Fraunhofer IEM und Lenze entwickeln KI-Wartungsassistent für Hochregallager

Predictive Maintenance für bessere Automatisierung der Logistik

Mit einem KI-basierten Wartungsassistenten will Lenze die Instandhaltung seiner Hochregallager besonders effizient und gezielt planen. Ziel ist es, ungeplante Stillstände zu vermeiden und Kosten zu sparen. Zukünftig sollen auch Kunden die künstliche Intelligenz für ihre Intralogistik einsetzen können.
 Der KI-Wartungsassistent soll Fehler in Intralogistik-Anwendungen vermeiden, bevor sie überhaupt auftreten.
Der KI-Wartungsassistent soll Fehler in Intralogistik-Anwendungen vermeiden, bevor sie überhaupt auftreten.Bild: Dock One

Leistungsfähige Antriebe und eine moderne Steuerung der Transportsysteme: Damit ermöglicht Lenze die automatisierte Bestückung und Entnahme in seinen Hochregallagern bei bis zu 25.000 Warenbewegungen pro Tag. Die Wartung dieser komplexen Systeme ist ebenso wichtig wie aufwendig. Fällt eine Maschine aus, kommt der gesamte Prozess ins Stocken. Je nachdem, wie schnell ein Fehler gefunden und behoben wird, kann der Stillstand im Lager mehrere Tage dauern – und enorme Kosten verursachen.

 Maximilian Bause (Fraunhofer IEM) und Dr. Simon Michalke (Dock One) haben smarte 
Algorithmen entwickelt, die Fehler und Verschleiß frühzeitig erkennen und lokalisieren.
Maximilian Bause (Fraunhofer IEM) und Dr. Simon Michalke (Dock One) haben smarte Algorithmen entwickelt, die Fehler und Verschleiß frühzeitig erkennen und lokalisieren.Bild: Dock One

Reparaturen gezielt planen

Um Ausfallzeiten zu vermeiden, setzt Lenze mit Hilfe des Fraunhofer IEM auf einen KI-basierten Wartungsassistenten: Ein Machine-Learning-Algorithmus deckt zum einen kritische Zustände auf, die ein unmittelbares Eingreifen erfordern. Zum anderen erkennt und lokalisiert er entstehende Defekte oder zunehmenden Verschleiß an Komponenten, noch bevor sich Auswirkungen für den Lagerbetrieb ergeben. Wenn z.B. die Führungs- oder Antriebsräder der Regalbediengeräte stark abgenutzt sind, erkennt der Wartungsassistent den drohenden Ausfall rechtzeitig und kann die betroffene Stelle lokalisieren. Die Mitarbeitenden können dann gezielt den Austausch der Räder einplanen – abhängig von Faktoren wie Arbeitsplänen, Lieferfristen oder Ersatzteillieferungen. „Der Wartungsassistent unterstützt das Team der Wartung und Instandsetzung dabei, Fehler zu beheben, bevor sie überhaupt auftreten“, betont Dr. Heiko Stichweh, Abteilungsleiter Innovation bei Lenze. „So planen wir Reparaturen und Austausche an unseren Maschinen künftig systematisch in laufende Prozesse ein. Das erhöht die Verfügbarkeit unserer Anlagen und damit ihre Wirtschaftlichkeit.“

Wartungsassistent nachrüsten

Das Besondere an der Lösung: Der Wartungsassistent zieht seine Informationen aus der bestehenden Sensorüberwachung der Antriebsmotoren. Die Motoren fungieren als Schnittstellen zwischen den Maschinen und dem Wartungsassistenten. Läuft im Gesamtsystem etwas unrund, wird in den Motordaten eine Abweichung vom Normalzustand detektiert. „Wir haben unsere Algorithmen so ausgelegt und trainiert, dass sie fähig sind, jegliche Zustandsveränderungen zu erkennen und zu verorten“, erklärt Maximilian Bause, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IEM. Kunden von Lenze, die den intelligenten Wartungsassistenten einsetzen möchten, können also auf bestehende Sensorik zurückgreifen. Das ermöglicht eine aufwandsarme und damit kostengünstige Integration der Lösung.

Embedded und Edge Devices

Bei der Entwicklung des KI-Wartungsassistenten profitierte das Projektteam von der Datenqualität der Lenze-Maschinen: „Unsere Antriebsdaten haben eine hohe Qualität durch geringes Rauschen bei hochfrequenter und hochauflösender Abtastung. Das erleichtert zielgerichtete Analysen zur Überwachung verschiedener, prozesskritischer Komponenten – auch solcher, die nicht mit dem Motor verbunden sind“, erklärt Dr. Simon Michalke, Innovationsmanager im Dock One, dem digitalen Innovationslabor von Lenze. Die Herausforderung: Die Verarbeitung dieser großen Datenmengen ist ressourcenintensiv und verbraucht viel Energie. Deshalb entschied sich das Projektteam mit Embedded und Edge Devices bewusst für eine Alternative zur Cloud. Die Daten können so bei Bedarf in unmittelbarer Maschinennähe verarbeitet werden. Das verringert Latenzen und erhöht die Datensicherheit.

Vielseitig einsetzbar

Aktuell integriert Lenze den Wartungsassistenten in die eigene Lagerlogistik des Mechatronic Competence Campus in Extertal. So kann das Unternehmen Trainingsdaten zu Störungen, Ausfällen und Verschleiß erfassen und die Predictive-Maintenance-Lösung immer weiter verbessern. Das Unternehmen plant, den Wartungsassistenten serienmäßig in seine Softwareprodukte zu integrieren – und so für viele Anwendungsfälle in der Automatisierungsbranche verfügbar zu machen. Durch die Flexibilität der Lösung ist eine Übertragung in weitere antriebstechnische Anwendungen denkbar.

Obwohl Predictive Maintenance großes Potenzial hat, fällt es vielen Unternehmen schwer, sich für eine Investition in diesem Bereich zu entscheiden. Der Aufwand ist oft hoch, der Nutzen vorab schwer in Zahlen zu fassen. Deshalb entwickelt Fraunhofer IEM eine smarte Wartungsplanung, die Anwender aufwandsarm und kostengünstig einsetzen können. „Nach dem Retrofit-Prinzip entwickeln wir die Lösung exemplarisch anhand einer alten Industriesäge. Eine Lowcost-Sensorik nimmt Zeitreihendaten auf und überträgt diese an eine Cloud“, führt Bause aus. „Anschließend erfolgt eine automatische Anpassung KI-basierter Algorithmen, die den Zustand des Sägeblattes überwachen und Handlungsempfehlungen ausgeben. Die intelligente Wartungsplanung können interessierte Unternehmen ab Sommer diesen Jahres mit dem Fraunhofer IEM an eigenen Anwendungsfällen umsetzen.

Forschungsprojekt Easy

Die Kooperation zwischen der Lenze-Tochter Encoway und dem Fraunhofer IEM wurde im BMBF-Projekt Easy (Embedded Artificial Intelligence for Production Systems) gefördert. Weiterer Projektpartner war die Firma Düspohl Maschinenbau.

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