Interview mit SEW-Geschäftsführer Hans Krattenmacher über Energiemanagement und Steuerungstechnik

Movi-C: Systemkompetenz von SEW-Eurodrive

Wie viel Systemkompetenz braucht man heute als Antriebsanbieter? Der rote Faden, mit dem SEW-Eurodrive diese Fragestellung zeitgemäß beantwortet, ist fest im Elektronikbaukasten Movi-C verankert. Was genau dahinter steckt, und wie stark das eigene Selbstverständnis davon geprägt wird, erklärt Geschäftsführer Hans Krattenmacher im Interview mit dem SPS-MAGAZIN und dem anschließenden Rundgang durch die Elektronikfertigung in Bruchsal.

Richtet sich SEW-Eurodrive also immer mehr in Richtung Systeme aus?

Ja. Weil der Systemansatz – nicht nur bei Effizienzfragen – in der Regel zu kurz kommt, habe ich bei SEW schon vor vielen Jahren ein Spezialistenteam für Systemmanagement ins Leben gerufen. Diese Truppe beschäftigt sich ausschließlich mit der Frage, wie sich neue Komponenten so entwickeln lassen, dass sie mit Blick durch die Systembrille den größtmöglichen Nutzen ausspielen – eine Perspektive, die im Maschinen- und Anlagenbau leider noch selten zu finden ist. Die Branche redet zwar viel über Systeme, denkt aber noch nicht konsistent in diese Richtung. Dabei liegt hier das größte Potenzial, das in der Industrie noch zu heben ist. Folglich wurde bei Movi-C die gesamte Architektur auf eine Systemebene gehoben. Wir denken nicht mehr in einzelnen Geräten. Stattdessen bieten wir dem Anwender einen ganzheitlichen Baukasten mit aufeinander abgestimmten Elementen, einfacher Integration, durchgängiger Datenerfassung und smarten Software- bzw. Applikationsmodulen. Nur so lässt sich die steigende Komplexität von Automatisierungsanwendungen in Zukunft noch beherrschen. Schließlich geht es für den Anwender nicht mehr nur um eine Antriebslösung und die Steuerungsanbindung. Vielmehr muss er sich parallel mit Energiemanagement, mit integrierter Safety, mit Condition Monitoring oder Predictive Maintenance, mit IoT-Anbindung und Datendurchgängigkeit sowie mit Security und Datenschutz auseinander setzen. Diese Disziplinen lassen sich nicht mehr sortenrein trennen, sondern müssen sich über holistische Konzepte wie Movi-C abbilden lassen.

Positionieren Sie sich mit diesem Selbstverständnis als Vorreiter auf dem Markt?

Auf jeden Fall. Denn um als ernstzunehmender Systemanbieter auf dem Markt wahrgenommen zu werden, muss man auch wie ein Systemanbieter denken. Und das tun wir. Mit Blick in die Zukunft bleibt uns gar nichts anderes übrig, denn der Markt wird die Anbieter immer weiter in diese Richtung treiben. Erfolgreich bleibt dann nur, wer ein ganz anderes Mindset entwickelt, als es für den Verkauf von einzelnen Antrieben oder Komponenten erforderlich war. Deswegen erstreckt sich unser Systemverständnis schon heute von der Energieeinspeisung bis zur Abtriebswelle – alles in einer Architektur vereint.

In wie weit ist diese Denke auch bei Ihren Kunden bereits angekommen?

Das ist ganz unterschiedlich. Unsere Vorgehensweise ist es, Leitkunden in den verschiedenen Zielmärkten zu identifizieren, mit denen wir gemeinsam den übergreifenden Mehrwert von Systemlösungen herausarbeiten. Denn: Dass der Markt die jeweiligen Vorteile erkennt und versteht, ist die Voraussetzung, dass eine Systemlösung überhaupt akzeptiert wird.

Bild: SEW-Eurodrive GmbH & Co KG

Reduzierte Betriebskosten durch mehr Effizienz reicht als Argument immer noch nicht?

Leider nein. Auch wenn sich das Bewusstsein in Zeiten steigender Energiepreise durchaus in die richtige Richtung entwickelt, müssen wir das Thema Energiemanagement mit weiteren Vorteilen anreichern. So etwa mit der 24V-Versorgung im Zwischenkreis, oder der sehr hohen Qualität der Energie, die sich ins Netz rückspeisen lässt.

Bild: SEW-Eurodrive GmbH & Co KG

Lassen Sie uns noch über die Steuerungstechnik sprechen: SEW hat mit Movi-PLC seit langem eine eigene SPS im Portfolio. Verändert ihr Systemansatz auch dieses Angebot?

Movi-PLC war und ist im Sinne des One-Stop-Shoppings für viele Kunden eine attraktive Option. Mit Blick auf neue Anwendungen, z.B. die mobile Robotik, tun sich für uns in Sachen Steuerungstechnik neue spannende Felder auf. Deswegen bauen wir das Angebot aus. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Branche vor einem riesigen Wandel steht. Bisher war klar geregelt, was die IT und was die OT macht. Auch wenn in die SPS mehr und mehr IT-Funktionen integriert wurden, die dort Rechenleistung gebunden haben, die eigentlich für Echtzeitsteuerung und Motion Control vorgesehen war.

Seiten: 1 2 3Auf einer Seite lesen

SEW-Eurodrive GmbH & Co KG

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge