Nachhaltigkeit wird immer mehr zu einem zentralen Kriterium in der Industrie, um hohe Produktivität in Einklang mit einem schonenden Gebrauch von Energie und Rohstoffen zu bringen. Mit der neuen Papierfabrik PM3 zeigt der Papier- und Wellpappformat-Hersteller Progroup, wie sich dieses Ziel erreichen lässt. So verbraucht die PM3 etwa rund 80 Prozent weniger Frischwasser als vergleichbare Anlagen und greift über eine moderne Kreislauf-Wasserbehandlungsanlage auf selbst produzierte Energie in Form von Biogas zurück, was den Verbrauch fossiler Energie um zehn Prozent reduziert. Einen wichtigen Anteil am nachhaltigen Gesamtkonzept der hochmodernen Fabrik hat die dortige EMSR-Technik, für deren Planung, Installation und Programmierung die Vinci-Energies-Marke Actemium verantwortlich zeichnete. Um das Megaprojekt termingerecht zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, waren allem voran Knowhow, Teamwork und Flexibilität gefragt.
Planung in Großdimension
Zwischen Mai und August 2019 erfolgten die ersten Vorgespräche zur Planung und Technik und die Vergabe an Hauptlieferanten. Der Auftrag an Actemium umfasste die Verkabelung der kompletten Anlage – ausgenommen davon waren lediglich die Gebäudeinstallation und Beleuchtung. Der Umfang: 40km Kabelwege, 500km E-Kabel zur Spannungsversorgung und für Steuerleitungen, 500km an Instrumentierverkabelung, rund 50 Schaltschränke für die USV-Verteilung, 80 Klemmkästen für die Elektrotechnik, 1.100 Hook-ups und die Montage und Verkabelung von 120 Schaltschränken und 400 Klemmkästen eines Anlagenlieferanten. Das Mitte August 2019 mobilisierte Team setzte sich aus drei Geschäftseinheiten von Actemium zusammen und wurde zudem bei der Installation der Mittel- und Niederspannungsleitungen durch die Vinci-Energies-Marke Omexom zusätzlich unterstützt. Dabei war Actemium Dresden für die Installation der Instrumentierung und die Verkabelung auf Maschinenebene verantwortlich, Actemium Large Projects übernahm die elektrischen Installationen der Papiermaschine und Actemium Leipzig war für den elektro- und messtechnischen Teil der Kreislauf-Wasseraufbereitungsanlage sowie die Automatisierung zuständig. Im Anschluss an die Revision der Planung und der darauf basierten Materialbestellung konnten die Teams mit der Montage der Hauptkabelwege beginnen.
Ebenfalls am Projekt beteiligt war die Firma Siemens, die neben den Schaltanlagen im Mittel- und Niederspannungsbereich auch die Motor Control Center (MCC) sowie die Trafos aufstellte. Anschließend erfolgte durch Actemium die Mittelspannungsverkabelung der Trafos und daraufhin die Niederspannungsverkabelung der MCC wie auch die der Niederspannungs-Schaltanlagen. USV-Verteiler sollten zudem sicherstellen, dass der spätere Betrieb dauerhaft erfolgen kann. Nach dem Basic Engineering eines von Progroup beauftragten Drittanbieters führte Actemium im Detail die Planung, Fertigung und schließlich die Montage und Verkabelung von rund 50 Schaltschränken für die USV-Verteilung durch. Zusätzlich wurden 80 mitgelieferte Klemmkästen für die Elektrotechnik montiert und verkabelt. Um auch die Antriebstechnik und E-Verbraucher zu verkabeln, installierte das Team als nächstes die Stichkabelwege.
Leitsystem für moderne Papierfabrik
Nach der Abschluss der Schaltanlagenverkabelung wurde mit der Aufstellung des Leitsystems begonnen, zu dem ebenfalls die Montage und Verkabelung von zusätzlichen 120 Schaltschränken und 400 Klemmkästen gehörte. Als Systemlandschaft fiel die Entscheidung auf PCS7 V9.0 mit Sipaper Bibliothek von Siemens. Die skalierbare IT-Infrastruktur wird von zwei redundanten Server-Pärchen verbunden. Daran angeschlossen sind 18 Bedien-Panels mit Doppelmonitor, 17 S7-410-F-Steuerungen und 2.500 I/O-Systeme über Profinet mit Ventilinseln und Simatic-ET200SP-Stationen. Das Motormanagement-System Simocode und G120/G150-AC-Einzelantriebsumrichter ohne Servoregelung sowie modulare S120-AC/DC-Antriebssysteme in verschiedenen Performance-Leveln sind für die Antriebstechnik zuständig.
Zunächst führte Actemium die Installation der Remote-I/O-Verteiler und Ventilkästen durch, anschließend die der Instrumentierung. Ursprünglich sollte sich die Programmierung einschließlich Loop-Tests und Troubleshooting der einzelnen Anlagenteile von PM3 nur auf die Stoffbereitung, die Ballenförderer, das vollständige Kesselhaus und den konstanten Teil – das Bindeglied zwischen Stoffaufbereitung und Stoffauflauf der Papiermaschine – belaufen. Doch im Zuge der Instandhaltung und Wartung schließt der Support von Actemium mittlerweile auch softwaretechnisch die Automation der Gesamtanlage inklusive der Papiermaschine, der Anlage zur Biogaserzeugung sowie der Abwasseranlage mit ein. Die Programmierung der aus drei Linien bestehenden Ballenförderanlage erfolgte z.B. jeweils mit einer S7-300F-SPS im TIA-Portal. Aufgrund der kontinuierlichen Anpassung und Optimierung des Leitsystems lässt sich auch die Nachhaltigkeit insgesamt durchgehend verbessern. Denn auf diese Weise kann die Arbeit der einzelnen Anlagenteile noch effizienter und energiesparender erfolgen.
Abschluss nach Zeitplan
„Die Arbeiten im Feld wurden sicher und zudem termingerecht ausgeführt. Keine leichte Aufgabe bei bis zu 1.500 Leuten auf der Baustelle, von denen 300 Mitarbeitende von Actemium den Montageauftrag durchführten – und all das unter strengen Hygienemaßnahmen während Corona“, so Phillipos Vrizas, Leiter des Progroup-Standorts Sandersdorf-Brehna. „Möglich machte das die gelungene Kooperation zwischen den einzelnen Gewerken sowie die gut abgestimmte Kommunikation.“ Die größte Herausforderung bestand allem voran in der Installation der Elektrik und der MSR-Technik sowie in Form von Planungsanpassungen. So erweiterte sich z.B. der Leistungsumfang von Actemium während des Projekts von der maschinennahen Stamm- auf die Einzelverkabelung. „Indem die Kollegen der beteiligten Geschäftsbereiche von Actemium bereichsübergreifend auch auf schwierige Bedingungen gut reagiert und dabei selbstständig Lösungen entwickelt haben, konnte der Zeitplan am Ende eingehalten werden“, so Vrizas. Mit der Produktion des ersten Tambour-Wellpappen-Rohpapiers nahm die Papiermaschine im August 2020 offiziell ihre Arbeit auf. Die Restarbeiten wurden bis Oktober fertiggestellt, die Montagearbeiten im November desselben Jahres die Montagearbeiten endgültig abgeschlossen. Der Hauptauftrag umfasste insgesamt 270.000 Personenstunden – die EMSR-Technik und Programmierung der Kreislaufwasserbehandlung rund 30.000.