Energiemanagementsystem bringt Skifahrer sicher auf den Berg

Ski-Spaß trotz Stromausfall

Graubündens größtes Schneesportgebiet Arosa Lenzerheide hat eine weitere Attraktion: Seit dem 21. Dezember 2019 befördert die neue, rund 8Mio. Schweizer Franken teure 6er-Sesselbahn die Ski-Gäste nicht nur schneller, sondern auch bequemer auf den 2.444m hohen Gipfel Brüggerhorn. Von dort aus können die Skifahrer die Abfahrt auf der Panoramapisten von Arosa starten.
 Aktives Energiemanagement mit dem DSM4.0 von Koch sorgt in Arosa Lenzerheide für bequemes und sicheres Liftfahren.
Aktives Energiemanagement mit dem DSM4.0 von Koch sorgt in Arosa Lenzerheide für bequemes und sicheres Liftfahren.Bild: Arosa Tourismus – Nina Mattli

Kurz vor ihrem 50-jährigen Jubiläum wurde die 49 Jahre alte 2er-Sesselbahn Brüggerhorn im schweizerischen Arosa am 7. April 2019 verabschiedet. Mit dem Kultcharakter der nostalgischen Bahn ging auch die Ära ‚Genussfahrten‘ zu Ende. Der Abbau startete umgehend nach der letzten Fahrt am 7. April. Unmittelbar danach begann der Bau der neuen, innovativen 6er-Sesselbahn im Porsche-Design. Es ist nicht nur das Design der Stationen und Sessel, sondern auch die Technik, die in der Talstation eingebaut ist. Dort werden die Sessel vom Zugseil getrennt und durch so genannte Förderer erst zum bequemen Einstieg abgebremst und nach der Kehre wieder auf die Geschwindigkeit des Zugseils beschleunigt. Frequenzumrichtergespeiste Antriebe sorgen dabei für geschmeidige Übergänge. Mit dabei ist ein aktives Energiemanagementsystem von Michael Koch.

Speicher-Manager DSM 4.0: Sorgt für einen netzunabhängigen Betrieb.
Speicher-Manager DSM 4.0: Sorgt für einen netzunabhängigen Betrieb.Bild: Michael Koch GmbH

Elektrisch betriebene Förderer schneller und energieeffizienter

Für die neue Sesselbahn sprach einerseits die schnellere Beförderung der Fahrgäste und andererseits das Ziel der Betreiber, eine höhere Energieeffizienz der Anlage zu erzielen. Die Bremsenergie die beim Abbremsen der Sessel in der Talstation entsteht, kann nämlich sinnvoll genutzt werden. Dies passiert auf erstaunlich einfache Weise mit den aktiven Energiemanagementgeräten von Koch, die die Bremsenergie aufnehmen und bei Bedarf direkt wieder an die Anlage zurückgeben. Energieeffizienz ist ein aktuell wichtiges Thema, und zwar in allen Bereichen: Einerseits schont sie den eigenen Geldbeutel und andererseits wird durch ihre Steigerung auch der Umwelt etwas Gutes getan. Eine Win-win Situation für Mensch und Maschine. Im Winter befördern die 42 neuen, bequemen 6er-Sessel bis zu 1.600 Personen pro Stunde mit einer Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde in knapp fünf Minuten Fahrzeit auf das Brüggerhorn. Vorher konnten in einer Stunde nur 800 Personen in 12 Minuten bei 2,7 Metern pro Sekunde befördert werden. Die maximale Motorenleistung der Gesamtanlage der neuen Bahn mit einer Gesamtstrecke von 1.337m in schräger Lage mit einer Höhendifferenz von 430m beträgt 470kW. Das Förderseil der Anlage ist 2,7km lang, wiegt 21t und ist satte 46mm dick. Die Bahnanlage wurde darüber hinaus für die Nachtfahrtauglichkeit ausgerüstet. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, die Sesselbahn für abendliche Anlässe wie Vollmond-Skifahren zu nutzen. Die Erbauer der Anlagensteuerung, die schweizerische Sisag, legte bei der Auslegung der Antriebssysteme der Sesselbahn mit dem neuen System der Förderer in der Talstation besonderes Augenmerk auf den Fall eines Stromausfalls. Was passiert dann mit der Anlage und den Fahrgästen? Zwei Ziele standen im Vordergrund: Bei einem Stromausfall während des Betriebs soll ein gesteuertes Abbremsen der Sessel in der Talstation erreicht werden und zwar ohne Frequenzumrichter-Fehler, durch die die Motoren der Förderer sofort drehmomentlos werden würden. Denn ein abrupter Stopp würde bei den Umrichtern aufgrund Überspannung zu einer Notabschaltung führen, die Antriebe würden austrudeln. Das zweite Ziel war, die generatorische Energie der einzelnen Förderer im Regelbetrieb der Anlage nicht durch Bremswiderstände zu vernichten, sondern diese zu rekuperieren und damit nutzbar zu machen. Früher üblich war der Einsatz eines einfachen Bremswiderstandes für das Abbremsen in Kombination mit einer wartungsintensiven unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) auf der Drehstromseite. Wird die USV technisch nicht korrekt ausgelegt und gepflegt, steigt das Risiko der Fehlfunktion und die Förderanlage kommt im Fall einer Stromunterbrechung zu einem unsanften Stopp. Das muss auch besser gehen, meinte ein Sisag-Mitarbeiter und suchte nach passenden Lösungen, die er auf der Homepage von Michael Koch fand. Nach einem kurzen Gespräch und einem internen Applikationsengineering legte Koch Sisag eine anlagenindividuelle Energiemanagementsystem-Lösung vor, die nach einer ersten internen Prüfung bei Sisag optimiert und für gut befunden wurde. Der Einsatz in der neuen Brüggerhorn-Sesselbahn war beschlossene Sache. Tritt nun während des Bahnbetriebs ein Netzausfall ein, ist dies mit dem direkt auf die Frequenzumrichter wirkenden aktiven Energiemanagementsystem kein Problem mehr.

