Altes Prinzip, neue Technik

Infrarot-Touchscreens? Das sind doch die hässlichen, im Sonnenlicht unbedienbaren Touchscreens mit den dicken Rahmen, die man von Fahrkartenautomaten kennt! Multitouch, Gesten? Gibt es nicht! Doch eine neue Technik greift jetzt das altbekannte Prinzip der Lichtschranke auf und transferiert es in die aktuelle HMI-Technik.
Bild: Neonode

Die Infrarottechnik für Touchscreens blickt auf eine lange Geschichte zurück. Das Prinzip ist simpel: in x- und y-Richtung des Bildschirms wird ein Lichtgitter aufgespannt, bei dessen Unterbrechung jeder eindringende Gegenstand detektiert und dessen Position ausgewertet werden kann. Diese Technik ist einfach, robust und sie hat den Vorteil, vom Display getrennt zu sein. Sie wird dort verwendet, wo Displays extremen Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind, z.B. durch Umgebungstemperaturen oder Vandalismus. Beispiel sind Fahrkarten- und Bankautomaten. Es gibt jedoch einige Nachteile. Mit der Diagonale steigt die Anzahl an IR-Emittern und Detektor-Dioden sowie die Stromaufnahme. Helles Umgebungslicht, wie das zu manchen Tageszeiten direkt einfallende Sonnenlicht, überlagert sich mit dem Nutzsignal und blendet die Fotodioden, die das Signal empfangen sollen. Da der Touchscreen hinter der Frontplatte montiert wird, liegt das Display relativ tief im Gehäuse, wodurch die Randbereiche bei schrägem Blickwinkel schlecht ablesbar werden. Ein neuer Ansatz der bekannten Technik vermeidet diese Nachteile und bietet gleichzeitig ein modernes Bedienkonzept.

 Der Einsatz von zForce eignet sich z.B. für die Monitore bildgebender Verfahren in der Medizintechnik.
Der Einsatz von zForce eignet sich z.B. für die Monitore bildgebender Verfahren in der Medizintechnik.Bild: Neonode

Infrarot-Laser mit Reflexion

Die Neuentwicklung zForce bringt Sender und Empfänger nebeneinander in einem streifenförmigen Gehäuse unter, das nur auf einer Längsseite des Displays montiert werden muss. Sie wertet nicht die Unterbrechung eines Lichtvorhangs, sondern die Reflexion des emittierten Lichts durch einen Gegenstand in Sichtweite aus. Die Erkennung von Mehrfingerfunktionen und Gesten erledigt der eingebaute Controller. Das bietet gegenüber PCAP-Touchscreens mehrere Vorteile: Die Bedienung muss nicht mit einem leitfähigen Gegenstand erfolgen. Gegenüber elektromagnetischen Feldern und hellem Umgebungslicht ist sie unempfindlich.

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Systemintegration des Sensors

Bei Infrarot-Touchscreens ist der Sensor mit dem Gehäuse verbunden, aber nicht zwangsläufig mit dem Display verklebt. Die Displayoberfläche liegt hinter Frontplatte, Touchsensor und Schutzglas weit innen im Gerät. Um den gesamten Display-Inhalt einzusehen, muss der Benutzer geradlinig vor dem Gerät stehen. Für die Integration des zForce-Sensors gibt es mehrere Möglichkeiten. Er kann entweder bündig mit dem Gehäuse oder außen auf dem Gehäuse montiert werden. Oberhalb des Displays können Ablagerungen wie Staub und Wasser die Funktion nicht beeinträchtigen. Das Display rückt näher nach vorne im Gerät.

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In vielen Applikationen einsetzbar

Die zForce-Technik eignet sich für den Einsatz in rauen Umgebungen im Innen- und Außenbereich, wo andere Touch-Prinzipien versagen. Sie kann auch zur Nachrüstung existierender Systeme verwendet werden. Durch den weiten Temperaturbereich ist der Einsatz in industrieller Umgebung problemlos möglich. Die Bedienung kann mit jedem Gegenstand erfolgen, der Licht reflektiert, also auch mit Schutzhandschuhen, Kreditkarten und Stiften. Selbst mit nassen oder schmutzigen Händen oder langen Fingernägeln ist eine Bedienung einfach. Da der Touchsensor außerhalb des Displays montiert wird, kann das Display ohne Rücksicht auf den Touchscreen vor den Umgebungsbedingungen geschützt werden. Gegenüber eingestrahlten elektromagnetischen Störungen ist der Touchsensor unempfindlich. Daher kann er in Nutzfahrzeugen, landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen mit großen elektrischen Antrieben eingesetzt werden. Das Funktionsprinzip erlaubt es, die Displayoberfläche mit einer Abschirmung gegen Abhören zu versehen oder in einer empfindlichen Umgebung nicht durch Strahlungen zu stören. Der Schutz funktioniert auch nach innen: Die Display-Öffnung als Einfallstor für elektrische Störsignale kann abgedichtet werden. Als Smart Sensor, z.B. an einer Arbeitsplatte aus Holz oder Stein, kommt der Sensor auch ohne Display aus. Die Kosten skalieren gut mit der Größe des Bildschirms, da im Gegensatz zum IR-Touchscreen nur eine Dimension abgedeckt werden muss. Sogar das ist kein Muss: Mit einem selektiven Touchbereich kann z.B. das On-Screen-Menü eines Großbildschirms in einer unteren Ecke bedient werden, ohne dass der Touchsensor die gesamte Breite des Bildschirms abdecken muss.

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