Die neue Ausbaustufe von ctrlX Automation steht unter dem Claim „Von der offenen Automatisierungsplattform zum industriellen Ökosystem.“ Wo liegt denn der Unterschied zwischen beidem?
Steffen Winkler: Die offene Plattform ctrlX Automation, mit der wir ursprünglich angetreten sind, war noch überwiegend von Rexroth geprägt. Schließlich hat im ersten Schritt nur eine sehr begrenzte Anzahl von Partnern oder Drittanbietern daran mitgewirkt und -gearbeitet. Die konsequente Offenheit stand hingegen von Beginn an im Fokus. Sie bildet die Grundlage dafür, dass sich die Plattform zu einem industriellen Ökosystem weiterentwickeln konnte. Dass dieser Wandel jetzt erfolgreich vollzogen wird, zeigt das große Netzwerk mit 44 Partnern in der ctrlX World. Es ist auch der Beweis dafür, dass unsere Automatisierungsplattform wirklich offen aufgesetzt und auf dem Markt positioniert ist.
Betrifft der Wandel von der Automatisierungsplattform zum Ökosystem auch das Spektrum der Anwendungen und Branchen, das ctrlX Automation adressiert?
Ganz klar. Die Entwicklung, die ctrlX Automation vollzogen hat, ist auch ein Enabler für neue Bereiche und Märkte. Dafür gibt es auch schon anschauliche Belege: Etwa die Partnerschaft mit Wago. Rexroth ist bei den eigenen I/Os fokussiert auf bestimmte Bereiche. Es wird nie unser Anspruch sein, ein so breites I/O-Portfolio anzubieten, wie es Wago tut. Doch durch die Zusammenarbeit wird ctrlX Automation jetzt auf einmal auch für die Gebäudeautomation interessant. Uns erreichen konkrete Anfragen und Ideen, um unsere Steuerung dort einzusetzen. Dafür erforderliche I/O-Module und Protokolle wie z.B. Bacnet oder KNX sind im ctrlX-I/O-Portfolio noch nicht vorhanden. Wago hingegen hat sie alle. Ein zweites Beispiel ist der Beitritt von IFM zur ctrlX World. Denn das Unternehmen ist nicht nur stark in der Produktion, sondern auch in mobilen Anwendungen – z.B. in Nutzfahrzeugen. Und obwohl Rexroth diesen Markt schon von jeher mit seinen Hydrauliklösungen adressiert, bietet die Partnerschaft spannende neue Ansatzpunkte.
Sehen Sie Grenzen, was das Potenzial von ctrlX abseits der klassischen Automatisierung angeht?
Kaum. Wir haben vom Start der Entwicklung Wert darauf gelegt, dass die Architektur von ctrlX Core möglichst flexibel ist. Von daher war prinzipiell klar, dass ctrlX Automation Einzug in vielen Branchen und Systemen halten kann. Das hat sich mittlerweile auch so bestätigt. Die Steuerung ctrlX Core wird selbst als Embedded-System schon direkt in Lösungen von Kunden oder Partnern integriert, etwa in kollaborativen Robotern. In welchen Bereichen sich diese Erfolgsstory noch fortsetzt, ist noch völlig offen. Weder in technologischer, noch in kreativer Hinsicht sehe ich grundsätzlich Grenzen. Die einzige Bedingung lautet: Der Einsatz muss für den Anwender von Vorteil und handhabbar sein. Und das stellen wir mit der Offenheit und der Einbindung von modernen Engineering-Methoden und Tools sicher.
Seit Jahren gewinnt die Software steigende Bedeutung in der Steuerungstechnik und Automatisierung. Wie wirkt sich das auf ctrlX aus?
Auch hier sehe ich quasi keine Grenzen für die weitere Entwicklung des Ökosystems. Der Grund ist abermals die Offenheit. Denn sie durchzieht ja auch das komplette Engineering und alle dort angesiedelten Prozesse. Und so gibt es hier viele neue Features – teils von uns, teils von Drittanbietern -, die wir im Rahmen der neuen Ausbaustufe vorstellen können. Dennoch lässt sich ctrlX Automation sowohl mit ganz modernen IT-Werkzeugen programmieren, z.B. Snap oder Docker, als auch mit den klassischen Methoden aus dem Maschinenbau wie Codesys und der IEC61131. ctrlX Automation ist also alles, nur nicht proprietär.
