Smart Engineering and Production 4.0

„Wer nichts tut, wird irgendwann Probleme bekommen“

Das Thema Industrie 4.0 hat in der Automatisierungswelt ein neues Kapitel aufgeschlagen: Die hochintegrierte Fertigung von der kundenindividuellen Konfiguration eines Produktes über dessen Konstruktion bis hin zur Auslieferung beim Kunden ist das Ziel, das verfolgt wird. Mit Smart Engineering and Production 4.0 - kurz SEAP 4.0 - zeigen Eplan, Phoenix Contact und Rittal auf der Hannover Messe immer wieder praxisorientierte Lösungen, die am Beispiel der Fertigungsprozesse im Schaltschrankbau eines deutlich machen: Auf der Basis der empfohlenen Standards sind schon heute smarte Anwendungen mit hohen Effizienzgewinnen möglich. Auf der Hannover Messe hatten wir Gelegenheit, mit drei Geschäftsführern der beteiligten Unternehmen über SEAP 4.0 als Beispiel für angewandte Industrie-4.0-Technologien zu sprechen.
Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG

SEAP steht für Smart Engineering and Production und trägt das Ziel der intelligenten Durchgängigkeit von Konstruktion und Produktion bereits im Namen. Die Partner Eplan, Phoenix Contact und Rittal demonstrierten unter diesem Titel auf der Hannover Messe 2018 zum dritten Mal eine durchgängige Lösung von der Konstruktion bis zum fertigen Produkt – selbstverständlich hochautomatisiert. Während der Hannover Messe hatten wir vom SPS-MAGAZIN die Gelegenheit zu einem Interveiw mit den Geschäftsführern der drei beteiligten Unternehmen: Maximilian Brandl ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Eplan. Roland Bent ist Mitglied der Geschäftsführung bei Phoenix Contact und Innovations- und Technologiemanagement sowie für Marketing und Entwicklung zuständig. Dr. Thomas Steffen ist Geschäftsführer Forschung und Entwicklung bei Rittal. Zunächst wollten wir wissen, welche Intention hinter SEAP steckt. Roland Bent erläutert: „Die Grundidee von SEAP ist zunächst einmal zu zeigen, wie sich der Schaltschrankbau, der heute ja in vielen Unternehmen immer noch ein handwerklich geprägter Arbeitsvorgang ist, industrialisieren lässt. Wir wollen damit zeigen, dass man die gesamte Produktion eines Schaltschrankes auf der Basis eines durchgängigen Datenmodells automatisieren kann. Konkret bedeutet das in der SEAP-Applikation: Konfiguration des Schaltschranks, Bestücken der Klemmleisten, mechanische Bearbeitung des Schaltschrankes über die Verdrahtung bis zum Bedrucken von Geräten im Schaltschrank und die Kennzeichnung im Schaltschrank.“

Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG

Effizienzsteigerungen im Schaltschrankbau

Es geht also zunächst einmal um Effizienzsteigerungen im Schaltschrankbau: „Wir sprechen hier von hohen Einsparpotenzialen von 40 Prozent für einen solchen Schaltschrank“, erläutert Maximilian Brandl. Bei SEAP geht es aber um mehr als nur einen Messedemonstrator zu zeigen, ergänzt Steffen: „Wir haben uns auch zusammengefunden, um zu diskutieren und gemeinsam zu überlegen, was noch zu tun ist, um die Idee der integrierten Fertigung im Schaltschrankbau in die Praxis umzusetzen. Insofern ist SEAP als eine Arbeitsgruppe zu sehen. Wir entwickeln und realisieren gemeinsam Ideen, um diese über Messeevents zu kommunizieren und in unseren Kernmarkt zu tragen.“ Letzten Endes geht es also auch um die Erprobung und Empfehlungen von Methoden, Standards und Technologien, die durch die Arbeit der Plattform 4.0 entstehen. Bent dazu: „Wir zeigen die Anwendung des digitalen Zwillings, des einzelnen Produkts, eines konfigurierten Produkts und eines gesamten Schaltschranks. Dies beziehen wir in dem Messebeispiel auf den Schaltschrank. Die Art und Weise, wie wir diese Durchgängigkeit herstellen, ist aber für alle anderen Produktionsprozesse genauso anwendbar. SEAP zeigt also vor allem, dass auf Basis bestehender Standards (eClass, eClass advanced, Automation ML, OPC UA usw.) schon heute eine solche smarte Fertigung realisierbar ist.“ Damit sollen wie bereits erwähnt im Schaltschrankbau Effizienzsteigerungen von 40 Prozent und mehr möglich sein: „Die Einsparpotenziale sind sicherlich sehr individuell“, erläutert Steffen. „Klar ist allerdings, dass die Zeitdauer einzelner Prozessschritte im Schaltschrankbau sehr hoch ist, weil die Tätigkeiten noch immer von einer manufakturellen Arbeitsweise geprägt sind. Durch die Nutzung von durchgängigem Engineering und Ableitung der Daten in die Produktionswelt sind Einsparpotenziale möglich, die häufig im oberen zweistelligen Bereich liegen. Man stellt eigentlich immer fest, dass es durchgehend sehr hohe Potenziale sind, die man in anderen Industrien gar nicht mehr heben kann. Im Schaltschrankbau ist das möglich.“

Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG

Niemand ist eine Insel – schon gar nicht in der Welt der Industrie 4.0

Aber wie kam es überhaupt zu dieser Zusammenarbeit? Steffen erklärt das so: „Niemand bedient den Markt des Schaltschrankbaus – um in diesem Beispiel zu bleiben – komplett allein. Insofern ist es essentiell, dass man zusammenarbeitet und gemeinsame Lösungen findet, die sich dann durchaus standardisieren und verallgemeinern lassen.“ Und Brandl ergänzt: „Industrie 4.0 erfordert mehr Zusammenarbeit. Jeder realisiert, dass er alleine keine durchgängige Fertigung erreichen kann. Immer mehr Hersteller stellen fest, dass sie sich von ihrem geschlossenem System verabschieden und öffnen müssen. Das Thema Offenheit wird also immer wichtiger. Das passt übrigens sehr schön zum Messemotto der diesjährigen Hannover Messe ‚Connect and Collaborate‘.“ Die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen an einem Projekt in der Smart Production könnte wohl zum Wesensmerkmal von Industrie 4.0 werden. In der SEAP-Demo folgt die Aufgabenverteilung der jeweiligen Domain Expertise der Unternehmen. „Jedes der beteiligten Partnerunternehmen hat seine Stärken“, erklärt Bent. „Erst in der Kombination entsteht eine intelligente und durchgängige Wertschöpfungskette, die dem Anwender viele Vorteile bringt. Beim Engineering kommen natürlich die Lösungen von Eplan zur Anwendung. Die ganze Thematik der Bearbeitung und Bereitstellung von Schaltschränken, der Schaltschrankmechanik, Kühlgeräte usw. wurde von Rittal übernommen. Phoenix Contact schließlich lieferte die elektrotechnischen Komponenten wie Klemmen, Kommunikation usw. samt den dazugehörigen Datenmodellen. Und der hauseigene Maschinenbau von Phoenix Contact hat die Anwendung schließlich gefertigt.“

Man rückt zusammen auf der Hannover Messe – zum Interview wie auch technologisch beim Thema 4.0. (v.l. Roland Bent, Phoenix Contact, Dr. Thomas Steffen, Rittal, Maximilian Brandl, Eplan).
Man rückt zusammen auf der Hannover Messe – zum Interview wie auch technologisch beim Thema 4.0. (v.l. Roland Bent, Phoenix Contact, Dr. Thomas Steffen, Rittal, Maximilian Brandl, Eplan). Bild: Eplan Software & Service GmbH & Co. KG

Das Potenzial der Standards?

Man darf bei SEAP nicht vergessen, dass es nicht vor allem darum ging, einen lauffähigen Demonstrator zu fertigen, sondern dieses mit den Methoden, Standards und Technologien zu tun, die mit den Empfehlungen der Plattform 4.0 konform sind. Bent beschreibt diesen Teil der Aufgabe so: „Für diese spezifische Applikation, die wir auf dem SEAP-Stand gezeigt haben, gibt es sicherlich viele andere Umsetzungsmöglichkeiten. Uns ging es aber von vornherein darum, auf Methoden zurückgreifen, die konform sind zu den Aktivitäten der Plattform 4.0. Unsere Erfahrungen im SEAP-Projekt zeigen inzwischen, dass der vorgesehene Weg wirklich ein riesengroßes Potenzial hat, sich als Standard auch für andere Anwendungsfelder durchzusetzen.“ Ein einfaches Beispiel von Maximilian Brandl zeigt, dass die Standardisierung, die durch den Weg hin zur Industrie-4.0-Durchgängigkeit erreicht wird, allen Beteiligten viele Vorteile bringt: „Wir arbeiten seit vielen Jahren mit zahlreichen SPS-Anbietern zusammen und haben mit den verschiedenen Firmen individuelle Schnittstellen programmiert, also mit ABB, B&R, GE, Omron, Rockwell Automation, Mitsubishi Electric, Schneider Electric, Siemens und wie sie alle heißen. Mittlerweile verwenden wir Automation ML als einheitlichen Standard. Das macht für uns die Arbeit viel einfacher, weil wir in einem Standardformat die Information wie Input/Output-Listen, Rekonfiguration usw. zur Verfügung stellen können. Aber das macht es eben auch für die vielen Anwender einfacher, weil sie genau wissen, wie die Implementierung einer SPS funktioniert. Und es funktioniert bei jedem Hersteller gleich! Das ist ein Riesenvorteil für die Projektierer – und für uns.“

Seiten: 1 2 3Auf einer Seite lesen

Das könnte Sie auch Interessieren

Weitere Beiträge

Bild: Wago GmbH & Co. KG
Bild: Wago GmbH & Co. KG
I/O-System XTR von Wago

I/O-System XTR von Wago

Vor zehn Jahren hieß es bei Wago das erste Mal: XTR. Die Ausführung für „eXTReme“ Umgebungsbedingungen sollte dem Wago I/O System 750 neue Anwendungen und Branchen erschließen. Das betonte die Titelstory des damaligen SPS-MAGAZINs zur Hannover Messe 2014. Eine Dekade später hat die Redaktion bei Wago nachgehakt, ob dieser Plan aufgegangen ist und in welchen Bereichen das XTR-System heute vor allem zu finden ist.

mehr lesen
Bild: Wölfel Engineering
Bild: Wölfel Engineering
Mit Beckhoff-IPC und integrierter Messtechnik zur individuellen Zustandsüberwachung

Mit Beckhoff-IPC und integrierter Messtechnik zur individuellen Zustandsüberwachung

Deutlich erhöhte Schwingungen an Maschinen können in vielerlei Hinsicht negative Folgen haben, von einer reduzierten Anlagenleistung bis hin zu Schäden an Maschine und Fundament. Durch Condition Monitoring können solche Schwingungsprobleme frühzeitig erkannt sowie Wartungsintervalle angepasst werden. Mit integrierter Messtechnik hat Wölfel Engineering auf diese Weise das Retrofit einer Schmiedepresse mit 2.000t Presskraft umgesetzt.

mehr lesen