Standardisierter Weg in die Echtzeit

Profinet und TSN sind Enabler für die Industrie 4.0

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis TSN (Time-Sensitive Network) seinen Weg in die breite Anwendung findet. TSN ist schon heute ein Teil des weltweit akzeptierten Ethernet-Standards und unterstützt bei weitem nicht nur Motion-Control-Applikationen. Gerade aktuelle - auf Ethernet basierende - Entwicklungen, wie 5G oder konvergente Netzwerke, greifen auf diese TSN-Mechanismen zurück. Daher müssen sich im Grunde alle Nutzer von Ethernet mit der Technologie auseinandersetzen. Profinet International (PI) weist hierbei den Weg.
Bild: PROFIBUS Nutzerorganisation

Die Experten von PI engagierten sich schon frühzeitig sowohl bei der Mitarbeit in den IEEE-Gremien als auch bei der Integration von Profinet. Wichtigster Aspekt aus Sicht der PI-Community war es zunächst, ein robustes und zuverlässiges TSN für die Industrie zu entwickeln. Nachdem die Kerntechnologie und Architektur stehen, geht es jetzt an die Detailarbeiten. So wird beispielsweise in diesen Tagen an einem Maintenance-Update für die Profinet-Spezifikation V2.4 gearbeitet. Die Community steht nicht still, wie die folgenden Beispiele zeigen.

 Die Erfassung von zusätzlichen Daten über verschiedene Wege ist essentiell für Industrie-4.0-Anwendungen.
Die Erfassung von zusätzlichen Daten über verschiedene Wege ist essentiell für Industrie-4.0-Anwendungen.Bild: Profibus Nutzerorganisation e.V. (PNO)

Immer größere Datenflüsse bewältigen

Für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie-4.0-Anwendungen werden mehr Daten aus dem Feld benötigt. Diese können zusätzlich von den bestehenden IO-Geräten über parallele TCP/IP-Kanäle oder durch zusätzliche Komponenten bereit gestellt werden, die für die industrielle Automation bis dahin fremd waren. Gleiches gilt für neue Edge-Applikationen. Auch diese Apps brauchen Daten aus dem Feld, die heute schon zur Verfügung stehen, aber weder vom Controller benötigt noch vom Anwender ausgewertet werden. Für diese grundsätzliche Anforderung von immer mehr TCP/IP-Daten parallel zu den IO-Daten brauchen Anwender eine zukunftssichere Lösung. Die Problematik dabei ist, dass ein solch zusätzliches Standard-Ethernet (TCP/IP) sehr große Datenpakete enthält und nicht echtzeitfähig ist. Liegen größere TCP/IP-Datenpakete vor, blockieren diese den Kommunikationsweg und es ist für Realtime-Datenpakete nicht möglich, diese zu überholen. Dies verzögert nicht nur die Auslieferung der Daten-Pakete in jedem Switch, sondern es kommt regelrecht zu einem Stau im Gerät. Eine Tunnelung von TCP/IP-Daten in den IO-Daten ist kein tragfähiger und zukunftssicherer Ansatz, da neben zusätzlichen Aufwänden in Hard- und Firmware die Kapazität durch die Umkopierperformance deutlich eingeschränkt ist. Außerdem ist bei einem Stopp der zentralen Steuerung, z.B. bei einer Inbetriebsetzung oder im Fehlerfall, gar kein Zugriff möglich – genau in dem Augenblick, in dem gerade zusätzliche Diagnosewege greifen sollten. Zukünftig ist also für die Einbindung von Daten ein robuster und flexibler Mechanismus notwendig. Hier kommt TSN ins Spiel, das die konvergente Nutzung eines gemeinsamen Ethernet-Netzwerks für IT- und OT-Anwendungen erlaubt.

 Die Priorisierung der verschiedenen Queues garantiert eine deterministische Übertragung
Die Priorisierung der verschiedenen Queues garantiert eine deterministische ÜbertragungBild: Profibus Nutzerorganisation e.V. (PNO)

Stand der Technologie

Inzwischen ist die Entwicklung und Integration der entsprechenden TSN-Mechanismen zur Nutzung in der heutigen Automatisierungswelt recht weit. Das gesetzte Ziel von PI, TSN als zusätzliche Layer-2-Technik in die Profinet-Architektur zu integrieren, ist mit der aktuellen Profinet Spezifikation V2.4 erreicht. Damit können sowohl Hersteller als auch Anwender die Vorteile von TSN, wie zukunftssichere IEEE-Ethernet-Technik mit höherer Bandbreite, Deterministik, flexible Netzwerkkonfiguration und große Chipvielfalt, interoperabel umsetzen. Die Hersteller eines Profinet-Feldgerätes bedienen sich dann einfach der entsprechenden Bausteine und Stacks oder fertiger Technologiemodule. Damit eröffnen sich neue Anwendungsbereiche und Hardware-Designs für Controller; zudem können Feldgeräte flexibler mit diesen Standardchips realisiert werden.

 Nur sehr wenige Parameter sind für das Engineering eines TSN-Netzwerkes notwendig. Die Berechnung der Parameter erfolgt automatisch.
Nur sehr wenige Parameter sind für das Engineering eines TSN-Netzwerkes notwendig. Die Berechnung der Parameter erfolgt automatisch.Bild: Profibus Nutzerorganisation e.V. (PNO)

Wer hat Vorfahrt?

Zwei Schwerpunkte, worauf bei der Entwicklung von TSN und dessen Einbindung in Profinet geachtet wurde, sollen hier detaillierter beschrieben werden. Ein Designprinzip ist, dass es bei der Datenübertragung keinen Telegrammverlust (Zero Congestion loss) gibt. Nur so ist eine hohe Performance aller Teilnehmer in der Leitung und eine einfache Anwendung in Echtzeit möglich. Es ist leider nicht damit getan, die Pufferkapazitäten in den Bridges beliebig zu erhöhen. Zum einen ist dies schlicht zu teuer, gerade bei einfachen Anwendungen ist dies ein Ausschlusskriterium. Zum anderen entstehen dadurch Schwankungen im Netzwerk. Und schlussendlich wird man irgendwann an den Punkt kommen, dass auch diese Pufferkapazitäten nicht mehr ausreichen. Bei der Profinet- und bei den IEC/IEEE-Spezifikationen wurde dies u.a. durch eine geschickte Zuordnung von Pufferkapazitäten in Abhängigkeit von Zeiten gelöst. Dies geschieht über eine definierte Weiterleitung von Daten und deren Priorisierung. Außerdem wird durch den sogenannten Preemption-Mechanismus ein langes niederpriores Telegramm unterbrochen und nach den garantierten Echtzeitdaten wieder automatisch fortgesetzt.

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