rolle nehmen Ihre Kunden bei der Weiterentwicklung von Skemdit ein?
Dahlmann: Da viele unserer Kunden Elektriker sind, kommen immer wieder von dieser Seite sehr viele Verbesserungsvorschläge, die wir, soweit möglich, auch umgesetzt haben. Wenn Sie heute die erste Skemdit-Version mit der aktuellen vergleichen, gibt es da schon große Unterschiede. Diese Weiterentwicklungen von Funktionalitäten gehen bestimmt zu rund 40 Prozent auf Kundenwünsche zurück. Wichtig ist allerdings: Die Änderungen müssen für möglichst viele Anwender Relevanz haben. Wir implementieren auch gerne Spezialfunktionen für einzelne Kunden, an denen diese sich dann aber, je nach Aufwand, finanziell beteiligen müssen.