Zu den Anlagen von SHL für die Oberflächenbehandlung zählen flexible Einzelroboterzellen, Schleif-, Polier- und Entgratzellen sowie komplette Fertigungszellen inklusive des gesamten Material-Handlings für werkstück- und werkzeuggeführte Anwendungen. Kunden erhalten damit in puncto Oberflächenbehandlung alles aus einer Hand. Der Hauptsitz von SHL liegt in Böttingen, eine Gemeinde in Baden-Württemberg, die zum Landkreis Tuttlingen gehört. In den vergangenen Jahrzehnten hat sie sich zu einem Industriestandort mit dem Schwerpunkt Metallverarbeitung entwickelt. Mit einer Fertigungstiefe von 95 Prozent beliefert SHL Anwender aus unterschiedlichen Branchen. Ob Armaturen und Möbelgriffe für Bad und Küche, Kurbelwellen für die Automobilindustrie oder Titan- und Keramikimplantate für die Medizin: Sämtliche Werkstücke müssen während ihres Produktionsprozesses geschliffen, poliert und entgratet werden. Aufgrund des Einsatzes von Robotik, die sich durch eine hohe Flexibilität und schnelles Umrüsten auszeichnet, lassen sich die Kosten der Fertigungsabläufe wegen der besseren Taktzeiten senken. Doch die kürzeren Taktzeiten und die Bewegungsvorgänge führen zu mehr Verschleiß, beispielsweise bei Schleifring-Übertragern, die für die Weiterleitung der Ethernet-Daten zwischen den beweglichen Anlagenelementen verwendet werden. Daraus resultieren Stillstandzeiten, die nicht voraus- oder einplanbar sind.
Bislang stör- und verschleißanfälliger Datenaustausch per Schleifring
Zur Oberflächenbearbeitung müssen die Werkstücke um 360° Grad schwenkbar sein. Zu diesem Zweck kommen Rundtische mit Schwenkeinheiten zum Einsatz. Eine solche Anlage besteht aus drei Bereichen für die verschiedenen Bearbeitungsschritte: das Einlegen des Werkstücks auf den Träger sowie zunächst die Bearbeitung des Werkstücks durch Schleifroboter mit grober Körnung und abschließend mit feiner Körnung. Der Rundtisch, der einen Durchmesser von etwa 6m aufweist, dreht das Werkstück entsprechend zur nächsten Bearbeitungsstation. Die Profinet-Daten der Sensoren und Aktoren zum Spannen der Werkstücke auf den Trägern wurden bislang über Schleifringe in den drei endlos drehenden Achsen übertragen.
NearFi-Technologie für den Datenaustausch
Als Bereichsleiter Konstruktion verantwortet Bernhard Mattes den Anlagenbau im Werk Böttingen. Er berichtet: „Für die Konstruktion eines neuen Rundtisches habe ich mich nach Alternativen zum herkömmlichen stör- und verschleißanfälligen Datenaustausch per Schleifring umgesehen. Sie haben die Eigenschaft, dass gerade bei der Ethernet-Übertragung Kommunikationsstörungen auftreten. Wolfgang Züfle, unser Ansprechpartner bei Phoenix Contact, hat mich auf die kontaktlose NearFi-Technik zum funkbasierten Datenaustausch aufmerksam gemacht und sie mir vorgestellt. Dabei habe ich schnell erkannt, dass sich die NearFi-Koppler bestens für unsere Anwendung eignen.“ An jeder Drehachse des Rundtisches für die drei endlos drehenden Schwenkeinheiten ist nun je ein NearFi-Koppler-Paar montiert. Die Geräte versorgen Profinet-Ventilinseln, an die Sensoren und Aktoren zum Spannen des Werkstücks angeschlossen sind, mit der notwendigen Energie. Darüber hinaus leiten sie das Profinet-Protokoll latenz- und verschleißfrei über einen Luftspalt an die Steuerung weiter.
