In der Industrie wird kein Produkt auf den Markt gebracht, das nicht zuvor ausgiebig getestet wurde. Allein zur Erfüllung von Sicherheitsstandards ist dies unumgänglich. Doch trotz intensiver Tests ist es nicht möglich, alle Eventualitäten zu berücksichtigen. Die Einkäufer der Unternehmen müssen sich auf die Aussagen der Hersteller verlassen. Selten kann der Kunde neue Systeme vor dem Kauf in Aktion ansehen. An diesem Punkt will die SmartFactoryOWL Abhilfe schaffen.
Herstellerunabhängige Lösungen zum Anfassen
Bereits im April 2016 gründeten die Hochschule Ostwestfalen-Lippe und die Fraunhofer Gesellschaft die Modellfabrik SmartFactoryOWL in Lemgo. „Ein Ziel der SmartFactoryOWL ist es, unterschiedliche Montagekonzepte zu entwickeln und dabei unterschiedliche Assistenzsysteme einzusetzen oder diese auch miteinander zu kombinieren“, sagt Professor Sven Hinrichsen, der das Themengebiet des Industrial Engineering in der SmartFactoryOWL vertritt. Die Professoren, Beschäftigen und Studenten arbeiten dort in kleinen Teams, um neue Produktionsprozesse zu verbessern.
Pick-to-Light für alle Fälle
Seit nunmehr zwei Jahren arbeiten Hinrichsen und sein Team mit dem Pick-to-Light-System. Das anfängliche Ziel war, einen variantenreichen manuellen Montageprozess für einen Maschinenbauer zu verbessern. Die erste Version der lichtgesteuerten Werkerführung wurde direkt im Gründungsjahr der Fabrik fertiggestellt und bis heute kontinuierlich weiterentwickelt. Zu Beginn liest der Werker über den Vision-Sensor iVu von Banner einen 2D-Code ein. Das angeschlossene HMI TX513 zeigt darauf den Startbildschirm des zugehörigen Montageprozesses an. Als Steuerung fungiert hier ein programmierbares Gateway für das IP67-I/O-System BL67. Auf dem Gateway programmierte Turck die Pick-to-Light-Applikation mit Codesys 3, dessen Zusatzprogramm TargetVisu die Visualisierung der einzelnen Montageschritte übernimmt. Das System wurde so realisiert, dass Anwender ohne Programmieraufwand selbst neue Produktkonfigurationen eingeben können. Die Sensorleuchten K50, K30 und PVD zeigen dem Werker jeweils das einzubauende Teil an und führen so durch den gesamten Montageprozess. Beim Griff in das signalisierte Fach quittiert der Werker die Entnahme durch das Auslösen des integrierten Sensors.
Erweiterung mit Put-to-Light und RFID
Im Praxiseinsatz muss ein Logistikmitarbeiter die unterschiedlichen Montagearbeitsplätze ablaufen und überprüfen, ob Behälter leer sind, diese ins Lager bringen, auffüllen und zurück an den Arbeitsplatz schaffen. Dabei können auch Behälter vergessen oder im Durchlaufregal falsch eingeordnet werden, was den Montageprozess stören würde. Im Modellsystem der SmartFactoryOWL nahmen sich Hinrichsen und einige seiner Studenten dieser Herausforderung an und entwickelten eine Put-to-Light-Lösung zur Verbesserung der Materiallogistik. Das Lager wird vom System automatisch über leere Behälter informiert. Wenn während des Montageprozesses ein Behälter geleert wird, legt der Werker diesen auf einen Transportwagen, der sich neben dem Arbeitsplatz befindet. Im vorderen Bereich des Wagens befindet sich ein RFID-Schreib/Lese-Kopf, der die Informationen des Behälters ausliest und ein Signal an das Warenlager schickt. Im Lager werden neue Behälter mit den benötigen Komponenten befüllt. „Im Unterschied zu bedruckten Behältern können wir mithilfe des RFID-Systems den jeweils aktuellen Behälterinhalt auf den Datenträger schreiben. Zudem können wir durch die schnelle Informationsübermittlung die Anzahl der benötigten Behälter und damit den Warenbestand im Betrieb reduzieren“, so Hinrichsen. Zurück am Arbeitsplatz kommt der eigentliche Put-to-Light-Prozess zum Tragen. Das Durchlaufregal, das auf der Vorderseite mit dem Pick-to-Light-System ausgestattet ist, besitzt auf der Rückseite als Äquivalent ein Put-to-Light-System. Der Logistikmitarbeiter hält den aufgefüllten Behälter vor einen Schreib-Lese-Kopf. Auf Basis der übermittelten Daten leuchtet am Regal die Lampe derjenigen Bahn grün auf, in die der Behälter eingeführt werden muss. Der Mitarbeiter quittiert das Einfügen des Behälters in den entsprechenden Schacht mit einem Druck auf die Lampe. Diese erlischt in der Folge, quittiert der Werker die Falsche, leuchtet diese rot auf.