KTS bezeichnet die aktiven Energiemanagementsysteme mit Spitzenleistungen bis weit über 100kW und bis 1,8MJ Energie.
KTS bezeichnet die aktiven Energiemanagementsysteme mit Spitzenleistungen bis weit über 100kW und bis 1,8MJ Energie.Bild: Michael Koch GmbH

Kontrollierter Stopp und problemloser Wiederanlauf

Fällt die Stromversorgung aus dem Netz aus, benötigt die Förderanlage der Talstation, die antriebstechnisch in keinem direkten Zusammenhang mit dem Hauptantrieb des Zugseils steht, unmittelbar für eine kurze Zeit die höchste Leistung. Beim Applikationsengineering ging Koch vom Worstcase-Szenario aus und berechnete für den Verbund der eingesetzten Frequenzumrichter eine Spitzenleistung von 19kK. Die benötigte Energie beträgt 26,2kWs für einen kurzen Zeitraum von 1,4s, um die Sesselbahn auch in der Förderanlage in einen kontrollierten Stopp zu fahren – und zwar so, dass es sowohl für Anlage und die sich darin befindlichen Personen reibungslos abläuft. Das aktive Energiemanagementsystem besteht in dieser Anwendung aus einem dynamischen Speicher-Manager DSM 4.0 und fünf Doppelschichtkondensator-Modulen, auch Supercap-Module genannt, als Speichermedien. Mit dieser Lösung wird sichergestellt, dass die benötigte Energie von 26,2kWs ständig verfügbar ist. Des Weiteren führt das System zu einer Energieeinsparung von rund 3,6kWs pro Tag, da die anfallende generatorische Bremsenergie beim Beschleunigungsvorgang der Sessel in die Bahn wieder zur Verfügung gestellt wird. Bei Anlagen, z.B. bei Gondelbahnen, mit denen Passagiere auch abwärtsfahren und somit mehr Tallast entsteht, kann noch deutlich mehr Energie eingespart werden. Trotz fehlender Stromversorgung werden im Falle eines Netzausfalls alle Förderanlagen-Antriebe der Sesselbahn durch den DSM 4.0 weiter mit der benötigten Energie versorgt. Nachdem der Strom aus dem Netz wieder zur Verfügung steht, kann die Anlage sofort wieder problemlos in Betrieb gesetzt werden. Gleichzeitig wird das aktive Energiemanagementsystem für den nächsten Stromausfall wieder schonend aufgeladen, um die Ladeschaltung des Frequenzumrichtersystems nicht zu überlasten.

Kommt es beim Sesselbahnfahren zum Netzausfall, können sich die Fahrgäste sicher fühlen, da das Energiemanagementsystem DSM 4.0 die Anlage in der Talstation in einen sicheren Stopp fährt.
Kommt es beim Sesselbahnfahren zum Netzausfall, können sich die Fahrgäste sicher fühlen, da das Energiemanagementsystem DSM 4.0 die Anlage in der Talstation in einen sicheren Stopp fährt. Bild: Arosa Tourismus – Nina Mattli

