Schaltschrank war gestern?

Seit Jahren werden in der Automatisierungs- und Antriebstechnik die Vor- und Nachteile zentraler und dezentraler Konzepte diskutiert. Aus heutiger Sicht gibt es zwar einen deutlichen Trend zugunsten dezentraler Lösungen, aber keinesfalls eine eindeutige Antwort für alle Anwendungen.

Im Gegenteil. Zentrale Lösungen bieten weiterhin gerade dort wesentliche Vorteile, wo z.B. Anlagen extremen Umweltbelastungen ausgesetzt sind, ein breites, möglichst Lieferanten-unabhängiges, Spektrum an unterschiedlichen Lösungen gefordert oder auch eine Mischbestückung mit Feldbus-Komponenten und konventioneller Technik gefragt ist. Dies gilt immer auch dann, wenn Leistungskomponenten mit Steuerungstechnik im Sinne mechatronischer Lösungen kombiniert werden. Hier ist der zentrale Schaltschrank als Systemlösung unangefochten die erste Wahl. Damit lassen sich hochwertige Komponenten gemäß den entsprechenden Schutzart-, EMV- und Klimatisierungsanforderungen aufbauen und angesichts der vielfältigen Gefahren des rauen Industriealltags umfassend schützen. Dezentrale Automatisierungslösungen werden dagegen häufig gleichgesetzt mit schaltschrank- oder gehäuseloser Automatisierung, was in dieser Form keinesfalls Gültigkeit besitzt.

Wirtschaftlichkeit und Schutz als zentrale Argumente

Gerade bei dezentralen Automatisierungskonzepten rücken neben robuster Elektrotechnik auch sensible Elektronik und Steuerungstechnik immer stärker in raue Prozessumgebungen. Dabei sind Lösungen gefordert, die mechanische Belastungen, EMV-Störgewitter, Staub- und Ölnebel bis hin zu permanenter Feuchtigkeit die Stirn bieten können. Hochwertige IP67-Komponenten, die diesen Bedingungen dauerhaft standhalten, sind heute am Markt nicht für alle Applikationen und auch zukünftig nur zu deutlich höheren Kosten als schaltschrankbasierte Komponenten verfügbar. Um auch hier die Installations- und Verbindungstechnik mit entsprechend hoher Schutzart zu realisieren, sind in der Regel herstellerbasierte Systemlösungen mit entsprechend vorbereiteten Komponenten erforderlich. Dort wo Unabhängigkeit vom Hersteller, Flexibilität und ein breites Spektrum an Geräten und Komponenten gefragt sind, stellt die Lösung in einem optimierten dezentralen Gehäuse weiterhin eine wettbewerbsfähige Alternative dar. Auch beim wachsenden Trend, mechatronische Funktionseinheiten aufzubauen und dabei unterschiedliche Komponenten von der Leistungselektronik über die elektrische und elektronische Steuerungstechnik bis zur SPS in einer Gesamtfunktion zu kombinieren, ist der dezentrale Aufbau in einem entsprechend optimalen Gehäuse auf lange Sicht die kostengünstigste Lösung. Diese Einschätzung bestätigen übrigens auch die Komponentenhersteller, die weiterhin mit einem sehr breiten Programm an schaltschrankbasierte Komponenten auf die Zukunft dieser Lösung setzen. Auch ihre technologischen Neuerungen führen diese in der Regel mit IP20-Komponenten in den Markt ein, bevor entsprechende IP67-Komponenten verfügbar sind. Gerade bei dezentralen Anwendungen in rauer Prozessumgebung sollte auch die Schutzwirkung des Gehäuses für die sensible Elektronik gegen rein mechanische Beschädigungen durch Stöße, Kollisionen oder ähnliches nicht vernachlässigt werden.

Koexistenz von IP67-Lösungen mit Kompakt-Systemschränken

Es wird im Zuge der Dezentralisierung in Zukunft sicher eine Koexistenz von IP67-Lösungen für spezielle Anwendungsbereiche mit der breiten Palette der gehäusebasierten Automatisierung geben. Dabei muss im Einzelfall die Wirtschaftlichkeit der Anwendungen unter den oben genannten Gesichtspunkten beurteilt werden. Auch Designaspekte, Gesichtspunkte wie Komponentenverfügbarkeit, Innovationszyklen, Anschaffungs- und Folgekosten usw., werden hierbei eine Rolle spielen. Dabei kommt es auf eine flexible, schnelle und einfache Bestückbarkeit der Gehäuse an. Rittal bietet hierzu mit seiner neuen Kompakt-Systemschrankbaureihe CM Compact Medium neue Gehäuselösungen für dezentrale Einsätze. Das System verbindet die Flexibilität eines Kompaktschrankes mit der Funktionalität und dem Zubehörreichtum des Großschaltschranksystem TS 8. Durch die verschweißte Rückwand lässt sich das System direkt an oder in eine Maschine integrieren. Auch die Servicefreundlichkeit einer Installation wird zukünftig eine entscheidende Rolle spielen. Die Wartung einer sauberen Installation nach Öffnen einer Gehäusetür ist sicher angenehmer als das Arbeiten an öligen Komponenten, die vielleicht von einer Schmutzkruste überzogen sind.

Schutz für Ethernet

Durch das zunehmende Zusammenwachsen der Automatisierungstechnik mit der IT-Technologie aus der \’behüteten\‘ Officeumgebung gelangen immer mehr Komponenten wie Server, Switches, Router, Patchpannels usw. in die industrielle Umgebung, die ursprünglich für die Büroumgebung konzipiert wurden. Hier sind Gehäuselösungen gefordert, die die industriellen Anforderungen nach Schutzart, Entwärmung, Installationskonzepten, sowie Kombination der IT-Komponenten mit klassischen Automatisierungskomponenten erfüllen. Hier hat Rittal mit dem Gehäuseprogramm RiLan Industrial eine auf diese Anwendungen spezifizierte Systemlösung entwickelt. Vorkonfektionierte RiLan Industrial-Verteiler sind für die unterschiedlichen aktiven Komponenten der Ethernet-Technologie verfügbar und unterstützen deren Installations- und Verdrahtungskonzepte in Verbindung mit den gewohnten Aufbau-Features der klassischen industriellen Automatisierungstechnik in einem Gehäusekonzept. Letztlich spielt gerade im Umfeld von IT-Lösungen in der industriellen Anwendung das Gehäuse als erste Stufe eines Security-Konzeptes eine wichtige, neue Rolle, in dem neben mechanischem Schutz auch durch zum Teil intelligente Schließsysteme mehrstufige Zugriffs-Kontrollkonzepte realisiert werden können.

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Rittal GmbH & Co. KG
http://www.rittal.de

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