Expertenrunde: Seilzuggeber und lineare Positionssysteme -Teil 1/2

Seilzug und kein Ende

Den Schwerpunkt der diesjährigen Drehgeber-Runde des SPS-MAGAZINs bildete das Thema Seilzuggeber. Hierzu trafen sich Experten von Baumer, Fraba, Gefran, Hohner Automation, Sick und Siko, um über Trends, Einsatzgebiete sowie Vor-/Nachteile von Seilzuggebern und alternativen Positioniersystemen zu diskutieren. Die Gesprächsrunde leitete Prof. Dr. Johann Pohany.

Gibt es aktuell noch einen Markt für Seilzug-Potentiometer oder sind nur noch Geräte in Kombination mit Drehgebern im Einsatz?

Daniel Kleiner (Baumer): Tatsächlich sind Seilzug-Potentiometer immer noch ein Thema. Vor allem im analogen Bereich haben sie eine sehr gute Auflösung und sind eine einfache Lösung. Wer nur einen Analogausgang braucht, bekommt damit eine kosteneffiziente und einfache Lösung.

Armin Hänsler (Sick): Auch wir haben analoge Lösungen. Daneben bietet Sick vorwiegend HTL/TTL, SSI, Ethernet-Schnittstellen und CANopen an. Zudem wird IO-Link immer beliebter. Mittlerweile sind alle unsere Seilzüge mit präzisen Drehgebern kombiniert, um die Genauigkeiten zu liefern, die der Kunde verlangt.

Mathias Roth (Siko): Wir haben bei uns die Potentiometervarianten noch im Produktportfolio. Wir sehen sie immer noch bei kleinen Messlängen als Option. Der Kostenvorteil ist aber bei weitem nicht mehr so groß wie früher, als Potentiometer eine relativ kostengünstige Lösung zum Multiturn waren. Gerade für spannungsbasierende Messbereiche oder Schnittstellen sind die Potentiometer aber eine interessante Alternative.

Sebastian Kaiser (Hohner Automation): Wir haben schon seit 25 Jahren Seilzüge im Programm, so dass wir auch heute noch Produkte mit Potentiometer haben, die allerdings hauptsächlich als Austauschteil angeboten werden. Ich kenne aber kein neues Projekt, bei dem sich der Kunde noch für Potentiometer entscheidet.

Tobias Middendorf (Gefran): Potentiometer-Seilzugaufnehmer sind bei kleineren Messlängen deutlich genauer in der Linearität, das heißt in Längen um 4m doppelt so gut. Dort haben wir einen Vorteil, wenn es um Linearitätsgenauigkeiten geht. Daher kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Seilzugaufnehmer aus unserem Portfolio verschwinden. Im Gegenzug haben wir die Hall-Technologie als Alternative, bei der die Linearität im gesamten Messbereich gleichbleibend ist.

Dr. Martin Forthaus (Fraba): Auch wir sehen die analoge Schnittstelle immer noch als eine gängige Schnittstelle, speziell bei mobilen Maschinen. Wir nutzen schon seit vielen Jahren Drehgeber mit analoger Schnittstelle und kombinieren diese mit Seilzuggebern.

Wo sehen Sie die Einsatzgebiete von Seilzuggebern und wo sind lineare Positionssysteme eine Alternative?

Hänsler: Seilzuggeber verkaufen wir in alle Branchen: Von Verpackung, Mobile Automation, über Pharma bis hin zu Lebensmittel und Getränke… Wir sehen es als Vorteil, dass wir den Kunden technologieunabhängig ein gutes Paket anbieten können und grenzen es auch nicht von anderen Technologien wie Laserabstand, Lasertriangulation oder linearen Encoder-Prinzipien ab. Letzten Endes versuchen wir durch eine gute Beratung anhand der Anwendung und deren Rahmendaten die beste Lösung herauszuarbeiten und dabei ist der Seilzug immer noch ein probater Lösungsansatz.

In der Mobilen Automation haben wir neben dem Seilzuggeber sehr oft auch magnetostriktive Linearmesssysteme. Wo sehen Sie dort Applikation und wie grenzen sich beide Technologien voneinander ab?

Middendorf: Wenn man sich die Applikation eines teleskopierbaren Auslegers anschaut, die in Segmente von bis zu 20m Messlänge unterteilt sind, haben sie vier Segmente, bei denen sie eigentlich nicht die komplette Messlänge abgreifen müssen. Sie können hier mit einem Seilzuggeber ein Segment abgreifen und addieren dann die gemessenen Messlängen. Dagegen ist es sehr schwierig, hierfür einen magnetostriktiven Wegsensor in einer Messlänge von 5m einzusetzen. Es entstehen dann Problematiken wie Robustheit, Transport und Kosten sowie Einbau. Sie haben die Dehnung im Teleskopausleger, die weitestgehend mit einem Seilzugaufnehmer kompensiert werden kann. Auf der anderen Seite sind bei mobilen Applikationen die Genauigkeiten meist gar nicht so hoch. Unsere magnetostriktiven Produkte haben eine Genauigkeit von 0,06mm im Messweg. Diese Genauigkeit brauchen Sie meist gar nicht bei mobilen Arbeitsmaschinen, bei denen Sie Vibrationen, Schwingungen und Rauschen haben. Das will letztendlich auch kein Anwender bezahlen. Daher grenzt Gefran die eingesetzte Technologie von den jeweiligen Applikationen her ab.

