1. Welche Komplexitätseffekte schaffe ich? Eine immer stärkere Vernetzung automatischer Systeme macht das dadurch entstehende Gesamtgebilde immer undurchschaubarer und unberechenbarer. Dies führt zu \’chaotischen\‘ Effekten wie etwa dem computerinduzierten Börsenabsturz am 6. Mai 2010 und zu unabsehbaren Risiken wie dem \’Jahr-2000-Problem\‘, dessen Kern im Grunde darin bestand, dass niemand wusste, ob wir eines hatten. Entkoppelung von Systemen kann ein Weg sein, diese Gefahr zu reduzieren.
2. Wie sehr sollte ich mich auf Technik verlassen? Wir überschätzen permanent unsere Fähigkeiten, technische Risiken zu beherrschen. Das zeigen Katastrophen wie Fukushima oder Deepwater Horizon, aber auch die Bankenkrise, die durch computergesteuerte Risikobewertungssysteme mit verursacht wurde. Etwas mehr Vorsicht und gesunde Skepsis im Umgang mit Technik täte uns gut.
3. Muss ich wirklich alles kontrollieren und automatisieren? Dort, wo Menschen selbst Entscheidungen treffen und diese an die lokale Situation anpassen können, steigt nicht nur (meistens) die Entscheidungsqualität, sondern vor allem auch das Selbstwertgefühl und Wohlbefinden der Menschen. Wir müssen lernen, Dinge wieder einfacher zu machen und statt vermeintlich \’unfehlbaren\‘ Computern mehr den Menschen zu vertrauen.
4. Welchen (unbewussten) Preis zahlen die Nutzer? Maschinen verlocken uns damit, uns alles leichter und angenehmer zu machen. Doch wer ein Navigationssystem benutzt, büßt bald seinen Orientierungssinn ein. Wer per Smartphone permanent erreichbar ist, opfert Muße und Entspannung. Das Ausmaß, in dem elektronische Unterhaltung immer mehr unsere Freizeit dominiert und Kreativität und menschlichen Dialog erstickt, ist bedenklich. Wenn wir irgendwann nur noch mit Maschinen kommunizieren, die uns – buchstäblich – jeden Wunsch von den Augen ablesen, hören wir womöglich auf, Menschen zu sein.
5. Welche Missbrauchsmöglichkeiten schaffe ich? Mit dem technischen Fortschritt steigen die Möglichkeiten, diesen zweckwidrig einzusetzen. Leider hinkt die Entwicklung unserer Gesetze und Regeln der Technik weit hinterher, und der Abstand vergrößert sich. Cyberkriminalität und Cyberkriege werden zu den großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte gehören. Wir müssen bei neuen Technologien nicht nur technisch, sondern auch ethisch und juristisch neue Maßstäbe setzen.
All dies bedeutet nicht, dass wir nun auf die Bremse treten und angesichts der Risiken die technische Entwicklung aufgeben oder anderen überlassen sollten. Selbst wenn wir es wollten – wir könnten es gar nicht. Das Internet lässt sich nicht einfach wieder abschalten. Die Evolution kann man nicht anhalten – weder die biologische noch die technische. Doch wir können uns eine gesunde Skepsis gegenüber den Verlockungen der Technik bewahren und in dem Bewusstsein handeln, dass wir die Dinge, die wir nutzen, immer weniger verstehen. Wenn wir das beherzigen, ist mir um unsere Zukunft nicht bange.
Die Erstveröffentlichung dieses Beitrages erfolgte in unserem Partnermagazin Aktuelle Technik.