Durchgängigkeit in der Elektrokonstruktion

Die Cloud als zusätzliches Wertversprechen

Die Elektrokonstruktion hat sich in den vergangenen 30 Jahren immer wieder neu erfunden und dabei große Effizienzschritte vollzogen. Die Digitalisierung hat sie mit ECAD-Tools dabei bereits vor über 30 Jahren gestartet. Von Anfang an mit dabei war das Unternehmen Eplan, dass den Konstruktionsprozess immer wieder mit Innovationen auf Effizienz getrimmt hat. Daneben spielt die Durchgängigkeit der Daten im Prozess eine zentrale Rolle. Mit Geschäftsführer Sebastian Seitz sprachen wir über diese Durchgängigkeit und die Bedeutung der Cloud im Portfolio des Unternehmens.

Welche Rolle spielt die Durchgängigkeit heute im Schaltanlagenbau und im Portfolio von Eplan?

Die Durchgängigkeit im Sinne von Datendurchgängigkeit ist sicherlich einer der Hauptbeweggründe für Anwender, sich mit Eplan zu beschäftigen. Sie stellt – neben der profunden Unterstützung unserer Anwender in den Einzeldisziplinen – einen der wesentlichen USPs dar, die das Produktportfolio von Eplan auszeichnen. Unsere Plattform besteht – kurz umrissen – aus den Kernbestandteilen Eplan Electric P8 und Fluid, Pro Panel und Preplanning, angeschlossen an das DataPortal. Damit bekommen Anwender die Möglichkeit, ihre Prozesse, weiterzuentwickeln, also ein höheres Nutzenpotenzial zu erschließen. Was uns auch auszeichnet im Vergleich zum Wettbewerb ist, dass Arbeitsergebnisse, die einmal im Prozess erzeugt wurden, auch in nachgelagerten Stufen weiterverwenden können. Das sehen wir als einen der großen Wünsche unserer Kunden, diese Datendurchgängigkeit zu erreichen. Genau das ermöglicht unser Lösungsportfolio.

Wie ist es heute um die Datendurchgängigkeit in der Elektrokonstruktion bestellt?

Seitz: Man kann das Thema aus mehreren Blickwinkeln betrachten: Innerhalb der Elektrokonstruktion haben wir im Sinne der Durchgängigkeit in Automatisierungsprojekten schon sehr viel erreicht. Die einzelnen Disziplinen haben sich stark optimiert und ihre Effizienz deutlich gesteigert. Deshalb sind Nutzenpotenziale für Anwender heute vergleichsweise einfach zu generieren. Betrachtet man das Thema Durchgängigkeit jedoch interdisziplinär und im Gesamtunternehmen der Kunden, also zusammen mit der Mechanik, mit der SPS-Programmierung, vielleicht auch mit anderen Teilen der Softwareentwicklung, dann ist hier vieles gerade erst am Entstehen. Wir selbst treiben diese Optimierung innerhalb der Elektrokonstruktion, im Maschinenbau und im Schaltanlagenbau bis rhinein in die Fertigung immer weiter voran. Ein Beispiel dafür sind all die Entwicklungen, die bei uns unter dem Stichwort Integrierte Wertschöpfungskette laufen.

Können Sie unseren Lesern kurz erläutern, was sich hinter der ‚Integrierten Wertschöpfungskette‘ verbirgt?

Seitz: Unsere Aktivitäten unter dem Stichwort „Integrierte Wertschöpfungskette“ im Kontext mit Rittal wurden mit einer klaren Zielsetzung aufgesetzt: Gemeinsam wollen wir wirklich alle Voraussetzungen schaffen, um es unseren Kunden im Schaltanlagenbau zu ermöglichen, ihre Prozesse soweit es geht zu automatisieren und die entsprechenden Nutzeneffekte daraus zu ziehen. In vielen Bereichen ist der Ablauf in der Branche noch ein stark handwerklich geprägter Prozess. Wenn man dagegen betrachtet, was wir hier erreichen können, dann lohnt sich die Beschäftigung mit diesem Thema für unsere Kunden sehr. Manche Anwender berichten uns über Einsparpotenziale in Bezug auf Zeit und Kosten im Engineering von über 30 Prozent und in der Fertigung von über 40 Prozent. Dieses Potenzial wollen wir gemeinsam mit unseren Kunden heben. Die Kernaufgabe aus Eplan Sicht besteht in der Bereitstellung der korrekten Daten, deren transparenten Weitergabe von Prozessschritt zu Prozessschritt und einer damit verbundenen fortwährenden Anreicherung dieser Daten. In Ergänzung dazu nutzen wir die nahtlose Verknüpfung unserer Tools in der Fertigung mit dem Maschinenpark von Rittal. Die Maschinen unserer Wahl an dieser Stelle sind die hauseigenen Rittal-Maschinen, ob es jetzt eine Perforex ist oder dasneue Rittal Wire Terminal WT, das wir auch auf der diesjährigen Hannover Messe wieder zeigen.