Verbindung zwischen Speicher und Frequenzumrichter

Frequenzumrichter oder Servoregler sind in der elektrischen Antriebstechnik die befehlsgebende Instanz in einem elektrischen Antriebsystem. Da solche Geräte den Wechselstrom aus dem Netz erst in Gleichstrom und diesen dann in den passenden Wechselstrom für den Motor umwandeln, werden sie Frequenzumrichter genannt. In der Folge erzeugt dann dieser ‚umgerichtete Wechselstrom‘ im Antrieb die gewünschte Richtung und Geschwindigkeit. Für die Funktionalität des Umrichters ist daher das Management des Energieniveaus bzw. -haushalts von großer Bedeutung. Genau hier setzt das Energiemanagementsystem an: Es steuert den Energiehaushalt des Stations-/Fahrzeugförderer der Talstation. Es wird auf Wunsch des Kunden als komplette Turnkey-Schaltschranklösung (KTS) geliefert. Der DSM 4.0 ist jedoch das Herz des ganzen Systems und die aktive Verbindung zwischen elektrischen Speichern und dem internen Gleichstromnetz des Umrichters. Was auch immer der Energiehaushalt des Umrichters dem DSM 4.0 an Aufgaben stellt, der dynamische Speicher-Manager führt sie so schnell aus, dass es für die Maschine quasi unbemerkt abläuft. Der DSM 4.0 sorgt in jeder Situation dafür, dass die optimale Leistung über die Zeit zur Verfügung steht. Und zwar in beide Richtungen: Antreibend oder bremsend.

Sichere Ankunft der Ski-Gäste in der Bergstation in Arosa durch den dynamischen Speicher-Managers DSM 4.0. Zudem spart die Anlage noch 3,6kW im Tagesdurchschnitt.
Sichere Ankunft der Ski-Gäste in der Bergstation in Arosa durch den dynamischen Speicher-Managers DSM 4.0. Zudem spart die Anlage noch 3,6kW im Tagesdurchschnitt. Bild: Arosa Tourismus – Nina Mattli

Die Applikation entscheidet über Speichermedium und Auslegung

Wenn der Frequenzumrichter wegen des Netzausfalls nicht mehr ausreichend mit Energie versorgt wird, übernimmt der DSM 4.0 diese Funktion und hält den Antrieb gemäß der definierten Vorgabe aus seinen Speichern heraus am Laufen. Im beschriebenen Anwendungsfall sind Supercaps als Speichermedium wegen der hohen Energiedichte und kurzen Lade-/Entladezeiten am besten geeignet. In anderen Fällen können auch Speichermedien wie Batterien oder Elektrolytkondensatoren zum Einsatz kommen. Es entscheiden die Applikationsanforderungen in Sachen Leistung und Zeitdauer. Der DSM 4.0 beherrscht die energetischen Aufgaben und die entsprechenden Speichertypen gleichermaßen. Er neutralisiert Spannungsschwankungen sowie ungeplante oder auch geplante Netzunterbrechungen. Die aktiven Energiemanagementsysteme stellen somit in der beschriebenen Anwendung sicher, was die elektrische Sesselbahn zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch im Fall eines Spannungseinbruchs braucht: Die stets passende notwendige Energiemenge. Die konkrete technische Auslegung erfolgt über Simulationen der realen Belastungsprofile in der konkreten Systemumgebung. Koch bietet hierfür ein Tool an, das im Internet frei verfügbar ist. Nach Eingabe einiger weniger Anwendungsparameter ermittelt das Tool einen ersten Lösungsvorschlag, der dann Grundlage für die weitere Definition des passenden Systems darstellt. Anwendungsspezifisch stellt Koch durch sein erfahrenes Vertriebsteam die Konfiguration zusammen und liefert komplett mit Speicher und Absicherung aus. In enger Zusammenarbeit mit dem Kunden wird dabei auf der Grundlage eines Worstcase-Szenarios, das ausgiebig untersucht und analysiert wird, die endgültige System-Konfiguration festgelegt. Im konkreten Fall wird die Bedingung, dass die Sesselbahn bei Netzunterbrechung zum kontrollierten Stillstand kommt und danach wieder problemlos anfährt, in jeder Situation erfüllt.

Plug&Play im besten Sinn

Die einzelnen Geräte und Komponenten werden in Bezug auf den definierten Einsatzfall konfiguriert und die Parameter schon direkt ab Werk abschließend eingestellt. Eingängige Tests der einzelnen Produktionsschritte und eine umfassende Abschlussprüfung vor der Auslieferung gewährleisten ein sicher funktionierendes aktives Energiemanagementsystem. In dieser Art ausgeliefert, braucht es vor Ort bei der Montage nur noch elektrisch angeschlossen werden und schon ist das System aus dynamischen Speicher Managern DSM 4.0 und Doppelschicht-Kondensatormodulen betriebsbereit. Es ist also weder eine aufwändige Inbetriebnahme noch Programmieraufwand notwendig. Kurz: Echtes Plug&Play! Nach der Montage und elektrischer Verbindung kann es direkt losgehen. Die Projektrealisierung erfolgt mit minimiertem Aufwand. Es ist eine sehr konkret auf die Anwendung zugeschnittene Lösung, oder mit anderen Worten eine Realisierung zu optimierten Kosten. Dazu kommt, dass der Betrieb der aktiven Energiemanagementsysteme wartungsfrei ist. Sollte sich doch unerwarteter Weise ein Problem im System oder bei einer Komponente ankündigen, dann meldet sich der DSM 4.0 und weist Industrie 4.0-tauglich auf mögliche kommende Risiken hin.

Michael Koch GmbH
http://www.bremsenergie.de

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