Interview mit SEW-Geschäftsführer Hans Krattenmacher über Energiemanagement und Steuerungstechnik

Movi-C: Systemkompetenz von SEW-Eurodrive

Wie viel Systemkompetenz braucht man heute als Antriebsanbieter? Der rote Faden, mit dem SEW-Eurodrive diese Fragestellung zeitgemäß beantwortet, ist fest im Elektronikbaukasten Movi-C verankert. Was genau dahinter steckt, und wie stark das eigene Selbstverständnis davon geprägt wird, erklärt Geschäftsführer Hans Krattenmacher im Interview mit dem SPS-MAGAZIN und dem anschließenden Rundgang durch die Elektronikfertigung in Bruchsal.
Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Energieeffizienz ist beileibe kein neues Thema für die Industrie. Eher ein Dauerbrenner. Welche Lernkurve hat der Maschinenbau bereits hinter sich?

Hans Krattenmacher: Es gibt noch viel Luft nach oben. Denn bisher hat man sich hauptsächlich auf die normativen Anforderungen konzentriert – also auf die Vorgaben für IE-Effizienzklassen von Motoren. Bei Pumpen und Lüftern, die permanent laufen, hat diese Stoßrichtung natürlich ihre Berechtigung. Geht man in Richtung Taktantriebe und S3-Betrieb, ändern sich die Voraussetzungen aber gravierend. Deswegen hat die Industrie in diesem Bereich noch keine nennenswerte Lernkurve hinter sich.

Woran machen Sie das fest?

Große Effizienzsteigerungen können Motoren im Taktbetrieb alleine nicht leisten. Selbst wenn man das Zusammenspiel aller Antriebskomponenten – also Motor, Getriebe und Umrichter – berücksichtigt, lässt sich hier nicht sonderlich viel rausholen. Stattdessen muss man den Blick auf die komplette Applikation richten. Erst dann finden sich die relevanten Stellhebel für mehr Effizienz. Es geht darum, die Leistung und Energie in der Prozesskette möglichst passend zu nutzen. Dieses Potenzial bleibt bisher leider meist auf der Strecke. Deswegen widmen wir uns diesem Aspekt nicht nur ausgiebig im Rahmen des Produktportfolios, sondern sogar mit der eigenen Einheit SEW-Powersystems.

Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

SEW-Eurodrive hat ein eigenes Tochterunternehmen für Energieeffizienz?

Sozusagen. Dessen Mission ist es, die Energie in den Applikationen der Kunden bestmöglich zu managen, den Leistungsbedarf möglichst niedrig zu halten und Peaks zu vermeiden. Das gelingt am allerbesten, wenn man Energie mehrfach verwendet. Ein Paradebeispiel dafür findet sich in den Hubwerken von Hochregallagern: Letztlich benötigt man Energie im Prozess ja nur, um die Regalbediengeräte nach oben zu bewegen. Auf dem Weg zurück wird hingegen Energie freigesetzt. Sie wird meist durch Bremswiderstände als Wärme verheizt. Oder direkt ins Netz rückgespeist, was auch nicht die beste Lösung ist. Der sinnvollste Ansatz ist es, die Energie im System zu behalten und zwischenzuspeichern. Dann lässt sie sich für den nächsten Beschleunigungsvorgang wiederverwerten. Über einen Zwischenkreis und unser intelligentes Lademanagement lassen sich in solchen Systemen an vielen Stellen Abstriche machen: der Stromverbrauch wird reduziert, es gibt weniger Leistungsabfälle und Geräte oder Leitungen fallen kleiner aus. Der Anwender kann also Material und Bauraum sparen, die verbauten Komponenten schonen, und die Anschlussleistung runterfahren. In Summe sind dann Effizienzsprünge möglich, die im Vergleich zum Tausch von Motoren nicht selten um den Faktor zehn größer sind.

Bild: SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG

Wie schlägt sich diese systemische Perspektive im Angebot von SEW-Eurodrive nieder?

Bereits 2011, beim Entwicklungsstart unserer aktuellen Elektronikgeneration Movi-C, haben wir alle Voraussetzungen für die sich abzeichnenden Technologietrends geschaffen – auf Hardware-, Software- und Firmware-Seite. Neben Aspekten der fortschreitenden Digitalisierung ging es dabei auch sehr konkret um Energiemanagement. Entsprechende Features wurden so tief integriert, dass Anwender heute keine speziellen Zusatzmodule mehr kaufen müssen. Vielmehr lassen sich Energiemanagement-Lösungen mit Movi-C ganz einfach umsetzen, zumal für typische Anwendungen exakt passende Funktionsbausteine vorbereitet sind. Mit dem durchgängigen Ansatz unseres Baukastens kann der Anwender zurückgewonnene Energie nicht nur in einer gekapselten Einheit nutzen, sondern vollumfänglich im kompletten System. Selbst unter Einbindung der 24V-Verbraucher. Damit haben wir bei den Anwendern einen Nerv getroffen und einen echten USP geschaffen.

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