Wie könnte eine typische Toolchain an dieser Stelle aussehen?

Seitz: Wenn ich auf einer abstrakten Ebene beginne, dann startet das zunächst mit der Beschreibung einer Maschine und Anlage. So werden Aufbau und Funktionen früh im Prozess formuliert und strukturiert. Unser Tool dafür ist Preplanning. Der nächste Schritt könnte die Spezifikationsphase sein, in der das Basic Engineering und das Detail Engineering erfolgt. Mit unseren Werkzeugen Electric P8 und Fluid – je nachdem ob Elektrik oder Pneumatik/Fluidik für den Anwender im Vordergrund stehen – wird nun die Anwendung umgesetzt. Wenn der Schaltplan soweit fertig erstellt wurde münden die generierten Informationen in ProPanel, um den digitalen Zwilling des Schaltschranks zu generieren. Der digitale Zwilling ist an dieser Stelle ein 3D-Abbild des Schaltschranks. Viele der Daten des digitalen Zwillings stammen übrigens aus unserem Eplan Data Portal, einem weiteren elementaren Baustein im effizienten Engineering. Jetzt liegen alle Informationen vor, um mit dem digitalen Zwilling des Schaltschranks in die Fertigung der Schaltanlage zu gehen. Aus dem digitalen Modell kann beispielsweise die Kabelkonfektionierung erfolgen. Ein Konfektionierautomat lässt sich auf Basis der Daten des digitalen Zwillings automatisch steuern. Das gleiche gilt für Maschinen zur automatisierten Montageplattenbearbeitung, wenn es um Gehäuseausbrüche, Bohrungen oder andere mechanische Bearbeitungen geht. Für all das ist der digitale Zwilling die Basis, wenn die entsprechenden Daten vorhanden sind. Ausgehend von diesem Prozess könnte man in der Werkhalle des Schaltanlagenbauers Prüfszenarien implementieren, die für die richtige Reihenfolge bei der Abarbeitung der Drähte sorgt und prüft, ob die Komponenten korrekt verkabelt sind. Für den Schaltanlagenbau lässt sich also die komplette Wertschöpfungskette abbilden, von der Vorplanung über das Detail Engineering bis hinein in die Fertigung, Instandhaltung und Qualitätssicherung.

Welche Beispiele gibt es für die praktische Anwendung des digitalen Zwillings?

Seitz: Um den Schaltschrankbau auch in lohnintensiveren Ländern wirtschaftlich betreiben zu können, müssen Fertigungsschritte stärker automatisiert und die Produktion effizienter werden. Dabei unterstützen wir unsere Kunden seit Jahren intensiv und ich glaube, das gelingt am besten auf Basis eines digitalen Zwillings. Wir können auf Basis des digitalen Modells eines Schaltschrankes beispielsweise das Thema thermische Auslegung im Schrank simulieren, um die Hitzeentwicklung zu berücksichtigen oder um die Kühlung zu planen und auszulegen. Das geht optimal auf der Basis des digitalen Zwilling. Wir können Anwendungen zielgenauer auslegen und damit die Investitions- und Betriebskosten für Betreiber senken. Auch der Platzbedarf, Sperrflächen und Sperrräume lassen sich ganz anders behandeln, mit dem digitalen Zwilling: Alles, was die geometrische Auslegung, also die tatsächliche Verbausituation der Komponenten im Schrank betrifft, können wir optimieren. Gleichzeitig stellt das digitale Abbild sämtliche Daten zur Verfügung, um beispielsweise eine Montageplatte automatisiert herzustellen. Damit können wir den Fertigungsprozess für unseren Kunden so gestalten, dass dies kein handwerklicher, manueller Prozess mehr ist, sondern dass es im Wesentlichen ein durch Maschinen abarbeitbarer, automatisierter Prozess ist.