Bleiben wir bei der Programmierung: Lassen sich dauerhaft diese beiden – sehr unterschiedlichen – technologischen Seiten der Medaille gleichberechtigt bespielen?
Der Prozess hin zum flächendeckenden Einsatz von modernen IT-Entwicklungsmethoden wird sich im Maschinenbau sicherlich noch lange hinziehen. Obwohl wir mit ctrlX Automation alte Zöpfe abgeschnitten haben, wurde der klassische SPS-Entwickler nicht vernachlässigt. Wir haben im Ökosystem von ctrlX Automation bestehende Standards mit neuen Methoden und Tools angereichert. Auf diese Weise verbindet unsere Lösung zwei Welten. Schon jetzt lässt sich wunderbar beobachten, dass sich Software-Entwickler und SPS-Programmierer viel besser verstehen. Nehmen wir das Beispiel Codesys Soft Motion. Dieses Feature steht im ctrlX Store zum Download bereit und ist wunderbar mit neuartigen IoT-Funktionen in der Steuerung kombinierbar. Die klassische SPS ist letztlich also auch nur noch eine App und reiht sich nahtlos in das weitere Funktionsangebot ein.
Wenn es um Technologien und Methoden geht, gilt der Maschinenbau gemeinhin nicht als wandlungsfreudigste Branche. Sind klassische Programmierer durch Ihr Angebot schneller bereit, neue Engineering-Methoden auszuprobieren und anzuwenden?
Ja, ctrlX Automation kann den Übergang deutlich beschleunigen. Es geht ja oft gar nicht um wollen, sondern um können. Die meisten Mittelständler können eben nicht einfach so ihre komplette Entwicklung umkrempeln. Mit ctrlX Automation haben sie die Möglichkeit, es Schritt für Schritt zu tun – immer mit einer Fall-Back-Option. Viele Kunden gehen diesen Weg auch beim Einsatz der Hardware. Sie starten z.B. mit den Antrieben ctrlx Drive und wechseln erst im nächsten Schritt auf die ctrlX-Core-Steuerung, oder umgekehrt. Dadurch lässt sich neue Technologie stufenweise einführen. Das baut oft Berührungsängste ab.
Lassen Sie uns nochmal auf das Partnernetzwerk von ctrlX zurückkommen. Hier handelt es sich um eine heterogene Mischung: Vom großen Automatisierungs-Player bis zum kleinen Startup ist alles dabei. Findet sich hierin ein Beleg für die These von Industrie 4.0, dass man künftig verstärkt in Netzwerken bzw. Partnerschaften denken muss?
Genau das ist mein Gefühl. Die Industrie und mit ihr die Automatisierung befinden sich in einem Wandel. Das ist unbestreitbar. In der Folge gibt es viele gute Gründe, auf Plattformen wie ctrlX World zusammen zu arbeiten. Dass sich Automatisierer wie Wago, Turck, IFM und Weidmüller gemeinsam mit uns und Konzernen wie Nokia auf einer Bühne präsentieren – und sich konkret zu offenen Technologien bekennen – gab es bisher noch nicht. Das wirkt für den Wandlungsprozess wie ein Katalysator. Denn im Gegenzug erhalten alle Partner viel aus dem offenen Ökosystem zurück – Feedback und Erfahrungen genauso wie neue Marktzugänge oder Geschäftsmodelle.
Sehen das die Anwender auch so?
Ja. Ich kenne keinen einzigen Rexroth-Kunden, der von unserem Bekenntnis zu Offenheit enttäuscht ist. Ganz im Gegenteil. Anwender werden ja nicht zu neuer Technologie oder neuen Systemen gezwungen, sondern können ihren eigenen Weg in Richtung Industrie 4.0 bestimmen. So wie es die Prozesse zulassen. Diese sanfte Alternative bekommen sie sonst nirgendwo auf dem Markt. Die komplettierte Modellfamilie unserer Steuerungen deckt das Spektrum möglicher Anwendungen in der Industrie jetzt passgenau ab. ctrlX Automation ist erwachsen geworden.