Von uRemote bis uOS

Automatisierungs- und IoT-Lösungen von Weidmüller

Als Anbieter von Automatisierungstechnik ist Weidmüller natürlich nicht allein auf dem Markt. Beispiellos sei allerdings die konsequente Ausrichtung auf das industrielle IoT, betont Dr. Thomas Bürger. Im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN erklärt der Automatisierungs- und IIoT-Verantwortliche des Unternehmens, wie es dazu kam, welche Vorteile sich daraus für den Anwender ergeben und welche Highlights auf der SPS-Messe in Nürnberg zu sehen sind.

Seit der Vorstellung des I/O-Systems u-Remote im Jahr 2013 ist Weidmüller zurück auf der Bühne der Automatisierung. Wie kam es – nach rund zehn Jahren Pause – zu diesem Schritt?

Der Entscheidung, sich um die Jahrtausendwende aus diesem Markt zurück zu ziehen, lag eine stärkere Fokussierung auf den Bereich der Verbindungstechnik zugrunde. Da ein modulares I/O-System im Schaltschrank an Reihenklemmen grenzt, der vertriebliche Zugang somit naheliegend ist und zudem die Kernkompetenz der Verbindungstechnik wunderbar eingebracht werden kann, war es naheliegend, mit einem I/O-System wieder in die Welt der Automatisierungstechnik zu starten. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass ein solches I/O-System als Automatisierungskomponente in vielen Marktsegmenten benötigt wird, nicht nur im klassischen Maschinenbau.

Deshalb wurde u-Remote von Anfang an als offenes System aufgesetzt?

Ja, das war einfach eine logische Schlussfolgerung. Bei unserer Rückkehr in die Automation machte es keinen Sinn, sich kommunikationsseitig an bestimmte Feldbusse zu binden – geschweige denn einen eigenen Standard zu etablieren. Stattdessen sollte u-Remote ein möglichst breites Marktsegment adressieren und alle relevanten Busprotokolle abdecken. Genauso wichtig war es, möglichst viele Zertifizierungen und Zulassungen mitzubringen. Nur mit diesen beiden Merkmalen lässt sich die heterogene Anwenderschaft passend bedienen. Und das hat u-Remote – über die konkreten technischen Features hinaus – so erfolgreich gemacht. Je mehr Flexibilität gefragt ist, desto stärker profitieren unsere Kunden vom offenen Ansatz und der Vielseitigkeit auf Busseite. Kurzum: Das I/O-System als Produkt und Weidmüller als Anbieter von Automatisierung haben sich erfolgreich in der Industrie etabliert.

Der erste Schritt war also u-Remote. Wie ging es danach weiter?

Darauf aufsetzend haben wir das Portfolio in den folgenden Jahren um viele weitere Elektronikkomponenten ergänzt, z.B. in den Bereichen Netzwerktechnik oder Power Supply. Während das Geschäftsmodell anfangs eher Komponenten-orientiert ausgerichtet war, wurde schnell klar: Für Weidmüller geht es auf ganzer Linie in Richtung IIoT- und Automatisierungslösungen. Das haben wir dann mit der eigenen Steuerungstechnik von u-Control unterstrichen.

u-Remote, u-Control und u-OS – für Weidmüller geht es auf ganzer Linie in Richtung Automatisierungslösungen.

Thomas Bürger, Weidmüller

Wie sieht es mit der Antriebstechnik aus?

Der Aufwand für eigene Antriebsentwicklungen und das nötige Knowhow ist für einen Mittelständler wie Weidmüller unverhältnismäßig hoch. Zudem ist dieser Markt unglaublich eng besetzt und eine Differenzierung kaum möglich. Rückblickend war es die richtige Entscheidung, uns an anderer Stelle zu differenzieren – nämlich beim Thema IIoT. Das hat sich als goldrichtig erwiesen.

Inwiefern?

Unter dem Anspruch ‚vom Sensor in die Cloud‘ gibt es in der Automatisierung einen enormen Technologie-Push. Den hat Weidmüller von Beginn an mit gestaltet. Schließlich folgen all die neuen Use-Cases – ob IIoT, Analytics, Condition Monitoring oder Energy Management – der gleichen Logik. Der Anwender benötigt Daten von ganz unten aus der Feldebene, muss diese nach oben zur IT oder in die Cloud bringen und dort einen Mehrwert-Service draufsatteln. In unserem Portfolio, das von der Sensorik bis zur IIoT-Plattform reicht, halten wir also die passenden Lösungen bereit – und können unseren Kunden so ein klares Angebotsprofil bieten.

Braucht es viel Aufklärung, um das industrielle Internet der Dinge zum Anwender zu bringen?

Nein, Überzeugungsarbeit ist eigentlich nicht nötig. Schon als wir uns für diese Strategie entschieden haben, war das Verständnis für die Bedeutung des IIoT in der Branche vorhanden. Die Kunden kamen bereits von alleine mit entsprechenden Nachfragen und Wünschen auf uns zu. Aber natürlich haben wir viel in diesen Bereich investiert und unsere Kompetenz massiv ausgebaut – etwa mit einem Spezialvertrieb. Heute beraten rund 100 Applikationsexperten den Kunden gemäß unseres Claims „From Data to Value“.

Vor zehn Jahren mit dem I/O-System u-Remote gestartet, positioniert sich Weidmüller heute als Lösungsanbieter für die Automatisierung – und das industrielle IIoT. – Bild: Weidmüller Interface GmbH & Co. KG

Was bedeutet dieses Motto konkret?

