2001 schrieb Bill Joy ein viel beachtetes Essay mit dem Titel \’Warum die Zukunft uns nicht braucht\‘, das u.a. Inspirationsquelle für meinen Roman \’Das System\‘ war. Darin schreibt er: \“Doch nun, mit der Aussicht, dass Computer in 30 Jahren die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns erreichen, drängt sich mir ein neuer Gedanke auf: Dass ich vielleicht dabei bin, die Werkzeuge zu schaffen, mit denen eine Technologie konstruiert wird, die den Menschen ersetzen könnte. Wie ich mich dabei fühle? Verdammt unwohl.\“ Joy ist nicht irgendein technikfeindlicher Spinner, sondern Gründer der Firma Sun Microsystems und Erfinder der Programmiersprache Java. Wenn ihm angesichts der technischen Entwicklung unwohl ist, sollte uns das zu denken geben. In den zwölf Jahren seit Erscheinen des Essays hat sich die Leistung des jeweils schnellsten Computers der Welt um mehr als den Faktor 2.000 gesteigert. Smartphones haben heute eine Rechenleistung, die noch vor 20 Jahren Universitäten vorbehalten war. Computer besiegen die besten Menschen nicht mehr bloß im Schach, sondern in auf Allgemeinwissen basierenden Spielshows wie Jeopardy. Sie können nicht nur schneller rechnen als wir, sondern inzwischen besser sehen und bald besser Auto fahren. Erste Experimente zum maschinellen Gedankenlesen sind bereits erfolgreich verlaufen.
Technischer Fortschritt folgt Evolutionsprinzip
Doch all das ist erst der Anfang – Industrie 4.0 wird zu einer weiteren dramatischen Beschleunigung der maschinellen Entwicklung führen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, vielleicht nur wenige Jahre, bis die im Internet gebündelte maschinelle Intelligenz die menschliche in jeder Hinsicht übertrifft. Bereits heute kann man Software nur noch mithilfe hoch komplexer Software entwickeln. Computer programmieren sich zunehmend selbst, passen sich dynamisch an ihre Umwelt an, lernen und tauschen ihr Wissen in globalen Netzwerken aus. Der Punkt, an dem wir nur noch staunend zusehen können, wie Technik sich weitgehend ohne unser Zutun verändert und weiterentwickelt, scheint nicht mehr fern. Technischer Fortschritt folgte schon immer dem Evolutionsprinzip. Durch Versuch und Irrtum, durch \’Vererben\‘ neuer Erkenntnisse und Selektion dessen, was am Markt überlebt, schaffen wir immer leistungsfähigere Produkte und Dienstleistungen. Ebenso wie in der Natur verläuft diese Evolution nicht zielgerichtet und ist kaum vorhersehbar. Wer hätte beispielsweise 1973 geahnt, dass das Arpanet des US-Verteidigungsministeriums 20 Jahre später die globale Kommunikation von Grund auf verändern würde? Wer hätte prognostizieren können, dass die Erfindung des Internets zum Sterben der Zeitungen und des Buchhandels führen würde? Wer kann heute sagen, welche Konsequenzen es haben wird, dass einem Team von Biologen um Craig Venter die Schaffung eines fortpflanzungsfähigen künstlichen Organismus gelungen ist?
Komplexe und rasante Veränderungen
Die Auswirkungen technologischen Wandels sind oft nur mit großer zeitlicher Verzögerung erkennbar. Erst jetzt sehen wir das ganze Ausmaß der Umweltveränderungen, die bereits mit der ersten Industriellen Revolution vor 200 Jahren eingeleitet wurden. Die technische Entwicklung beschert uns nicht nur neue medizinische Verfahren, effizientere Produktion und intelligentere Telefone, sondern eben auch \’denkende\‘ Waffen und künstlich hergestellte Krankheitserreger. Diese Janusköpfigkeit des Fortschritts ist nichts Neues. Neu sind allerdings die zunehmende Geschwindigkeit und die Komplexität der Veränderungen. Was also kommt da auf uns zu? Sind wir tatsächlich dabei, uns selbst zu ersetzen, wie es Bill Joy befürchtete? Wird es gar eines Tages einen Krieg der Menschen gegen die Maschinen geben – mit höchst fragwürdigen Erfolgsaussichten für uns? Die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht. Allerdings gibt es auch wenig Grund, die Technik als feindlich anzusehen. Denn wir leben mit Maschinen – aus der Perspektive der Evolution – nicht in Konkurrenz, sondern in Symbiose. Maschinen hätten keinen Vorteil davon, uns zu vernichten, denn wir sind nützlich für sie. Die Gefahren der Zukunft liegen also weniger in dem, was Maschinen können, als vielmehr – kaum überraschend – darin, wie wir damit umgehen.
So funktioniert Symbiose Mensch-Maschine
Einige Fragen scheinen mir angebracht, die jeder, der sich mit Automatisierung beschäftigt, permanent im Hinterkopf behalten sollte: