Neue Möglichkeiten mit dem digitalen Zwilling
Die Durchgängigkeit des digitalen Engineerings endet jedoch nicht mit der Auslieferung des Schaltschranks beim Kunden. Das macht Roland Bent deutlich: „Irgendwann steht die fertige Anlage oder Maschine mit dem dazugehörigen Schaltschrank und dem ja bereits vorhandenen digitalen Zwilling beim Endbetreiber der Maschine. Auf Basis des digitalen Zwillings stehen in Zukunft deutlich mehr Möglichkeiten zur Verfügung als bisher. So könnte man beispielsweise den gesamten Service digitalisieren, denn die Dokumentation des Schaltschranks liegt digital vor. Das heißt, ich kann auch mit Augmented Reality im Störfall auf aktuelle Informationen genau dieses speziellen Schaltschranks zurückgreifen. Man kann dafür sorgen, dass zur Lebenszeit Veränderungen im Schaltschrank nachgepflegt werden über eine Neukonfiguration von Geräten zum Beispiel. Das ist ein ganz neues Potenzial, das bisher gar nicht so machbar war.“
Es funktioniert in der Praxis
Für ein durchgängiges Engineering bis zum digitalen Zwilling werden zahlreiche Komponentendaten benötigt. Bei SEAP kommen diese über eCl@ss Advanced bzw. dem Data Portal von Eplan in das System. Fehlen an dieser Stelle notwendige Informationen, so ist zusätzliche manuelle Arbeit notwendig. Allerdings – darin sind sich alle Gesprächspartner einig – sei es nur eine Frage der Zeit. Brandl erläutert: „Unser Ziel ist es darauf hinzuwirken, dass alle Hersteller auf die Vollständigkeit der Daten ihrer Komponenten achten, beispielsweise 3D-Modelle usw., denn ohne 3D kann ich keinen virtuellen Schaltschrank abbilden, keine Kabeldrahtlänge berechnen etc. Es besteht große Übereinstimmung in der Industrie, dass es wichtig ist, diese Daten bereitzustellen. Und es gibt immer professionellere Prozesse, diese Daten auch automatisiert zu erstellen. Wir sind mit Eplan, Phoenix Contact und Rittal an dieser Stelle bereits sehr weit fortgeschritten.“
Starten statt warten
SEAP ist also mehr als nur eine innovative und zeitsparende Applikation für den Schaltschrankbau, darin sind sich alle einig: „SEAP ist der Beweis, dass es funktioniert“, sagt Bent abschließend: „Wir haben gezeigt, dass der digitale Zwilling unserer Produkte und der digitale Zwilling des Schaltschranks in einer technischen Semantik heute so ausreichend beschreibbar sind, dass man damit wirklich eine Produktion in all ihren Schritten steuern kann. Das ist schon mal ein sehr deutlicher Proof of Concept. Wie weit entspricht das jetzt der zukünftigen Struktur einer Verwaltungsschale der Industrie-4.0-Komponente? Auch das entwickelt sich natürlich weiter. Wir glauben, dass wir mit den Datenstrukturen, die wir hier definieren, einen ganz wichtigen Beitrag zu der Definition der Verwaltungsschale liefern können. Und das geht letztendlich nur über solche Testbeds, wie wir sie mit SEAP zeigen.“ Auch Brandl sieht die Zeit reif für den Einstieg: „Ich glaube, der größte Fehler, den man im Moment begehen kann, ist nichts zu tun. Ich würde jedem Unternehmen und jedem Unternehmer empfehlen: Greifen Sie sich Themen heraus, bei denen Sie heute einen konkreten Nutzen sehen. Nutzen Sie die Standards oder Ansätze, die bereits verfügbar sind und sammeln Sie daraus die Erfahrung, auf der man später aufbauen kann. Es wird nicht funktionieren, darauf zu warten, dass die gesamte Standardisierung durchgängig da ist, dass alle Komponentendaten durchgängig verfügbar sind, die man idealerweise gerne hätte, um seine Prozesse zu digitalisieren. Dann ist es zu spät.“ Das sieht auch Steffen so: „SEAP ist nicht nur ein Messe-Exponat, sondern immer auch eine Einladung zur Diskussion. Ich würde jedem Kunden empfehlen, sich damit zu befassen und – gespiegelt an seiner eigenen Situation – abzuleiten, was für ihn selbst passend ist. Das ist sehr individuell. Ich würde aber auch in jedem Fall sagen: Wer gar nichts tut, wird irgendwann in ein gravierendes Problem laufen.“ (kbn)