Wir haben unser Automatisierungsangebot entlang von vier Ebenen aufgereiht: Datenerfassung, Verarbeitung, Kommunikation und Mehrwerte schaffen. Damit erhält der Kunde eine konsistente Systematik, die wir auch in der offenen Architektur unseres Betriebssystems u-OS abbilden. Während unser Ansatz bei u-Remote schon extrem offen war, erreichen wir damit nochmal ein ganz neues Level. Diese Offenheit ist altruistisch in unserem Selbstverständnis verankert – und mit Blick in die Zukunft auch ein strategisches Muss. Früher oder später werden sich alle Anbieter in diese Richtung bewegen, selbst die ganz großen Automatisierer. Weil u-OS viel mehr ist als nur ein Betriebssystem, nämlich eine komplette Plattform für Automatisierung, Engineering und Software-Apps, sind wir dem Markt hier ein gutes Stück voraus.

Wird u-OS der nächste Online-Marketplace für Automatisierungs-Features?

Nein. Es ist weder das Ziel, einen dominierenden App-Marktplatz zu etablieren, noch wollen wir als Händler für Drittanbieter-Apps auftreten. Das zielt aus meiner Sicht am Bedarf der Industrie vorbei: Das Geschäft im Maschinenbau läuft nicht über Funktionslizenzen, die man sich mal eben auf einer Online-Plattform dazu bucht. Vielmehr wollen unsere Kunden bei der Entscheidung für neue Software einen engen Austausch mit ihren Lieferanten. Hier sehen wir auch keine schnelle Veränderung im Marktverhalten.

Aber was, wenn für den Kunden wichtige Features bei u-OS fehlen?

Benötigt der Anwender eine Funktion, die bei u-OS nicht standardmäßig verfügbar ist, dann kann er sie selbst programmieren, uns kontaktieren oder Lösungen von unseren Partnern nutzen, z.B. Siemens Industrial Edge oder die Cordis Suite. Durch die bedingungslose Offenheit von u-OS ist eine funktionale Erweiterung also je nach Gusto möglich. Gleichzeitig behält der Anwender alle Freiheiten und ist nicht von Lizenzen oder dem Anbieter eines Marktplatzes abhängig. Ganz im Gegenteil: Mit dem kontinuierlich wachsenden u-OS-Apphub wollen wir sogar Brücken zu anderen Plattformen schlagen.

Wir zeigen auf der Messe, dass nicht nur Codesys, sondern z.B. auch die Low-CodeLösung Cordis Suite auf u-OS läuft. Unser Paradebeispiel für echte Offenheit.

Thomas Bürger, Weidmüller

Dieser Ansatz und die Kombination aus Automatisierung und IIoT sind doch bestimmt auch abseits des Maschinenbau sehr interessant.

Ganz klar. Global gesehen sind wir deshalb schon heute extrem breit aufgestellt: Es beginnt bei der diskreten Fertigung, geht über die Intralogistik, die Prozessindustrie oder erneuerbare Energien und reicht bis zu Infrastruktur, Wasser/Abwasser sowie Marine. Dieses Spektrum macht uns unabhängig von einzelnen Marktsegmenten und bietet große Chancen für Wachstum. Ein riesiger Vorteil dabei ist, dass unsere Reihenklemmen bereits seit Jahrzehnten etabliert sind. Weidmüller ist in allen genannten Branchen ein bekannter Name, der für Qualität und Zuverlässigkeit steht. Mit u-Remote, u-Control und u-OS – sowie auch der passenden Anschluss- bzw. Verbindungstechnik, Energieversorgung und Kommunikation – können wir dort überall vollständige Automatisierungslösungen zur Verfügung stellen.

Der Stellenwert der Automatisierung im Weidmüller-Portfolio wächst also?

Ja. Allein aus der historischen Entwicklung des Unternehmens gesehen, muss das sein. Der Bereich Automation Products and Solutions, kurz APS, ist mittlerweile zu einem weiteren tragenden Standbein von Weidmüller geworden – direkt nach dem Reihenklemmengeschäft. Um diese Bedeutung zu unterstreichen, wird auch weiterhin investiert. Am Stammsitz in Detmold gab es kürzlich die Grundsteinlegung für ein neues Elektronik-Werk mit rund 15.000m². Dort werden wir die eigene Wertschöpfung in Sachen Automatisierung nochmals erhöhen.

Wo liegen denn die Schwerpunkte von Weidmüller auf der SPS-Messe?

Es gibt viele spannende Neuheiten quer durch das ganze Angebot zu sehen. Passend zum 10. Jubiläum von u-Remote präsentieren wir in Nürnberg eine neue kompatible Generation des erfolgreichen Rückwandbus. Das ist neben neuen Funktionen und Features das Highlight unseres I/O-Systems. Auch die Erfolgsstory von u-OS schreiben wir auf der Messe fort. Wir haben die Weichen jetzt so gestellt, dass der Anwender auch abseits des Weidmüller-Portfolios vollkommen frei bei der Wahl der Hardware ist – vom Embedded-Modul bis zum Industrieserver. Genauso kann er jegliche Fremdsoftware integrieren. So zeigen wir auf der Messe, dass nicht nur Codesys, sondern z.B. auch die Low-Code-Lösung Cordis Suite auf u-OS läuft. Unser Paradebeispiel für echte Offenheit. Ein weiteres wichtiges Exponat ist unsere uMaker-Box, eine modulare Gehäuselösung für den Raspberry Pi. Mit diesem Angebot schlagen wir nicht nur eine Brücke in die Maker-Szene und zu Nachwuchskräften. Immer öfter werden industrielle Proof-of-Concepts erst einmal auf Rasberry-Pi-Basis entwickelt und später auf klassische Automatisierungshardware übertragen. Diese Verbindung verschiedener Welten ist mit Weidmüller jetzt komplett nahtlos möglich.

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