Automation 2025 – Umfrage zur Zukunft der Automatisierung

Wir wollten es von unseren Lesern wissen: Wie schätzen diese die künftige Entwicklung der Automatisierung und des Engineerings ein? Die Umfrage wurde vom SPS-MAGAZIN des TeDo-Verlags, der Neuron-Gruppe (Beteiligung durch logi.cals und ISH Ingenieursozietät) als Industriepartner sowie der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg (Lehrgebiet Fabrikautomation in der Fakultät Maschinenbau) als wissenschaftliche Begleitung entwickelt und zwischen Mai und September 2021 durchgeführt. Nun liegt die vollständige Auswertung vor, die wir im Folgenden kurz zusammengefasst wiedergeben.
Bild: TeDo Verlag GmbH

Die Automatisierung und deren Engineering muss die Produktionsweisen ihrer Epoche möglichst optimal unterstützen. In der gegenwärtigen Situation bedeutet dies unter anderem: Digitalisierung, Flexibilisierung und Modularisierung von Produktionslinien. Diese Produktionsweise ist die Antwort der Unternehmen auf Herausforderungen, die aus der Globalisierung erwachsen, wie hoher internationaler Konkurrenzdruck, volatile Absatzmärkte und Lieferketten die Folge neuer und sich schnell ändernden technologischen Möglichkeiten. Doch was bedeutet das konkret für den Bereich der Automatisierung und dessen Engineering? Genau das wollten wir von den Lesern des SPS-MAGAZINs wissen: In Kooperation mit der Firma logi.cals und Prof. Dr. Arndt Lüder von der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg wurde eine Umfrage durchgeführt, in der die Bedeutung der wichtigsten Trends in der Automation hinterfragt und bewertet wurden.

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Zukünftige Automatisierungsarchitekturen

Der erste Komplex ging der Frage nach, wo und wie Steuerungsfunktionen in Zukunft residieren werden und wie Nutzungslizenzen aussehen könnten. Ein großer Teil der Befragten ist voll oder überwiegend der Meinung, dass die Steuerungsintelligenz horizontal stärker verteilt werden wird und cloudbasierte Lösungen zunehmen. 65 Prozent der Befragten sehen hier eine sehr hohe Bedeutung und nur 8 Prozent eine geringe oder keine. Eine beinahe gleich hohe Bedeutung besitzen cloudbasierte Lösungen für die Steuerungstechnik. Eine vertikale Strukturierung und Vernetzung von Automatisierungslösungen sowie die sonstige Nutzung von Cloudtechnologien in verschiedenen Anwendungsfällen sind für die Studienteilnehmer nicht von so hoher Bedeutung. Hier liegen die Werte derjenigen, die voll oder überwiegend zustimmen unter 50 Prozent. Betrachtet man diese Ergebnisse nach der jeweiligen Expertengruppe, so ergibt sich kein wirklich anderes Bild. Es kann jedoch festgestellt werden, dass Betreiber von Anlagen die Bedeutung der genannten Entscheidungen zu Systemarchitekturen höher einschätzen als alle anderen Expertengruppen.

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Technologien

Ohne Zweifel sind Ethernet basierende Technologien auch in der Zukunft fest in der Automatisierungswelt verankert mit einem Zustimmungswert von über 90 Prozent der Befragten. Mit ebenfalls hohen Zustimmungswerten werden Technologien wie OPC UA, industrielle Feldbusse, TSN, Wireless-Technologien, 5G und MQTT versehen (zwischen 67 und 75 Prozent). OPC UA FLC erscheint weniger bedeutend. AMQP wurde von den Beteiligten nicht als essentielle Technologie angesehen. Hier ist die Zustimmungsrate unter 30 Prozent. Auch hier ergibt die Unterscheidung der einzelnen Gruppen von Experten kein anderes Bild. Ausnahme bildet hier wieder die Gruppe der Anlagenbetreiber, welche die Bedeutung der genannten Technologien höher einschätzen als alle anderen Expertengruppen und insbesondere 5G einen signifikant höheren Bedeutungswert zuordnen.

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Anlagenlebenszyklus

„Welchen Teil im Lebenszyklus einer Anlage werden die neuen Automatisierungsstrategien beeinflussen?“ Das war unsere dritte Frage an unsere Leser. Mit Ausnahme des Abbaus einer Anlage sind auch hier die Antworten mit hohen Zustimmungswerten entlang des Lebenszyklus zwischen 59 und 76 Prozent versehen (Retrofit, Bau und Inbetriebnahme, Detail Engineering, Basic Engineering, Betrieb und Ideenfindung).

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Engineeringeffizienz

Dass ein effizientes Engineering ein zentraler Hebel bei der Optimierung von Projekten darstellt ist den meisten Anwendern heute bewusst. Doch welche Faktoren haben den größten Einfluss auf eine verbesserte Effizienz? Das war Inhalt unserer vierten Frage. Mit fast 90 Prozent Zustimmung wird die automatische Generierung von Programmen genannt. Ähnlich hohe Bedeutung haben für Anwender die interdisziplinäre Verbindung der Domänen, das Arbeiten im Team, die Nutzung eines Testmanagements (fast 80 Prozent Zustimmung) sowie die Nutzung von Verwaltungsschalen. Ebenfalls hoch – wenngleich mit weniger Bedeutung auf die Engineering-Effizienz eingeschätzt – sind die Beurteilungswerte für die objektorientierte Programmierung und Hochsprachen. Das RAMI-4.0-Referenzmodell ist nach Ansicht der Befragten weniger von Bedeutung für die Effizienz.

