Mittelspannungsumrichter als modulares Baukastensystem

Antriebslösung nach Maß

Die neuen Mittelspannungsumrichter aus dem Hause Danfoss bieten sich für den Einsatz in vielen Industriesegmenten an. Aufgrund des modularen Baukastensystems sorgen sie für geringeren Verkabelungsaufwand und mehr Flexibilität im Vergleich zu Niederspannungsantrieben. Welche weiteren Vorteile und Herausforderungen auf dem Weg zur maßgeschneiderten Antriebslösung warten, erklärt Produktmanager Dr. Karl Kyrberg im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN.

Mit dem Vacon 3000 präsentiert Danfoss seinen ersten Mittelspannungsumrichter. Wie sieht die Strategie dahinter aus?

Karl Kyrberg: Der Vacon 3000 ist ein logischer Schritt für Danfoss, um in höhere Spannungsbereiche und Leistungen vorzustoßen. Es gibt einfach Branchen und Anwendungen, bei denen ‚one size fits all‘ eben nicht stimmt. Hier brauchen die Kunden Sonderlösungen oder müssen Standardantriebe mit entsprechenden Problemen und Kosten irgendwie doch unterbringen. Stattdessen ermöglichen wir es Systemintegratoren und OEMs mit dem Vacon-3000-Baukasten, maßgeschneiderte Mittelspannungsantriebe zu bauen.

Gibt es einen generellen Trend zu Mittelspannung?

Kyrberg: Der Markt ist immer auf der Suche nach besseren Lösungen und wenn wir über Antriebslösungen mit hoher Leistung sprechen, dann geht ab einem gewissen Leistungsbereich an der Mittelspannung kein Weg vorbei. Es gibt auch Vorteile bei der Motorgröße, Installationskosten und einigen anderen Themen.

Welche Spannungs- und Leistungsklassen werden angeboten und welche Frontend-Versionen sind verfügbar?

Kyrberg: Die neuen Umrichter sollen in den relevanten Spannungen von 3.300 und 4.160V verfügbar sein. Es werden, basierend auf Leistungsmodulen und Filterkomponenten von entweder 2 oder 3MW, auch parallel geschaltete Systeme mit dann entsprechend 4 und 6MW angeboten. Die erste verfügbare Frontend-Konfiguration ist AFE, darauf bald folgend auch 12-puls DFE. Darüber hinaus ist ein Bremschopper verfügbar.

Wird es die Antriebe auf absehbare Zeit auch als Komplettgeräte geben?

Kyrberg: Wir planen natürlich auch, ein Referenzdesign für das Vacon-3000-Kit zu releasen. Damit sind wir prinzipiell auch in der Lage, einen Antrieb in dieser Form bestellbar zu machen und zu liefern. Zunächst ist das Gerät aber ein Bausatz, der Komplettantrieb wird erst später freigegeben. Zielmarkt sind hier die Anwender, die zu einer tieferen Integration nicht in der Lage sind oder diese nicht benötigen.

Für welche Anwendungen und Segmente eignet sich der Mittelspannungsumrichter?

Kyrberg: Das Hauptaugenmerk liegt auf den Bereichen Öl- und Gas, Marine, Energie, Metallerzeugung und Bergbau. Es gibt anspruchsvolle Aufgaben und Vierquadranten-Anwendungen wie Mahlwerke, Brecher, Förderbänder und allgemeine Bereiche wie Lüfter, Pumpen, Extruder, Mixer oder Kompressoren. In diesen Bereichen sehen wir den größten Mehrwert, den die Partnerfirmen für die Kunden schaffen. Wir sind mit den Niederspannungsgeräten bereits in vielen Schwerindustrieanwendungen unterwegs, deswegen macht es hier Sinn, zusätzlich auch die Bedürfnisse der Anwender auf der Mittelspannungsseite zu erfüllen. Damit benötigen sie einen Lieferanten weniger und können mit demselben Bedienkonzept wie auf der Niederspannungsseite arbeiten. Das Kontrollsystem des Mittelspannungsumrichters basiert auf dem Vacon 100. Das vereinfacht die Arbeit des Bedienpersonals und verringert den Schulungsaufwand.

