Expertenrunde Lagerlose Drehgeber - Teil 1/2

Ohne Lager

Wo liegen die Vor-/Nachteile von lagerlosen Drehgebern, wo und wie werden die Produkte bereits eingesetzt und welche Technologien stehen zur Verfügung? Antworten hierauf gibt die Drehgeberrunde des SPS-MAGAZINs mit Experten von Baumer, Kübler, Lenord+Bauer, Posital und RLS. Moderator war Dr. Johann Pohany.

Hettich: Natürlich müssen die Geräte bei gewissen Herausforderungen einwandfrei funktionieren, wie z.B. Magnetfelder, Schmieröl oder anderen Stoffen. Einen klassischen Drehgeber zu tauschen ist einfach. Wenn aber ein lagerloser Drehgeber integriert ist, wird es deutlich schwieriger. Dort gibt es Kombinationen, bei denen nur der Magnetring in der Applikation verbleibt und nie gewechselt werden muss, dafür aber der Sensorkopf.

Velling: Der Kunden muss sich früh entscheiden, welche Systeme er integrieren möchte und sich auch von der Einbaureihenfolge festlegen, also wann er ein Zahnrad montiert und auf eine Welle schiebt oder wann er ein Polrad montiert.

Metljak: Wenn man ein lagerloses System verwendet, muss man von Anfang an die Applikation so designen, dass alles zusammenpasst. Das kann aber auch ein Vorteil sein, wenn es um kleine Einbauräume geht. Wir nennen das High Density Integration, das heißt weil wir nur einen Lesekopf und einen magnetischen axialen oder radialen Ring haben, kann das System sehr gut in enge Räume eingebaut werden, wie z.B. bei Cobots oder medizinischen Robotern.

Kaim: Der Nachteil externer Magnetfelder ist oft mit einfachen Mitteln kontrollierbar. Mit entsprechenden Simulationswerkzeugen können wir die Wirkung von Abschirmmaßnahmen sehr gut vorhersagen. Die Genauigkeit eines Drehgebers hängt zudem stark von der Präzision der Maßverkörperung bzw. deren Montage ab. Bei lagerlosen Systemen wird ein Teil der Präzisionsarbeit an den Kunden ausgelagert. Allerdings bieten wir mittlerweile dank performanter Signalverarbeitung neue Möglichkeiten zur Korrektur dieser Fehler in Echtzeit.

Herrn Paulus, wo stehen Ihre 56mm-Produkte heute und was sehen Sie als nächsten Schritt bei den magnetischen Gebern?

Paulus: Wir sehen über die letzten 15 Jahren bei den Genauigkeiten eine deutliche Weiterentwicklung der magnetischen Technologie, vor allem durch die Signalverarbeitung. Wir kommen heute auf Genauigkeiten von 0,09°, was im Standalone-Bereich bei den meisten Applikationen ausreicht. RLS ist mit der Magnetik bereits in Genauigkeitsbereichen unterwegs, wo die Magnetik die Optik eingeholt hat. Die Genauigkeit unserer Kit-Encoder für Servomotoren sind für einen großen Teil des Marktes, den wir erreichen, absolut befriedigend. In Zukunft ist bei der Magnetik, vor allem durch Technologien wie MR, zudem noch deutlich mehr zu erwarten.

Metljak: In der Vergangenheit waren es meistens Hall-Sensoren, aber wir alle arbeiten schon länger mit AMR, TMR, GMR usw. Sensoren, die Vorteile haben, wie ein besseres SNR oder, dass die Ausgangsamplitude unabhängig von Installationstoleranzen ist. Zudem kann man Sensoren kombinieren und so die Signalverarbeitung nochmals optimieren.

Wo liegen Ihre aktuellen Performance-Werte?

Metljak: Bei 0,05° mit den Standardsystemen. Wenn man zwei Leseköpfe verwendet und die Exzentrizität optimiert usw., dann geht es sogar noch besser.

Velling: Wenn man bei einer hochdrehenden Spindel nur eine Drehzahlregelung braucht, reichen 15 Winkelsekunden. Wenn man aber an Rundtischapplikationen in einer Werkzeugmaschine denkt, dann kommt es schon darauf an, dass man eine Winkelposition sehr exakt anfahren kann, um Bohrungen auch 90° versetzt machen zu können. Dort müssen sie deutlich besser sein als zehn Winkelsekunden. Mit unserem Doppelkopfsystem haben wir fünf Winkelsekunden erreicht, natürlich abhängig vom Durchmesser des Zahnrades, von dem Modul und der Zähnezahl. Sie brauchen eine Maßverkörperung mit einer sehr feinen Verzahnung, mit der sie einen Luftspalt von 150µm abtasten können.

Kaim: Eine Möglichkeit die Genauigkeit eines Drehgebers zu verbessern ist sicher die Reduzierung der Teilungsgröße der Maßverkörperung, z.B. mehr Zähne auf einem Zahnrad oder mehr Pole auf einem magnetisierten Ring. Unabhängig von der eingesetzten Technologie führt dies aber zwangsläufig zu einer Reduzierung des maximal tolerierbaren Luftspalts. Das stellt in vielen Applikationen ein K.O. Kriterium dar. Bei Baumer liegt deshalb der Fokus auf der Weiterentwicklung der Magnetisierungstechnologie. Wir erreichen heute selbst bei großen mechanischen Luftspalt-Toleranzen im mm-Bereich eine Genauigkeit weit unter 100 Winkelsekunden. Für Spezialanwendungen mit sehr hohen Anforderungen bieten wir Doppel- oder Dreikopfsysteme, die z.B. Exzentrizitäts- oder Taumelfehler in Echtzeit korrigieren und Genauigkeiten im Bereich zehn Winkelsekunden erreichen.

Hettich: Mit unseren magnetischen Systemen und Polrädern für Motoren können wir genauso hohe oder sogar höhere Genauigkeiten und Auflösungen erzielen, als mit den klassischen 58er-Drehgebern. Wir haben dort Genauigkeiten im einstelligen Winkelsekundenbereich und Auflösungen größer 24Bit. Der Vorteil von lagerlosen Systemen ist, dass man keine Statorkupplung benötigt und dadurch eine potenzielle Problemquelle entfällt.

Die klassische Magnettechnologie hatte das Problem, dass die Dynamik der Signalverarbeitung der Dynamik der Applikation hinterher gehinkt ist. Haben Sie ein dynamisches Verhalten von Ihren lagerlosen Systemen, das an gelagerte Systeme ran kommt?

Paulus: Gerade in diesem Bereich gab es dank einer Signalverarbeitung mit schnellen Mikrocontrollern und optimierten Filtern für hohe Dynamiken die größte Weiterentwicklung in den letzten 15 Jahren.

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