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Anlagenbetrieb

Die fünfte Frage beschäftigte sich mit den Auswirkungen neuer Technologien (z.B. Modularisierung, digitaler Zwilling, integriertes Engineering) auf den wirtschaftlichen Betrieb von Anlagen. Insgesamt werden allen abgefragten Technologien hohe Bedeutungswerte zugeschrieben, mit Werten zwischen 75 und 88 Prozent. Die Anlagenmodularisierung, deren Orchestrierung und die Nutzung von Informationen aus dem Engineering einer Anlage werden dabei am häufigsten genannt. Aber auch die Integration von Engineeringdaten und die Nutzung des digitalen Zwillings werden als Erfolgsfaktoren gesehen.

Kompetenzbedarf

Welche Kompetenzen werden in Zukunft besonders nachgefragt? Die Einschätzungswerte der Befragten geben interessante Hinweise: Am häufigsten wurde hier Functional Safety genannt, gefolgt von System Engineering Expertise und der IEC61131-3 mit Zustimmungswerten von deutlich über 70 Prozent). Ebenfalls gefragt sind Kenntnisse in C/C++, modellbasiertem Engineering und Python (über 60 Prozent Zustimmung). Als wenig relevant werden Java Kenntnisse und detaillierte Kenntnisse hinsichtlich Datenaustauschformaten wie AutomationML gesehen. Dabei gibt es ein klares Gefälle der Bewertung zwischen den einzelnen Expertengruppen. So bewerten Experten aus dem Anlagenbetrieb die Bedeutung von Kompetenzen hinsichtlich Java deutlich höher und auf der gleichen Ebene wie Python und C/C++ im Gegensatz zu allen anderen Expertengruppen. Zum anderen bewerten sie entgegen dem allgemeinen Trend die Bedeutung von Wissen zu Functional Safety als deutlich geringer. Dies deutet darauf hin, dass Anlagenbetreiber hinsichtlich Kompetenzen deutlich andere Erwartungen als alle anderen Expertengruppen haben.

Fazit und Danksagung

Insgesamt bietet die Studie für Endnutzer, Systemintegratoren und Automatisierungsanbieter eine gute Unterstützung für die Bewertung ihres eigenen Entwicklungspfades: Insbesondere die Einflussfaktoren für den Betrieb einer Anlage (Frage 5) sind hier ein guter Wegweiser und allesamt mit Zustimmungswerten oberhalb von 75 Prozent versehen. Für Toolhersteller und Systemintegratoren gilt es weiter daran zu arbeiten die Durchgängigkeit der Tool-Chains datentechnisch und Disziplinübergreifend weiter zu verbessern, modellbasierte Methoden im Engineering zu forcieren und die Zusammenarbeit über die Cloud zu ermöglichen. Insgesamt zeigt die Befragung, dass für die Anforderungen an die Produktion von Morgen und deren Engineering digitale Technologien und Tools als Lösungsstrategien gesehen werden, um den eingangs genannten Herausforderungen immer besser begegnen zu können. Dazu gehört beispielsweise die Nutzung digitaler Zwillinge bzw. Schatten, aber auch die automatisierte Orchestrierung von modularisierten Fertigungsprozessen. Ein reger Austausch zwischen Anwendern und Anbietern ist für die erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderungen unabdingbar. Wir hoffen mit dieser Untersuchung ein Stück dazu beigetragen zu haben und danken allen Beteiligten.

  • Die Fabrik der Zukunft ist smart – und funktional sicher. Functional Safety gewinnt im Engineering immer mehr Bedeutung.
  • Automationssysteme werden auf Modulen basieren und Module kapseln Funktionen, Technologien und Safety und müssen vertikal und horizontal integriert werden.
  • In Zukunft muss die Nutzung des digitalen Schattens ermöglicht werden, um die geforderte Flexibilität zu ermöglichen.
  • Effektive und effiziente Engineeringprozesse erfordern die datentechnische Durchgängigkeit von Werkzeugketten und die Integration von modellbasierten Methoden zur Generierung von Entwurfsartefakten.
  • Zur Umsetzung sind geeignete SW-Tools (in Zukunft auch in der Cloud), die diese Architekturen und Prozesse unterstützen, Standardisierung, Kollaborationsplattformen und entsprechende Kenntnisse erforderlich.

Danksagung

Wir möchten uns bei allen Beteiligten sehr herzlich bedanken: Bei den Befragten für ihre Zeit und die Bereitschaft, uns an ihrer Expertise teilhaben zu lassen. Bei der Firma logi.cals für die Unterstützung in der Entstehung, der Durchführung und der Auswertung der Ergebnisse. Bei der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg (Lehrgebiet Fabrikautomation in der Fakultät Maschinenbau) und Prof. Dr. Arndt Lüder für die wissenschaftliche Begleitung bei der Konzeption und Auswertung.

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