Wahrscheinlich wird jeder von uns bereits mit mindestens einem Produkt in Berührung gekommen sein, das mit einer ProCom-Steuerung zugeschnitten wurde. Sie steuert den Zuschnitt eines Großteils der weltweit produzierten Schaumstoffe, die in Matratzen und Möbelstücken oder in Flugzeug- und Autositzen zum Einsatz kommen. Diese Hidden-Champion-Stellung hat sich der CNC-Steuerungsanbieter seit 1983 durch seine Spezialisierung auf das Schneiden erarbeitet. Gestartet ist das Unternehmen mit Schaumstoffkonturzuschnitt. Es folgte der Bekleidungsmarkt mit Textilzuschnitten. Über weitere Steuerungen zum Plasmastrahl-, Wasserstrahl- und Laserstrahlschneiden hat sich das Unternehmen letztlich zum Experten für industrielles Schneiden entwickelt.
All diese unterschiedlichen Schneidtechnologien bedient das Unternehmen mit der Steuerungslösung CNC300, die Industrie-PC basiert ist. Die Kunden, hauptsächlich Maschinenbauer, schätzen ProCom, weil das Unternehmen keine Standard-CNC-Steuerung von der Stange anbietet. Algorithmen, die über Jahrzehnte entwickelt wurden, sorgen für einen effizienten Schneidprozess und übermitteln der Maschine die passende Verschachtelung der Schnitteile. Das garantiert eine maximale Materialausnutzung und hochpräzise Schneidergebnisse. Speziell beim dreidimensionalen Schaumstoffkonturzuschnitt ist dies eine komplexe Herausforderung. Denn hier müssen aus einem großen Schaumstoffblock mit umlaufendem Bandmesser Konturen geschnitten werden, ohne das Messer zwischen den einzelnen Teilaufträgen ab- und wieder anzuschalten oder es aus dem Block herauszunehmen. Alle zu fertigenden Teile werden in einem einzigen Arbeitsschritt geschnitten. Bei den Wegen zwischen den Teilen muss zudem berücksichtigt werden, dass die bereits geschnittenen Teile nicht erneut mit dem Bandmesser in Berührung kommen und dadurch beschädigt werden. Die Software, mit der Anwender diese Schneidprozesse optimieren können, läuft ebenfalls auf der Hardware der Maschinensteuerung und kann dort auch bedarfsgerecht konfiguriert werden. Teils wird sie aber auch an einem CAM-Arbeitsplatz zur Arbeitsvorbereitung gefahren und dann in die Steuerung übertragen, inklusive einer Produktionsfeinplanung für den jeweiligen Tag.
Virtuelle Maschinen machen es möglich
Als Komplettlösung liefert ProCom die Bewegungssteuerung samt GUI für die Maschinenbedienung mit Werkzeugauswahl und weiteren maschinennahen Funktionen. Und das nicht nur für Schaumstoffe, sondern auch in den Segmenten Plasma-, Wasser- und Laserstrahlschneiden. Speziell für den asiatischen und hier insbesondere den chinesischen Markt hat das Unternehmen aktuell auch eine neue Lösungsplattform für das Laserstrahlschneiden entwickelt.
Da ein Gesamtpaket keine Lösung ist, die aus einer reinen CNC-Steuerung besteht, baut die Steuerungslösung von ProCom heute auf Hypervisor-Technologie auf, um die einzelnen Aufgaben auf dedizierte virtuelle Maschinen zu verteilen. Das Unternehmen hat von Anfang an eine Steuerung mit eigenem CNC- und SPS-Kern sowie einer Industrie-PC-basierten Hardwareplattform als Mensch-Maschine-Schnittstelle realisiert. Damals wurde hierzu jedoch eine hardwarebasierte Drei-Prozessor-Lösung als Plattform und Architektur implementiert. Heute basiert das System auf einem IPC mit Windows 10 IoT Enterprise. Für die koordinierte Bahnbewegung der Servoachsen, die integrierte SPS-Funktionalität sowie alle Sicherheitsüberwachungsfunktionen, die man für die CNC-Maschinensteuerung benötigt, kam damals wie heute das Echtzeitbetriebssystem On Time RTOS-32 zum Einsatz. Untereinander kommunizierten die beiden diskreten Prozessoren über das MMX (Multiprozessor Message Exchange) Protokoll.