Gibt es eine Ausrichtung auf Marine oder andere Microgrids?

Kyrberg: Wellengeneratoren mit hoher Leistung für Schiffsanwendungen sind in der Tat eine potenzielle Anwendung für unseren Mittelspannungsumrichter, ebenso wie der Bereich Landstromverbindung. Beides benötigt eine Microgrid-Applikation, die die Geräte durchaus künftig realisieren können sollen.

Wie sieht der Unterschied zwischen 2MW Mittelspannungs- und Niederspannungsantrieben hinsichtlich Kosten und Technik im Vergleich aus?

Kyrberg: Mittelspannungsantriebe benötigen eine höhere Sperrspannung und sind komplexer aufgebaut als Standard-Niederspannungsantriebe. Die Isolierung der Komponenten ist beim Entwurf intensiver zu bedenken. Diese Aspekte gehen beim Systemvergleich zu Lasten der Mittelspannungsumrichter. Dafür gibt es Vorteile durch weniger Verkabelungskosten und einen meist kleineren Footprint, beim Vacon 3000 ist das Argument zudem natürlich die Modularität und damit die möglichen speziellen Bauformen. Das Modulkonzept vereinfacht auch den Service. Wenn man die Komponentenzahl betrachtet, zeigt sich bei einem Vergleich eines NXC AFE mit 2MW, dass bei gleicher Leistung des Vacon 3000 statt sechs nur drei AFE-Module oder statt sechs nur drei Inverter Units, kurz INU, nötig sind. Statt zwei LCL-Filtern kommt ein LC-Filter zum Einsatz.

Gibt es weitere Aspekte oder Herausforderungen?

Kyrberg: Vor allem bei langen Motorkabeln liegt ab 2MW ein Vorteil bei den Mittelspannungsumrichtern. Es kommt natürlich auf den Einzelfall an: Insbesondere auf Faktoren wie Umweltbedingungen, Isolationsmaterialien, Leitungslänge oder erlaubte Biegeradien, aber das Ohm’sche Gesetz macht sich für diese Komponente schon deutlich bemerkbar. Zudem gibt der Einsatz von Mittelspannung auch dem Motorhersteller mehr Freiheiten in der Konstruktion. Die Geräuschentwicklung sollte ebenfalls etwas geringer sein, sofern dieses Kriterium in einer Anwendung zählt. Das echte physikalische Limit für Niederspannungsumrichter liegt erst bei etwa 5MW und 690V – aber aus unserer Sicht beginnt es jenseits der 2 bis 2,3MW. Mittelspannungslösungen sind auch für Anwendungen in der Schwerindustrie besser geeignet. Das erfordert aber wie gesagt stets eine Einzelbetrachtung der Gegebenheiten bis hin zur vorhandenen Infrastruktur.

Gibt es noch weitere technische Aspekte pro oder contra?

Kyrberg: Die induktiven Filterkomponenten sind kompakt und verfügen zudem über zwangsbelüftete Luft-Wasser-Wärmetauscher, um die Abwärme im Gehäuse unter Kontrolle zu behalten. Mit der 3-Level-NPC-Technik in dieser Leistungsklasse benötigen wir weniger AFE- bzw. INU-Abschnitte, was die Geräte robuster bzw. zuverlässiger macht. Der modulare Ansatz reduziert auch die Anzahl an Powermodulen, die der Kunde auf Lager vorhalten muss.

Bezüglich der Kühlung: Was unterscheidet Ihre neue Lösung von anderen?

Kyrberg: Der Vacon 3000 ist flüssigkeitsgekühlt. In Verbindung mit dem modularen Design ermöglicht dies, Umrichter in verschiedenen Leistungsklassen mit hoher Leistungsdichte anzubieten. Dieses Feature ist ein weiterer Baustein, um Mittelspannungsumrichter in eigentlich gesättigten Märkten salonfähig zu machen..

Danfoss GmbH
http://www.danfoss.de

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