Automatisch generierte Visualisierung für variantenreiche Anlagen

Klare Strukturen für modulare Maschinen

Modulare Maschinen liegen voll im Trend: Ge- bzw. verkauft wird nur das, was wirklich gebraucht wird. Für Konstruktion und Projektierung ist es allerdings nicht einfach, viele verschiedene Varianten vorzuhalten, ganz besonders softwaretechnisch. Der italienische Maschinenbauer Gea Stiavelli begegnet dieser Herausforderung mit einer strukturierten Architektur und einer komplett OPC-UA-basierten Visualisierung.
Bild: Asem S.p.a.

Die Maschinen von Gea Stiavelli basieren auf einer hierarchischen Architektur beginnend bei Nudelproduktionsanlagen (Factories), innerhalb derer es eigene Verpackungssysteme (Plants) gibt. Diese Plants bestehen wiederum aus verschiedenen Maschinen (Sections), die einen bestimmten Prozessschritt übernehmen, z.B. Wiegen oder Verpacken. Diese Prozesse sind weiter in Komponenten (Equipment) unterteilen, die für die besonderen mechanischen Prozesse innerhalb der Maschinen verantwortlich sind. Ein typisches Beispiel ist die Verwaltung der Verpackungsfolienrolle durch die Verpackungsmaschine.

Innerhalb einer Fabrik gibt es verschiedene Anlagen, die stets dieser hierarchischen Unterteilung gehorchen. Zum Beispiel besteht die Anlage für lange Nudelformate aus den Sektionen

  • Wiegemaschine (SPL-M)
  • Verpackungsmaschine (SO)
  • Drucker
  • Qualitätskontrollsystem (CPS)

Die Sektion Wiegen SPL-M besteht aus Wäge-Equipment 1 und Wäge-Equipment 2, die gemäß dem PackML-Standard gesteuert werden. Dabei teilen sich die verschiedenen Equipments der Sektion während der Ausführung des Prozesses den PackML-Ausführungsstatus (z.B. IDLE). Der Hierarchie einer Factory muss auch die Bedienerschnittstelle folgen, die je nach Anlagenkonfiguration gemäß den für das spezifische System erforderlichen Funktionen automatisch aus der Analgenkonfiguration generiert wird.

Bild: ASEM S.p.a.

HMI-Oberfläche entsteht automatisch

Um sicherzustellen, dass dieselbe HMI-Oberfläche verschiedene Anlagen steuern kann, ist es unerlässlich, dass sie sich entsprechend der Anlagenkonfiguration (Kurz-/Langstrecke, Vorhandensein oder Fehlen von optionalen Abschnitten und Geräten) und der Mechanik der installierten Geräte anpassen lässt. Das ist sowohl für den Entwickler wichtig, der das Design einmal für alle Maschinen entwirft, als auch für den Bediener, der die Bedienung nur einmal für alle Maschinenvarianten lernen muss. Der HMI-Entwurf muss sowohl in Anlagen für Langschnittverpackungen funktionieren, wo es nur ein HMI für den Packer und die Waage gibt, als auch in Anlagen für Kurzschnittverpackungen. Bei diesem Maschinentyp befindet sich die Waage oberhalb des Packers und benötigt daher zwei separate Bedienterminals – für jede Ebene eins. Optional gibt es bei Anlagen für Kurzschnittverpackungen eine Single-HMI-Lösung: In diesem Fall wird die Bedienoberfläche als HTML5-Projekt angelegt, das der Bediener per Browser und Tablet aufrufen kann und so auf der oberen Ebene stehend bequem die Waage einstellen kann.

