Alternative Produktionsverfahren für den Flugzeugbau

Ohne Kabelsalat

Beim Flugzeugbau zählt jedes Gramm. Deshalb erforschte das Fraunhofer IFAM die automatisierte klebetechnische Montage faserverstärkter Kunststoffplatten. Die erste Testanlage ist jetzt im sogenannten CFK-Valley bei Stade entstanden. Die dabei eingesetzte dezentrale Antriebstechnik sorgt für eine hohe Flexibilität der Fügevorrichtung und reduziert die Kabellänge im Vergleich zu konventionellen Lösungen um 87 Prozent. Die Schaltschrankfläche verringert sich um 72 Prozent.
Im CFK-Valley bei Stade testet des Fraunhofer IFAM die automatisierte Montage faserverstärkter Kunststoffplatten (FVK) für die Flugzeughülle.
Im CFK-Valley bei Stade testet des Fraunhofer IFAM die automatisierte Montage faserverstärkter Kunststoffplatten (FVK) für die Flugzeughülle.

Die seit Jahrtausenden im Schiffsbau bewährte Spantenbauweise bringt auch bei Flugzeugen große Stabilitäts- und Gewichtsvorteile. Ist die Hülle zudem aus faserverstärktem Kunststoff (FVK) sind weitere Verbesserungen möglich. Als kostengünstige Alternative zu den bisherigen Verfahren erforschte das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (IFAM) im Rahmen des durch das Luftfahrtforschungsprogramm des Bundes geförderten Verbundprojekt VIA/F-AroMon ein automatisiertes, klebetechnisches Fügen von FVK-Platten.

Die Dacheinheit der Fügevorrichtung besteht aus vier Schablonen mit jeweils 10 Lineareinheiten mit der dezentralen, schaltschranklosen Antriebstechnik IndraDrive Mi von Bosch Rexroth.
Die Dacheinheit der Fügevorrichtung besteht aus vier Schablonen mit jeweils 10 Lineareinheiten mit der dezentralen, schaltschranklosen Antriebstechnik IndraDrive Mi von Bosch Rexroth.

Flexibler Bauplatz

Zum Projektkonsortium zählten neben dem Fraunhofer IFAM auch ein großer europäischer Flugzeugbauer und ein weltweit tätiger Lieferant von Flugzeugstrukturen sowie Broetje-Automation, Lieferant von Automatisierungslösungen im Flugzeugbau. Eine flexible Fügevorrichtung, die sich an unterschiedliche Stärken und Größen anpassen lässt, war Voraussetzung für die Verarbeitung der FVK-Platten und die anschließende Untersuchung der Material- und Klebeeigenschaften. Denn die beiden Dach- und Seiteneinheiten eines Flugzeuges, die es zu erproben galt, wurden aus mehreren Bügeln (Schablonen) zusammengestellt, die sich bis zu einem Abstand von einem Meter manuell verschieben lassen.

Die eingesetzte dezentrale Antriebstechnik kommt mit nur sechs Hybridkabeln und 147m aus, das sind 87 Prozent weniger als bei herkömmlichen Lösungen.
Die eingesetzte dezentrale Antriebstechnik kommt mit nur sechs Hybridkabeln und 147m aus, das sind 87 Prozent weniger als bei herkömmlichen Lösungen.

Dezentrale Antriebe

Vor dem automatischen Fügen durch einen Roboter werden die FVK-Platten von den Schablonen über mehrere Sauger aufgenommen, die von je einer Lineareinheit aus elektromechanischem Zylinder (EMC), Servomotor und dezentralem Servoantrieb Indradrive Mi gesteuert werden. Die vier Schablonen der Seiteneinheit sind mit jeweils sechs, die vier Schablonen der Dacheinheit mit zehn Lineareinheiten versehen. Kooperationspartner Broetje-Automation, der das Vorkonzept erstellte und die Dacheinheit baute, hatte sich für Bosch Rexroth als Lösungspartner ausgesprochen. „Der flexible Bauplatz erforderte zwingend ein modulares und dezentrales Antriebssystem“, erklärt Holger Tietje, Operativer Leiter des zur Broetje-Automation Gruppe gehörenden Consulting Unternehmens Compose 2 Compete. „Dank der Komplettlösung von Rexroth konnten wir dem IFAM ein zugleich innovatives und leistungsfähiges Konzept vorstellen, mit dem die Forscher die Anzahl der Schablonen und EMCs in Abhängigkeit vom jeweiligen Bauteil beliebig variieren können.“

Hohe Flexibilität für modulare Systeme

Die hohen Anforderungen nach Flexibilität und Modularität erfüllt das dezentrale Antriebskonzept unter anderem mittels eines Hybridkabels. Neben der Versorgung und Steuerung der Servomotoren lassen sich darüber auch einfache I/O-Signale übertragen. Für Tietje ist die Rexroth-Lösung aufgrund dieser Eigenschaften auch für komplexe Produktionssysteme mit hundert und mehr Antrieben interessant sowie für verfahrbare, künftig vielleicht sogar mobile Fügesysteme. „Die Baukastenlösung ist bezüglich ihrer Funktions- und Zukunftssicherheit weit fortgeschritten. Das gilt im Übrigen auch für die Verwendung offener Schnittstellen wie OPC UA im Zusammenhang mit der Software Lösung Open Core Engineering.“

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Bosch Rexroth AG
http://www.boschrexroth.com

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