I/O-Module von Turck sorgen für Flexibilität bei Wasserstofftankstellen

Dezentrale Automation im Ex-Bereich

Unternehmen, die heute in Wasserstoffinfrastruktur investieren, legen viel Wert auf die Skalierbarkeit eines Systems, um flexibel auch auf künftige Anforderungen der Märkte reagieren zu können. Genau deshalb setzt der niederländische Wasserstofftankstellen-Hersteller Resato Hydrogen Technology auf das dezentrale IP67-I/O-Modul-Konzept von Turck. Es bietet auch im Ex-Bereich eine umfassende Lösung für modulare Anlagen - und zwar für alle Signaltypen inklusive Safety.
Mit den Edelstahl-Schutzgehäusen TB-SG sind nahezu alle TBEN-I/O-Module von Turck auch zum Einsatz in ATEX-Zone 2 zugelassen.
Mit den Edelstahl-Schutzgehäusen TB-SG sind nahezu alle TBEN-I/O-Module von Turck auch zum Einsatz in ATEX-Zone 2 zugelassen.Bild: Resato

Wasserstoff wird als Energieträger in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und insbesondere Busse und LKW aber auch PKW antreiben. Eine der Firmen, die von diesem Trend mit Ihren Wasserstofftankstellen profitieren, ist Resato Hydrogen Technology B.V. aus Assen in den Niederlanden. Der Spezialist für Hochdrucktechnik hat in den letzten Jahren mehr als 45 dieser Anlagen produziert und in Europa in Betrieb genommen, neun davon stehen in den Niederlanden.

Zwei Druckstufen für LKW und PKW

Wasserstofftankstellen können ihren Treibstoff auf zwei Arten beziehen, entweder über einen Elektrolyseur, der mithilfe elektrischen Stroms eine chemische Reaktion herbeiführt und so Wasser in Wasserstoff sowie Sauerstoff trennt, oder über Wasserstofftankwagen, den sogenannten Tube Trailern. Der Wasserstoff aus einem Tube Trailer wird in drei Stufen auf 350bar komprimiert und heruntergekühlt. Im Anschluss wird er in Pufferspeichern zum Betanken von LKW vorgehalten oder in einer vierten Verdichtungsstufe auf 700bar verdichtet und in einem separaten Puffer gespeichert. Durch die Vorkühlung des Wasserstoffs lassen sich PKWs über die 700bar-Zapfsäulen deutlich schneller betanken. Da größerer Druck zu erhöhten Temperaturen führt, muss der Wasserstoff immer wieder heruntergekühlt werden. Unter anderem weil das System den Wasserstoff in einer Reihe von Kühl- und Kompressionsschritten auf den notwendigen Druck bringen muss, ist eine Wasserstofftankstelle viel komplexer als eine Tankstelle für kohlenstoffbasierte Kraftstoffe.

Dank des modularen Resato-Konzepts lässt sich diese Wasserstoff-Tankstelle einfach weitere Pufferspeicher  ergänzen, falls zusätzliche Zapfsäulen benötigt werden.
Dank des modularen Resato-Konzepts lässt sich diese Wasserstoff-Tankstelle einfach weitere Pufferspeicher ergänzen, falls zusätzliche Zapfsäulen benötigt werden.Bild: Resato

Wasserstoff erfordert Explosionsschutzkonzept

Die Komplexität der Tankstellensysteme steckt in der Steuerung. So entwickelte Resato einen patentierten Algorithmus, der abhängig von Temperatur und Druck die schnellstmögliche Betankung realisiert. Auf der I/O-Ebene stellt der explosive Wasserstoff eine besondere Herausforderung an das Automatisierungskonzept. Neben dem Explosionsschutzkonzept und Produkten mit entsprechenden Zulassungen muss das System möglichst wartungsarm sein, da kein Personal vor Ort ist, um etwaige Einstellungen vorzunehmen. Die zu verarbeitenden Signale sind hauptsächlich Temperatur- und Drucksignale sowie Schaltsignale von Stellventilen. Dazu kommen noch sicherheitsgerichtete Signale von Ventilen, Not-Aus-Tastern und anderen Sicherheitssensoren.

In der ersten Version verdrahtete Resato seine Betankungssysteme noch mit passiver I/O-Technik. Die Sensor- und Aktor-Signale wurden am Pufferspeicher auf Passivverteiler gelegt und von dort über Muliticore-Leitungen zur Steuerung geführt. Diese Lösung funktionierte zwar zuverlässig, war allerdings unflexibel, wenn das System um weitere Pufferspeicher erweitert werden sollte. „Es war elektrotechnisch sehr aufwendig, ein Aggregat zu ergänzen. Wir mussten zudem die Software komplett überarbeiteten. Also haben wir uns entschieden, das ganze System in Module zu unterteilen, so dass wir jedes Modul einzeln steuern können“, erklärt Remco Lagendijk, Electrical and Instrumentation Engineer bei Resato, den Beginn des modularen Tankstellen-Konzepts.

