Grundlagen: Bürstenlose Motoren mit genuteter Wicklung (Teil 2/2)

Sättigung bei hohem Drehmoment und Strom

Bürstenlose Motoren mit genuteter Wicklung - also mit Eisenkern - sind zwar kräftig, weisen aber eine hohe Induktivität auf. Wie sehr weichen die Daten solcher Motoren vom idealen linearen Verhalten ab? Während es im ersten Teil dieses Grundlagenartikels um den Einfluss hoher Induktivität ging (SPS-MAGAZIN 3/2020), beleuchtet der zweite Teil den Effekt der magnetischen Sättigung im Eisenkern bei hohen Strömen.
 Die blaue Linie skizziert den zusätzlichen magnetischen Fluss aufgrund der Magnetisierung des Eisenkerns bei kleinen Strömen. Der gesamte magnetische Fluss wird durch die rote Linie dargestellt. Deren Steigung - und damit die Drehmomentkonstante des Motors - ist größer als im eisenlosen Fall.
Die blaue Linie skizziert den zusätzlichen magnetischen Fluss aufgrund der Magnetisierung des Eisenkerns bei kleinen Strömen. Der gesamte magnetische Fluss wird durch die rote Linie dargestellt. Deren Steigung – und damit die Drehmomentkonstante des Motors – ist größer als im eisenlosen Fall.Bild: maxon motor gmbh

Im Gegensatz zu den klassischen eisenlosen Motoren haben die Flachmotoren und die EC-i-Motoren von Maxon eine Wicklung mit Eisenkern. Das ergibt einen höheren Magnetfluss der Wicklung, und der Motor wird stärker. Im ersten Teil des Artikels ging es darum, wie die hohe Induktivität die Stromantwort verlangsamt. Bei hohen Drehzahlen ergeben sich Abweichungen vom einfachen linearen Verhalten der Motoren mit eisenloser Wicklung. Der zweite Teil behandelt nun in vereinfachter Darstellung die Effekte der magnetischen Sättigung bei hohen Strömen. Der Eisenkern kann den Magnetfluss nur bis zu einer bestimmten Grenze verstärken; darüber findet keine Verstärkung des Magnetflusses der Wicklung mehr statt. Das resultierende Anhaltemoment des Motors weicht von einer einfachen linearen Extrapolation der Kennlinie ab. Maxon stellt im Moment alle Motordaten ohne Berücksichtigung der Sättigung dar.

 Sättigung des Eisenkerns (blaue Linie): Bei höheren externen 
Feldern aufgrund des Wicklungsstroms trägt der Eisenkern nichts mehr zur Magnetisierung bei. Der totale Fluss und damit das 
Motordrehmoment steigt weniger steil an.
Sättigung des Eisenkerns (blaue Linie): Bei höheren externen Feldern aufgrund des Wicklungsstroms trägt der Eisenkern nichts mehr zur Magnetisierung bei. Der totale Fluss und damit das Motordrehmoment steigt weniger steil an. Bild: maxon motor gmbh

Magnetische Flussdichte einer Spule

Der magnetische Fluss einer konventionellen Wicklung ist proportional zur Anzahl Windungen multipliziert mit dem Strom im Draht. Ein höherer Strom bedeutet eine höhere Flussdichte, und für den Motor wird mehr Drehmoment erzeugt. Die Drehmomentkonstante des Motors drückt diese Proportionalität zwischen Strom und Drehmoment aus. Platziert man weichmagnetisches Eisen in ein externes Feld (erzeugt z.B. durch eine Spule um den Eisenkern), magnetisiert sich das Eisen, d.h., die internen magnetischen Momente richten sich nach und nach entlang des äußeren Feldes aus. Diese Magnetisierung generiert einen zusätzlichen Magnetfluss, und im Motor wird zusätzlich Drehmoment erzeugt. Im Endeffekt bedeutet dies, dass die Drehmomentkonstante des Motors größer wird.

 Das angegebene Anhaltemoment entspricht dem linear errechneten Lastmoment (ohne magnetischen Sättigungseffekt), welches 
bei Nennspannung den Stillstand der Welle bewirkt.
Das angegebene Anhaltemoment entspricht dem linear errechneten Lastmoment (ohne magnetischen Sättigungseffekt), welches bei Nennspannung den Stillstand der Welle bewirkt. Bild: maxon motor gmbh

Interne magnetische Momente

Werden die Ströme größer, sättigt sich der Eisenkern im Magnetfeld der Spule. Sättigung bedeutet, dass alle internen magnetischen Momente des Eisens gänzlich ausgerichtet sind. Eine Erhöhung des äußeren Feldes (mehr Strom) hat keinen Einfluss mehr auf die Magnetisierung; es steigt nur noch der Fluss der Spule selber an. Anders gesagt: Um mehr Drehmoment aus dem Motor zu kriegen, ist viel mehr Strom nötig. Oder auch: Mit derselben Stromerhöhung wird nur wenig zusätzliches Drehmoment erzeugt. Die Drehmomentkonstante wird kleiner. Sättigung tritt bei hohen Strömen auf. Das bedeutet aber auch, dass die Abweichungen von den spezifizierten Werten nur im Kurzzeitbetrieb auftreten. Im Wesentlichen sind nur zwei Parameter betroffen: Anlaufstrom und Anhaltemoment.

 Erweitertes Betriebsbereichsdiagramm des EC-i 40, 70 W High Torque: Der Anhaltemoment ohne Sättigung 
liegt theoretisch bei 60A - das ist fast dreimal weiter rechts, als das gesamte Diagramm geht.
Erweitertes Betriebsbereichsdiagramm des EC-i 40, 70 W High Torque: Der Anhaltemoment ohne Sättigung liegt theoretisch bei 60A – das ist fast dreimal weiter rechts, als das gesamte Diagramm geht.Bild: maxon motor gmbh

Praktische Aspekte

Wie bedeutsam sind die Sättigungseffekte in Realität? Alle betroffenen Motoren haben eine sehr flache Kennlinie und entsprechend ein sehr hohes Anhaltemoment, verglichen mit dem Nennmoment. Vernünftige Überlastmomente bewegen sich höchstens bis etwa zum fünffachen Nennmoment. Zusätzlich sind die Spitzenmomente häufig durch die Maximalströme der Regler (z.B. Maxon Escon oder Epos) begrenzt. Die Tabelle vergleicht verschiedene Stromwerte von genuteten mehrpoligen EC-i-Motoren. Man erkennt: Die Anlaufströme liegen weit oberhalb, was die Standardregler an Maximalstrom liefern können. In realen Anwendungen können die spezifizierten Anlaufströme – und die entsprechenden Anhaltemomente – nicht erreicht werden. Allerdings können die Motoren mit dem Maximalstrom des Reglers noch immer massiv überlastet werden. Die Sättigung wird erst bedeutsam bei Strömen und Drehmomenten, die höher sind als das, was sinnvollerweise erreicht werden kann. Was man daraus lernen kann: In den meisten Anwendungen steht gar nicht genug Strom zur Verfügung, um auch nur in die Nähe des Sättigungsproblems zu kommen. Sättigung ist keine wirkliche Herausforderung, außer es kommen ein Netzgerät und ein Regler zum Einsatz, die diese großen Ströme liefern können. Ob der Motor eine so hohe Überlast liebt, ist wiederum eine andere Frage.

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