Die Cloud ist in aller Munde. Wird es von Eplan auch ein Cloudangebot geben?

Seitz: Ein Cloudangebot haben wir schon seit einiger Zeit, aber nicht in der Form, dass wir einfach unser bestehendes Portfolio nehmen und in der Cloud installieren. Wir schauen dabei vielmehr auf zusätzliche Wertversprechen, also vor allem auf neue Funktionalitäten, die wir in die Cloud bringen werden. Dabei denke ich beispielsweise an die vielen IT-kollaborativen Prozesse. Vor allem dort, wo heute im Prozess Daten ausgetauscht werden müssen – meistens durch vorangehende oder folgende Prozesse – wollen wir die Cloudtechnologie nutzen, um die Durchgängigkeit und Transparenz von Prozesse zu erhöhen. Damit können wir das Zusammenwirken von Tools noch einfacher machen, um integrierte Abläufe bei unseren Kunden immer weiter voran zu bringen. Das ist zunächst einmal unsere Hauptpriorität. Mit Eplan ePulse haben wir eine Cloud-Strategie gelauncht, die diese gesamten Aktivitäten unter einem Dach zusammenfasst. Dazu gehören beispielsweise neben bestehenden Produkten wie Cogineer, einem Werkzeug, mit dem unsere Kunden auf Basis von Templates auf sehr einfache Weise Standardschaltungen konfigurieren können, auch neue Produkte wie Eplan eView. Das neue System ist ein gutes Beispiel für die Unterstützung von kollaborativen Prozessen: Über das Tool können die in der Eplan Plattform erstellten Engineering-Projekte in der Cloud bereitgestellt werden. Projektdaten sind überall und jederzeit einsehbar. Per Redlining-Funktion können beispielsweise Fertigungsmitarbeiter und Servicetechniker Änderungsinformationen wie Komponententausch usw. im Schaltplan hinterlegen. Vor allem für die Fehlerlokation und die Suche der betroffenen Bauteile, ist das wirklich sehr hilfreich. Auch das Data Portal ist eine Cloud-basierte Lösung. Hier arbeiten wir gegenwärtig ebenfalls intensiv an der Weiterentwicklung, u.a. um das Thema Datenqualität und Vollständigkeit der Daten für den Gesamtprozess noch mal deutlich zu erhöhen.

Was glauben Sie, in welche Richtung sich die Elektrokonstruktion entwickeln wird und wie können Sie Anwender dabei unterstützen?

Seitz: Künstliche Intelligenz spielt heute bereits eine große Rolle in unserem Alltag, und sie wird es auch in der Elektrokonstruktion tun. Wir selbst haben einige Projekte rund um das Thema KI aufgesetzt, zu denen ich aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen möchte. Aber ich glaube, das sich die Elektrokonstruktion in eine Welt entwickelt, in der die Tools der Anwender intelligent sein müssen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Dabei denke ich beispielsweise an die Unterstützung des Elektrokonstrukteurs bei Entscheidungen, die vorher vielleicht schon andere Mitarbeiter getroffen haben. Wir müssen Anwendern jederzeit die richtigen Daten und die richtigen Hilfsmittel an die Hand geben, um ihre Automatisierungsaufgabe schneller zu lösen. Sie sollten weniger Zeit mit dem Zeichnen verbringen, viel stärker noch spezifizieren was sie erreichen möchten und welche Funktionen umgesetzt werden sollen. Der Rest, also die Generierung beispielsweise des Stromlaufplans, sollte dann vom Werkzeug erledigt werden. Dazu müssen die System aber intelligenter werden: Sie müssen die richtigen Fragen stellen. Die Interaktion mit dem Anwender wird also eine andere werden. Insofern glaube ich, je intelligenter wir die Werkzeuge machen, desto einfacher und desto fachgerechter wird die Anwendung. Man verliert nicht mehr ganz so viel Zeit an einfachen Konstruktions- oder Standardaufgaben. Und das ist doch schon mal ein gutes Ziel. (kbn)

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