Die richtige Variante: Hilfestellung geboten
Die Frage nach der richtigen Vorgehensweise bei der Schnittstellenimplementierung ist von vielen quantifizierbaren Randbedingungen abhängig und lässt sich nicht pauschal beantworten. Viele Einzelheiten sind zu klären, die teilweise auch strategisch beantwortet werden müssen: Auf welche Kommunikationstechnologien konzentriere ich mich? Welche Schnittstellen will ich unterstützen, und mit welcher Priorität (zeitlichen Reihenfolge) werde ich sie in meinen Geräten implementieren? Wie sehen meine Märkte aus? Welche Anforderungen stellen meine Kunden? In welchen Regionen der Erde werden meine Geräte und Systeme eingesetzt – durch direkten oder indirekten Export? Wie schnell muss ich mit meinem Produkt auf dem Markt sein, und wie flexibel will ich auf neue Trends reagieren können? Welchen Mehrwert erziele ich durch die Integration der Schnittstellen? Wie viele Geräte werden in den nächsten Jahren mit den jeweiligen Schnittstellen verkauft werden? Wie wird der Preisverfall der Schnittstellen in den nächsten Jahren sein? Über welche Entwicklungskapazität und welches Know-how verfüge ich, und wie teuer sind die eigenen Ressourcen? Besitze ich die Fertigungsmöglichkeiten? Wie hoch sind die Material- und Fertigungskosten für die Schnittstelle? Es gilt also, die individuellen technischen, vertrieblichen und wirtschaftlichen Randbedingungen möglichst vollständig zu berücksichtigen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Um diese betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte im Rahmen der Schnittstellen-Implementierung umfassend und quantitativ bewerten zu können, hat HMS Industrial Networks mit Unterstützung durch die Technologie Management Gruppe (TMG) ein Kalkulationstool entwickelt, das \’Make-or-Buy-Tool\‘. Die vielfältigen Erfahrungen der beiden Firmen, die in die Entwicklung des Tools eingeflossen sind, geben dem Gerätehersteller schon in der Planungsphase einen \’Leitfaden für seine Schnittstellenentwicklung\‘ Ein detaillierter Projektplan wird quasi über die Bedienung des Tools durchgespielt. Nach Eingabe der individuellen Randbedingungen werden von dem Tool die drei oben beschriebenen Lösungsansätze anhand einer Projektergebnisrechnung analysiert. In grafischen und tabellarischen Darstellungen werden die Kosten, Umsätze und der \’Return on Invest\‘ für die drei Optionen Eigenentwicklung, Eigenentwicklung mit Partner und Einsatz von Schnittstellenmodulen verglichen. Auf der Kostenseite werden als Initialkosten u.a. die Entwicklungskosten, Investitionen für Protokollstacks, Prototypen, Testwerkzeuge, Kosten für die Zertifizierung sowie Zinsen für das eingesetzte Kapital bewertet. Für die Phase nach Abschluss der Entwicklung und bei Einsatz der Lieferung werden die Stückkosten für den Einkauf der einbaufertigen Module bzw. im Falle der Eigenentwicklung die Herstellungskosten für die Schnittstellen mit optimierten Fertigungslosgrößen und Fertigungsintervallen ermittelt. Bei der Gesamtkostenbetrachtung wird neben den verkauften Stückzahlen auch die unterschiedlich lange Entwicklungszeit und die daraus resultierende Time-to-Market berücksichtigt.
Projektergebnisrechnung am Beispiel
Anhand eines konkreten Beispiels, das die eingangs erwähnten Randbedingungen aus der Automobilindustrie berücksichtigt, werden mit dem \’Make-or-Buy-Tool\‘ die drei verschiedenen Realisierungsmöglichkeiten für die Implementierung der Kommunikationsschnittstellen verglichen und bewertet. Die Betrachtung erfolgt für eine Schraubersteuerung, die in Europa und USA verkauft und vorwiegend in der Automobilindustrie eingesetzt werden soll. Die Branche ist durch eine hohe Innovationsbereitschaft und durch kurze Produktlebenszyklen gekennzeichnet. Für die Kommunikationsschnittstelle soll daher eine modulare Lösung mit Unterstützung für Profibus, DeviceNet, CANopen, EtherNet/IP, Profinet IO, Modbus-TCP und EtherCAT realisiert werden. Es sollen sowohl Daten zur Steuerung des laufenden Prozesses (zyklische Prozessdaten) als auch Parameterdaten für die Qualitätskontrolle und die Inbetriebnahme des Prozesses übertragen werden. Die Schnittstelle soll modular aufgebaut werden und zur Entlastung des Hauptprozessors über einen eigenen Mikroprozessor für die Realisierung der Kommunikationsfunktionen verfügen. Die Steuerung soll in einem Gehäuse in Schutzart IP20 hergestellt werden. Die Entwicklung gliedert sich in Spezifikation, Hard- und Software-Entwicklung, Funktionstest, EMV-Tests sowie Zertifizierung. Je nach gewählter Methode fallen unterschiedlich hohe Aufwendungen und Investitionskosten für die Beschaffung von Protokollstacks und Testhilfsmitteln, für die Produktion von Prototypen für Funktions- und EMV-Tests, Gebühren und Lizenzen sowie Kosten für die Zertifizierung an. Erfolgt die Entwicklung mit Unterstützung eines externen Entwicklungspartners, fallen zusätzlich zu den internen Personalkosten auch externe Beratungskosten an.
Die Umsatzprognose
Der Markt für die industrielle Kommunikation weist auch in Zukunft zweistellige Wachstumsraten auf, wie eingangs bereits gezeigt wurde; mittelfristig ist dabei eine Verschiebung der Marktanteile zugunsten der verschiedenen Ethernet-Lösungen zu erwarten. Die richtige Abschätzung der Verkaufsstückzahlen für die verschiedenen Bussysteme hat großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Gesamtprojekts. Wichtig ist, dass die Entwicklung mit den Bussystemen begonnen wird, bei denen anfänglich die höchsten Verkaufsstückzahlen erwartet werden. Auf der Basis verfügbarer Informationen wurden für das Fallbeispiel die in Bild 4 dargestellten Markteinschätzungen getroffen.