Um diesen Schritt umsetzen zu können, musste allerdings die bereits seit fast 30 Jahren im Einsatz befindliche hardwarebasierte Mehrprozessor-Lösung auf einem Multicore-Prozessor virtualisiert werden. Es wurde eine Virtualisierungslösung benötigt, die die Windowswelt für GUI- und Arbeitsvorbereitungsfunktionen von den Echtzeit-Funktionen rückwirkungsfrei trennt. Im Rahmen einer Recherche ist das Unternehmen auf Real-Time Systems gestoßen, hat das Produkt intensiv analysiert und getestet und sich letztlich dazu entschlossen, nicht selbst in die Entwicklung eines Hypervisors einzusteigen. Der Echtzeit-Hypervisor ist ausgereift, deckt alle geforderten Funktionen ab und hat sich am Markt bereits hinreichend bewährt. Seitdem ist der Real-Time-Hypervisor auf den ProCom Steuerungen im Einsatz. Auch deutlich komplexere Aufgaben, die durch die Anforderungen an Industrie 4.0 und Digitalisierung hinzu gekommen sind, bewältigt das System problemlos.
Aufgaben werden komplexer
Heute hat das über Intel-Core-Prozessoren bedarfsgerecht in der Performance skalierbare System von ProCom selbstverständlich eine OPC-UA-Schnittstelle zur Kommunikation mit übergeordneten Steuerungssystemen, die größere Anlagenverbünde steuern, oder um Betriebs- und Maschinendaten an MES- und ERP-Anbindung zu übergeben. Zudem bietet das Unternehmen auch eine eigene Industrie-4.0-Plattform namens Clouver, die zahlreiche Dashboards und Tools für Monitoring, Management und Maintenance der Maschinen bietet und für die jede Steuerung von ProCom auf dem Markt bereits eine passende Schnittstelle besitzt. Damit Clouver auch alle relevanten Daten hierzu erhält, ist es erforderlich, auf die Echtzeitplattform durchgreifen zu können. Auch hier spielt der Hypervisor eine wesentliche Rolle, denn die Daten müssen in der Echtzeitmaschine aus dem aktuellen Schneidprozess heraus erfasst werden, um sie dann über die Windows-Welt den anderen Teilnehmern zur Verfügung stellen zu können, ohne die Echtzeitprozesse zu stören. In der Summe hat sich die Steuerung dadurch zu einem Multifunktionssystem der Edge-Computing-Klasse entwickelt, das sowohl horizontal als auch vertikal in alle Himmelsrichtungen umfassend vernetzt ist. Auch zukünftige weitere Konsolidierungen der Hardware in Richtung eines echtzeitfähigen Fog-Servers sind realisierbar.
Mit der Entscheidung für den Echtzeit-Hypervisor ist ProCom überaus glücklich, denn die Aufgabenstellungen sind in der vergangenen Dekade nicht einfacher geworden, und der Ansatz, das jeder bei seinen Kernkompetenzen bleiben sollte, ist hier offensichtlich aufgegangen. „Wir fühlen uns bei Real-Time Systems gut aufgehoben“, erklärt Harald Müller, Leiter Beratung und Produktion bei ProCom. „Die Zusammenarbeit ist stets konstruktiv. Die Mitarbeiter sind echte Fachleute mit hohem Sachverstand und einem tollen Produkt. Der Support funktioniert; die Lösung funktioniert; und unsere Experten, die diese zugekauften Bausteine in unsere Softwarelösung implementieren, haben die Integration wirklich problemlos hinbekommen. Und alles, was beim regelmäßigen Support und Update kommt, ist über den engen Kontakt und die gute Betreuung bestens organisiert.“
Tool zur Workload-Konsolidierung
Als Softwarelösung, die tendenziell so einfach oder gar noch einfacher als ein Betriebssystem installiert wird, ist der Echtzeit-Hypervisor von Real-Time Systems vor allem ein komfortables Tool, mit dem Entwickler zahlreiche dedizierte Einzellösungen am Edge auf einem einzigen Multicore-Prozessorsystem konsolidieren können, ohne die Echtzeitfähigkeit ihrer Systeme zu beeinträchtigen. Mit den aufkommenden Embedded-Server-Technologien von AMD und Intel, die auch deutlich mehr Cores bieten werden als aktuelle High-End-Embedded-Prozessoren, tut sich hier ein großes Entwicklungsfeld auch für die Hardwarekonsolidierung auf. Deshalb ist es gut zu wissen, dass es hierfür bereits Hypervisor-Lösungen gibt, die seit vielen Jahren erfolgreich im Feld sind.