Aufgrund der modularen Architektur ist eine erweiterte Rezeptverwaltung zwingend notwendig, da es verschiedene Arten von Rezepten für die Anlage und die Sektion gibt. Entsprechend der Architektur lädt der Bediener nur die Anlagenrezepte, die auch die Unterrezepte der Sektionen enthalten. Das erleichtert die Nutzung und Umrüstung der Maschinen bei einem Produktwechsel, da der Bediener nicht jedes Unterrezept separat über eine Sektionsschnittstelle laden muss. Ein Beispiel: Beim Laden des Rezepts „Rezept1_MeinePasta“ werden automatisch auch die Unterrezepte „Rezept_Spaghetti“ als Rezept für die Wägesektion (Section_Weigher) und „Rezept_LongBag“ als Rezept für die Verpackungssektion (Section_Packager) geladen. Einige Installationen können auch vorsehen, dass das MES selbstständig Rezepte lädt, basierend auf den Produktionsanforderungen des ERP. Diese Rezepte lassen sich auch auf verschiedenen Anlagen, die zur gleichen Fabrik gehören, laden.

 Innerhalb einer Fabrik von Gea Stavelli weisen die verschiedenen Anlagen immer die gleiche hierarchische Unterteilung auf.
Innerhalb einer Fabrik von Gea Stavelli weisen die verschiedenen Anlagen immer die gleiche hierarchische Unterteilung auf.Bild: ASEM S.p.a.

Klares Design und individuelle Short-Cuts

Die Oberfläche muss modern und reaktionsschnell sein. Da die verwendeten Geräte unterschiedlich große Diagonalen haben können und noch dazu teilweise im Landscape oder Portraitformat installiert sind, muss die Navigationsleiste seitlich oder unten zu positionieren sein. Bediener müssen bestimmte Befehle oft sofort erreichen können und die entsprechenden Statusinformationen der Maschinen zur Verfügung haben. Einige dieser Entscheidungen sind subjektiv und hängen von der Erfahrung oder der Rolle der Bediener ab, daher ist es notwendig, dass die HMI-Schnittstelle gewisse Freiheitsgrade für die Anpassung der Bildschirme zulässt.

Da das HMI außerdem grafisch homogen und konsistent für das gesamte Maschinenportfolio bleiben muss, ist es notwendig, einen Mechanismus zu untersuchen, durch den es möglich ist, Änderungen in Bezug auf die verschiedenen Eigenheiten der Maschinen vorzunehmen, der weder Raum für die persönliche ästhetische Initiative des Programmierers noch für Fehler in Bezug auf Kopiervorgänge von bereits angenommenen Lösungen lässt. Schließlich muss sich der Benutzer zur weiteren Vereinfachung der Bedienung einfach und intuitiv über einen RFID-Tag anmelden und identifizieren können.

 Die HMI-Software von Asem generiert aus dem hierarchischen Datenmodell der Maschinensteuerung die entsprechenden HMI-Objekte und Bedien-Schemata.
Die HMI-Software von Asem generiert aus dem hierarchischen Datenmodell der Maschinensteuerung die entsprechenden HMI-Objekte und Bedien-Schemata.Bild: ASEM S.p.a.

HMI-Projekt aus Datenmodell der SPS

Gea Stiavelli realisiert seine Automatisierungen sowohl auf Basis von SPS-Technik als auch auf kundenspezifischer Elektronik. Falls die verwendete Steuerung ein textuelles Ausgabeformat des SPS-Programms zur Verfügung stellt, wird dieses als Eingabe eines C#-Designzeit-Skripts verwendet, das automatisch das gesamte Datenmodell in Q Studio erstellt. Auf diese Weise generiert eine Änderung im SPS-Programm automatisch die entsprechende Aktualisierung auf der HMI-Ebene. Sobald das Maschinendatenmodell definiert und erstellt ist, stehen alle Informationen tatsächlich zur Verfügung, so dass die grafischen Objekte der HMI-Applikation automatisch generiert werden, ohne dass die Grafiken der verschiedenen Bildschirme manuell vom Projekteur entworfen werden müssen.