Modularisierung für mehr Flexibilität

Damit Pufferspeicher, Verdichter und Kühlaggregate flexibel hinzugefügt und kombiniert werden können, baute Resato die zweite Generation der Wasserstofftankstellen modular auf. Allerdings müssen dafür auf jedem Aggregat alle Signale in einer Datenleitung zusammenlaufen. Die Pufferspeicher benötigen daher eine I/O-Lösung mit Industrial Ethernet, genauer gesagt Profinet. Da Resato sich Schutzgehäuse und den mechanischen Aufwand sparen wollte, suchten die Experten nach I/O-Modulen in Schutzart IP67, die temperaturbeständig und geeignet zum Einsatz im Freien sind. Bis dahin bringt das Anforderungsprofil keinen Automatisierer ins Schwitzen. Die Module sollten allerdings gleichzeitig über eine Zulassung für Atex-Zone 2 verfügen und auch zum Anschluss von eigensicheren Signalen aus Zone 1 und 0 geeignet sein.

Die Suche nach einem Automatisierungspartner, der dieses dezentrale Konzept auch im Ex-Bereich unterstützen kann, führte das Resato-Team auch auf die Hannover Messe. Den Ingenieuren wurden auf den Messeständen viele IP67-IO-Lösungen in die Hände gedrückt. Doch auf die Frage nach IP67 mit Atex-Zulassung mussten viele Anbieter passen. „Bis auf Turck. Sie konnten uns sogar unterschiedliche Lösungen für IP67 in Atex-Zonen anbieten“, berichtet Lagendijk von der Suche nach einer dezentralen I/O-Lösung.

 Aufgrund der IMC-Interface-Geräte in IP67 lassen sich 
auch Ex-Sensoren sicher und ohne Schaltschrank an die I/O-Module in Zone 2 anschließen.
Aufgrund der IMC-Interface-Geräte in IP67 lassen sich auch Ex-Sensoren sicher und ohne Schaltschrank an die I/O-Module in Zone 2 anschließen.Bild: Resato

Intensive Beratung bei der Konzeptentwicklung

In der Folge erarbeitete Resato gemeinsam mit den Turck-Experten ein dezentrales I/O-Konzept für seine Pufferspeicher. „Der Support war wirklich gut. Man hat uns nicht ein paar Produkte hingelegt und gesagt ‚Viel Glück damit‘, sondern wir haben uns intensiv über die Produkte ausgetauscht und unterschiedliche Möglichkeiten durchgedacht. Turck hat uns sogar die exakten Kabeltypen mit den passenden Längen empfohlen“, erklärt Niels de Jong, Ingenieur für Forschung und Entwicklung. „Resato hat den Anspruch, weltweit Technologieführer im Bereich der Wasserstofftankstellen zu sein. Dafür brauchen wir Partner wie Turck.“

Das I/O-Konzept wurde komplett dezentral realisiert – inklusive der eigensicheren Sensorsignale aus Atex-Zone 0 und 1. Mit den Geräten der IMC-Familie bietet Turck spezielle Interfacebausteine in IP67 an. Sie werden zwischen den Ex-Sensor (oder Aktor) und das I/O-Gerät geschaltet, trennen die Stromkreise sicher und transformieren die Signalströme. Sogar die sicherheitsgerichteten Signale werden dezentral auf das IP67-I/O-Modul TBPN gelegt, das per Profisafe-Protokoll mit der Sicherheitssteuerung kommuniziert.

Konsequent modular und individuell skalierbar

„Einer der Vorteile, warum wir die Turck-Lösung gewählt haben, sind die Möglichkeiten zum Offline-Testen“, so Lagendijk. „Früher mussten wir bei uns in der Produktion testen, dann haben wir alles demontiert und vor Ort beim Kunden wieder neu verkabelt. Dann mussten wir natürlich nochmal testen, ob alle Ein- und Ausgänge korrekt angeschlossen sind. Heute testen wir die Systeme bei uns und lassen alle Stecker mit den Remote-I/O-Modulen verbunden. Beim Kunden müssen wir dann nur noch die Power- und die Datenleitung anschließen. So sparen wir einige Tage Inbetriebnahmezeit für die Elektroarbeiten, wodurch wir mit weniger Elektroingenieuren arbeiten können.“

Resato hat das modulare Konzept zu Ende gedacht und auch die Steuerungssoftware modular aufgesetzt. So kann man in der Steuerungssoftware ein Modul ergänzen, ohne den kompletten Code neu aufzusetzen. „Das ist fast wie Copy-and-Paste“, sagt Lagendijk. Aufgrund des konsequent modularen Konzepts sind die Wasserstoff-Tankstellen von Resato heute denkbar leicht zu skalieren. „Wenn der Kunde seinen Speicher erweitern möchte und mehr Pufferspeicher benötigt, dann ist das kein Problem für uns – insbesondere von der elektrotechnischen Seite und der Steuerung her ist es sehr einfach“, ergänzt de Jong.

Nächste Station: Serienfertigung

Die Nachfrage nach den Wasserstofftankstellen steigt kontinuierlich. Es ist davon auszugehen, dass Resato in naher Zukunft seine Produktion sukzessive von der Projektorganisation auf eine Serienfertigung umstellen wird – zumindest teilweise. Mit dem modularen Tankstellen-Konzept und der modularen I/O-Architektur ist man darauf vorbereitet. Das Konzept ermöglicht jederzeit den Einstieg in eine Serienproduktion. Die einzelnen Module wie Verdichter oder Pufferspeicher können auf Lager vorproduziert und dann kundenspezifisch zusammengestellt werden. Diese Skaleneffekte werden auch Kosten und Time-To-Market der Wasserstofftankstellen senken.

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