Inbetriebnahme ohne Konfigurationsaufwand
Zur kontaktlosen Übertragung von Daten und Energie bedarf es stets zweier Geräte – einen Base- und einen Remote-Koppler. Diese lassen sich aus beliebigen Richtungen ebenso wie rotierend zueinander führen. Außerdem muss der Anwender die Geräte nicht exakt zentrieren; sie können sich mit einem Versatz oder einem tangentialen Winkel gegenüberstehen. Das verringert die Präzisionsanforderungen an die mechanische Bewegung von zwei unabhängigen Anlagenteilen. Im Gegensatz dazu sind bei einem Steckverbinder Stecker und Buchse genau zu positionieren, weil ansonsten die empfindlichen Stifte beschädigt werden. Die umlaufende optische Signalisierung mit leuchtstarken LEDs zeigt die Betriebsbereitschaft der Koppelstrecke aus jedem Raumwinkel an.
Durch die Nutzung der NearFi-Koppler reduzieren sich Serviceeinsätze und Wartungskosten entfallen, was die Anlagenverfügbarkeit erhöht. Sinkende Aufwände und verbesserte Produktionsprozesse verkürzen die Amortisationszeit der Geräte deutlich. „Ein weiterer Vorteil der NearFi-Lösung liegt in der einfachen Inbetriebnahme ohne Konfigurationsaufwand. Die Geräte müssen lediglich mit einer 24V- und Profinet-Leitung angeschlossen werden und schon baut sich die Verbindung in wenigen Millisekunden auf“, erklärt Bernhard Mattes. Die NearFi-Koppler kommunizieren das Ethernet-Protokoll mit 100MBit/s vollduplex und transparent.
Ethernet-Kommunikation ohne nennenswerte Latenz
In der industriellen Automatisierung basiert der Datenaustausch heute in der Regel auf Ethernet mit einer Datenrate von 100MBit/s. Bei einigen Übertragungsstandards – zum Beispiel Profinet IRT oder Ethercat – handelt es sich um sogenannte Echtzeitprotokolle, die eine Datenweiterleitung mit besonders niedriger Latenz erfordern. Die NearFi-Technologie ermöglicht eine kontaktlose und protokollunabhängige Ethernet-Verbindung ohne nennenswerte Latenzzeiten. Da die funkbasierte Datenkommunikation im Nahfeldbereich über einen geringen Abstand erfolgt, entsteht kein Störspektrum im Umfeld der Geräte, sodass sich zahlreiche NearFi-Systeme parallel verwenden lassen sowie eine Koexistenz mit vorhandenen Funktechnologien – beispielsweise Bluetooth und WLAN – gegeben ist. Die Koppler übertragen 50W Energie (24V, 2A) sowie Echtzeit-Ethernet-Daten über einen Luftspalt im Zentimeterbereich. NearFi ermöglicht sogar eine kontaktlose Energie- und Datenweiterleitung durch nicht-metallische Materialien hindurch. Das Produktportfolio von Phoenix Contact umfasst seit mehr als 20 Jahren Wireless-Produkte. Die NearFi-Koppler erweisen sich dabei als gute Lösung für rotierende Anwendungen, bei denen Schleifringe für die Ethernet-Kommunikation zu störanfällig sind und zu häufigen Maschinenausfällen führen.
• Ethernet in Echtzeit: NearFi leitet Ethernet-Daten mit einer Datenrate bis 100Mbit/s latenzfrei weiter.
• Protokollunabhängigkeit: Anwender können alle bekannten Ethernet-Protokolle nutzen. Auch zukünftige Ethernet-Entwicklungen lassen sich mit NearFi problemlos übertragen, was die Technologie zu einer langfristigen Investition macht.
• Induktive Energieweiterleitung: Die Koppler ermöglichen ebenfalls einen induktiven Energieaustausch. Aufgrund der aktiven Regelung wird die Leistung über den gesamten Arbeitsbereich konstant bei 50W gehalten.
• Immunität gegen elektromagnetische Störungen und andere Funksysteme im Umfeld: Da die Funkkommunikation im Nahfeldbereich über einen geringen Abstand erfolgt, entsteht kein Störspektrum in der Umgebung der Geräte, sodass sich zahlreiche NearFi-Systeme parallel verwenden lassen und eine Koexistenz mit vorhandenen Funktechnologien gegeben ist. Auch industrielle Störspektren können die NearFi-Technologie nicht beeinflussen.
• Hohe Montagefreiheit: Die NearFi-Koppler können aus beliebigen Richtungen oder rotierend zueinander geführt werden. Sie müssen sich nicht exakt übereinander befinden: Es ist möglich, dass sie sich mit einem Versatz oder tangentialen Winkel gegenüberstehen.