Die erste Ausgabe der Stuttgarter Innovationstage im Jahr 2017 wurde als Abschlussveranstaltung des Forschungsprojekts Picasso initiiert. Das Projekt beschäftigte sich drei Jahre ganz konkret mit der Umsetzbarkeit industrieller Steuerungsmechanismen aus der Cloud und generierte dabei einiges an Grundlagen und Basiswissen. Das SPS-MAGAZIN hatte Picasso während der Schlussphase eng begleitet (siehe Artikelserie Ausgabe 6/2016 bis 12/2016) und war auch in diesem Jahr wieder Medienpartner der hochkarätigen Veranstaltung. Die dortigen Vorträge verdeutlichten einmal mehr, welches Aufgabenspektrum die Cloud mitbringt, das es auch für die Industrie zu beherrschen gilt. So kamen im Rahmen der Vorträge und Diskussionen neben Fragen zur Steuerung aus der Cloud auch z.B. die Aspekte Recht an Daten, OPC UA und TSN, Sicherheit, neue Geschäftsmodelle sowie das Potenzial von Machine Learning immer wieder auf.
Institutsleitung im Doppelpack
Prof. Alexander Verl begrüßte die rund 140 Kongressteilnehmer und übernahm gemeinsam mit seinem Institutsleiterkollegen Prof. Oliver Riedel auch die Moderation der 2. Stuttgarter Innovationstage. Verl skizzierte aktuelle Projekte am ISW rund um die Cloud, z.B. den Arbeitskreis TSN, die Forschung im Bereich der CNC-Simulation oder den neu geschaffenen Lehrstuhl für Produktionstechnische Informationstechnologien. Riedel ging in seiner anschließenden Keynote unter dem Motto „Industrie 4.0 machen wir schon lange“ auf erfolgreiche Cloud-Projekte aus der Forschung sowie auf in der Industrie bereits umgesetzte Lösungen ein – nicht ohne die künftigen Herausforderungen und noch zu stemmenden Aufgaben zu betonen. „Die neuen Technologien erfordern Spezialisten, die sowohl die Sprachen der Produktion als auch die der IT sprechen“, so Riedel. Eine sehr gewichtige Rolle spricht er deswegen seinem neuen Lehrstuhl zu.
Digitalisierung, Cloud, Egde und Fog
Eine zweite Keynote steuerte Timo Mühlhausen von Siemens bei: Er verdeutlichte nochmals die grundlegenden Veränderungen, welche die Digitalisierung für die Industrie mit sich bringt. Auch schilderte er, wie sich der deutsche Automatisierungsplatzhirsch softwareseitig aufstellt, um Kunden bei der Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Der Schlüssel liege hier künftig in der Integration und Digitalisierung der kompletten Wertschöpfungskette und eines daraus abgeleiteten digitalen Zwillings für Produkt, Produktion und Performance. Im Sinne einer kontinuierlichen Prozessverbesserung sollen auf diese Weise gewonnene Erkenntnisse über das Mindsphere-Ökosystem von Siemens fortlaufend zurück in Produkt und Produktion einfließen. Ein weiteres Thema am Vormittag waren Hypervisorlösungen für cloudbasiete Echtzeit. In seinem Vortrag beschrieb Jan Altenberg von Linutronix u.a. wie an die Stelle vieler dezentraler Steuerungen eine lokale Cloud-Lösung treten kann, die sich je nach Produktionsauslastung skalieren lässt. Damit bildete der Referent eine gute Überleitung auf die folgenden Beiträge. Denn sowohl Dr. Thomas Holm von Wago als auch Kuka-Stratege Heinrich Munz forderten im Rahmen ihrer Vorträge, sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass Cloud-Vorteile immer aus dem Internet kommen müssen. Alternative Wege lägen in den als Edge- und Fog-Computing angebotenen Technologiekonzepten und Mechanismen, mit denen smarte und rechenintensive Funktionen in bzw. nahe der Feldebene zu lösen sind. So sollen Cloud- und Fertigungstechnik zu einer neuen Art der Automatisierung verschmelzen.
OPC-UA, 5G und die IEC61131
Die Nachmittagssession eröffnete der Microsoft-Software-Ingenieur Erich Barnstedt mit einem Vortrag zum Thema sichere Cloud-Kommunikation über OPC UA. Er unterstrich dabei: Einige Firmen verlagern ihre Anwendungen in die Cloud, weil sie dort sicherer sind und kostengünstiger betrieben werden können als im eigenen Rechenzentrum. Der folgende Beitrag drehte sich um den Standard 5G als neuer Mobilfunkgeneration. Telekom-Vice-President Herbert Schütttler beleuchtete die großen Vorteile und Neuerungen, die damit einhergehen, aber auch die noch zu lösenden Aufgaben. Anschließend zeigte Roland Wagner vom Codesys-Anbieter 3S in seinem Vortrag nach wie vor geltende Vorteile in Bezug auf klassische Steuerungsarchitekturen auf. Auf absehbare Zukunft werde es ein friedliches Miteinander der Systeme geben – zentral, dezentral und cloudbasiert.