Ein weiteres C#-Programm, das in Q Studio erstellt wurde, analysiert den Graphen des Datenmodells und instanziiert nach definierten Regeln die grafischen Objekte, indem es sie in den Containern aggregiert und strukturiert anordnet. Dies erfolgt nicht nur für die einzelnen Objekte, sondern auch für das Navigationsmenü, das entsprechend dem Datenmodell so aufgebaut ist, dass es mit den in der Maschine verfügbaren Optionen kompatibel ist.

Dieses Konzept zwingt zu einer konsistenten Projektierung: Jede Änderung am visuellen Teil des Projekts kann nur noch durch die Aktualisierung des Datenmodells erfolgen. Die grafischen Seiten werden dann automatisch modifiziert, ohne dass die Grafiken der Objekte und Bedienelemente neu definiert werden müssen.

Bild: ASEM S.p.a.

Individualisierung trotz Standardisierung

Individuelle Anpassungen der Bedienoberfläche durch die Maschinenbediener ist durch den Favoriten-Mechanismus elegant gelöst: Parameter, Zustände und Befehle können als Favoriten markiert und in einem individuellen Bereich der Benutzeroberfläche angeordnet werden. Ebenso lassen sich Befehle als Short-Cut der Fußzeile hinzufügen, so dass sie je nach Gusto und Bedarf des Bedieners schnell aufgerufen werden können.

Damit das gelingt, ist jedes grafische Steuerelement als OPC-UA-Objekt mit einer eindeutigen ID angelegt. Diese ID ermöglicht es, im HMI-Projekt softwaretechnisch darauf zu verweisen und so in der Fußzeile oder im Benutzer-spezifischen Bedienfenster einzubetten. Jeder Bediener steht dazu eine Liste von Zeigerdatensätzen zur Verfügung, die die HMI-Objekte im Projekt identifizieren, obwohl diese sich zwar an verschiedenen Positionen in der Bedienstruktur befinden, aber darüber in einem leicht zugänglichen Bereich sammeln lassen. Die Verwaltung der Rezepte ist auf Basis des grundlegenden Hierarchiekonzepts der Objekte implementiert, so dass das Rezept der Anlage nicht nur die Parametrierungen dieser Ebene des Baums enthält, sondern auch die Zeiger auf die Rezepte der darunter angeordneten Abschnitte.

Diese Architektur ermöglicht eine logische Steuerung der Rezeptdaten. Lädt der Benutzer ein Rezept vom HMI, kann er prüfen, welche Parameter geändert werden, und er kann auswählen, welche Parameter er laden und welche er im Vergleich zu den im Rezept gespeicherten unverändert lassen will. Dies wäre mit anderen Systemen mühsam, wenn nicht gar unmöglich zu realisieren gewesen. Das HMI-Projekt enthält mehrere Anwendungslogiken, die alle als so genannte NetLogic-Objekte der Uniqo-Software realisiert werden. Die HMI-Software stellt dazu ein leistungsfähiges Werkzeug zur Programmierung in C# zur Verfügung und integriert somit die typischen Funktionen eines modernen HMI-Tools mit den spezifischen der Anwendung. Beispielsweise hat Gea Stiavelli einen Algorithmus zur Generierung von Passwörtern mit täglicher Gültigkeit implementiert, die die Techniker im Feld für den Zugriff im Superuser-Modus verwenden.

Ein zweites interessantes Beispiel betrifft die Berechnung von Prozess-Statistiken wie die Zeiterfassung und Ereigniszähler, die mit lokaler Logik am HMI durchgeführt und dann in komfortablen Flyout-Containern angezeigt werden. Diese Container sind rechts auf der Bedienoberfläche positioniert und scrollen nach dem Aufrufen über die aktuelle Bedienseite. Anzeigt werden darin der Anlagenstatus die entsprechenden Statistiken.

Die vollständig als OPC-UA-Objekte angelegte Software zeigt auch in diesem Fall ihre Vorteile: Die generierten statistischen Daten stehen auch den verschiedenen Management-Systemen des Unternehmens sofort zur Verfügung, um schließlich die Prozesseffizienz durch entsprechende KPIs zu berechnen.

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