Kleiner: Ein magnetostriktiver Sensor hat seine Reize, weil er kompakt in den Zylinder eingebaut werden kann, also ohne Seil, das stören könnte. Nachteil ist, wie er im Zylinder angebracht ist. So muss z.B. bei einem Wartungs- oder Austauschfall das gesamte System entlüftet werden, was für mobile Arbeitsmaschinen im Feld schwierig ist. Dort hat der Seilzug seine Stärke, weil es ein sehr einfaches und kostengünstiges austauschbares Objekt ist. Wir haben Kunden, die aus dem magnetostriktiven Feld kommen und wieder über Seilzüge nachdenken, gerade wenn sie mehrteilige Anwendungen haben.

Hänsler: Allerdings gibt es auch Anwendungen, bei denen Magnetostriktion das Mittel der Wahl ist, z.B. bei der Lenkwinkelerfassung.

Kleiner: Wir unterteilen zwischen der Mobilen Automation und der Fabrikautomation. Aus diesem Grund haben wir auch unterschiedliche Seilzüge, weil es in der Mobilen Automation nicht auf den Zehntelmillimeter ankommt, sondern auf die Robustheit. Im Bereich Factory Automation geht es dagegen um Genauigkeiten. Dort passt auch der Seilzug sehr gut, indem wir diesen teilweise linearisieren, z.B. in der Medizintechnik, um dort den Vorschub für bildgebende Verfahren entsprechend steuern und regeln zu können. Das geht nur mit einem Seilzug, andere Messprinzipien wie Ultraschall, Laser usw. sind dort zu teuer.

Roth: Ursprünglich kommen wir durch unsere mechanischen Zählwerke und Positionsanzeigen typischerweise aus der Holzindustrie. Dort haben wir immer noch viele Anwendungen. Ob in der Materialnachführung oder den Holzbearbeitungsmaschinen selber. Im Endeffekt überall dort, wo ein einfaches Wegmessprinzip gebraucht wird, das keine Führung benötigt. Natürlich haben unsere lagerlose Encodertechnik eine deutlich höhere Genauigkeit und zum Teil auch eine höhere Lebensdauer. Der Nachteil ist aber, dass diese immer irgendeine Führung brauchen, was für Seilzugeber im industriellen Maschinenbau immer noch ein Riesenvorteil ist.

Middendorf: Eine völlig andere Applikation sind Staudämme, bei denen in einem Zylinder verbaute Seilzüge mittels Klappen den Durchfluss steuern. Das sind keine großen Stückzahlen, aber eine interessante neue Applikation.

Kaiser: Wir haben Seilzüge in der Lebensmittelindustrie, das heißt in der Fleischverarbeitung. Dort bieten wir entsprechende Produkte an, bei denen man mit Pressluft dafür sorgt, dass keine Partikel oder Fleischreste in die Mechanik kommen. Ein weiterer Anwendungsbereich sind Fußballstadien. Wir haben eine Lösung mit Seilzug im Hydraulikzylinder, wir liefern das komplette System, also Hydraulikzylinder mit integriertem Seilzug. Anwendung ist z.B. die Positionierung eines Stadiondachs. In dieser Anwendung sind zwei Inkrementaldrehgeber installiert, es werden beide Signale ausgewertet und verglichen.

Welche Schnittstellen spielen aktuell bei Seilzuggebern eine Rolle?

Roth: Während in der Mobilen Automation natürlich die CAN-basierenden Schnittstellen überwiegen, haben wir in der Medizintechnik eher Punkt-zu-Punkt Schnittstellen wie SSI. Im allgemeinen Maschinenbau dominieren dagegen die typischen Feldbussysteme wie Profinet, Ethernet oder IO-Link. Also alles, was wir auch im Drehgeberbereich anbieten.

Forthaus: Bei der Vielfalt an verschiedenen Steuerungen und Maschinen gibt es natürlich die entsprechenden mechanischen und elektrischen Schnittstellen, die angefragt werden. Wir haben mit unserem Mass Customization System eine eigene Lösung, um diese Vielfalt den Kunden zugänglich zu machen.

Middendorf: Ein weiterer Trend sind multivariable Artikel. Gefran setzt z.B. auf CAN, wenn man einen Seilzugaufnehmer plus integrierten Neigungssensor nimmt. Man spart sich damit einen Ausgang.

Kleiner: Wir sehen bzgl. Schnittstelle ein klares Clustering. Bei unseren Seilzügen für den Outdoor-Bereich ist es CANopen. Das ist auch der Bereich, in dem Potentiometer tatsächlich noch eingesetzt werden. Gerade bei einfacheren mobilen Anwendungen wird Wert drauf gelegt, dass zur Not mit einem Multimeter gemessen werden kann. Im Bereich Factory Automation / Maschinenbau sehen wir vor allem Schnittstellen wie SSI oder Biss immer stärker, insbesondere bei Assembly. Bei der Automotive Industrie mit ihrer Montagetechnik dominieren die Feldbusse, aber auch IO-Link kommt dort immer mehr.

Ist IO-Link schnell genug für diese Anwendungen?

Kleiner: Im Bereich Assembly durchaus. Gerade bei Elektrohebebahnen oder Scherenhubtischen geht es auf der Schubplattform tatsächlich nur um eine sehr langsame Positionierkontrolle, damit für den Worker die Karosse oder das Teil im Fahrzeug auf der richtigen Höhe zu seiner Körpergröße ist.

Hänsler: Auch bei uns entwickelt sich IO-Link in Verbindung mit dem Seilzug enorm positiv, weil es eine kostengünstige Schnittstelle und auch applikationsbezogen bei Prozessen einsetzbar ist, bei denen es nicht um hochdynamische Regelungen und Synchronisierung geht. Dies ist analog zum klassischen Drehgeber, bei dem IO-Link auch immer Anwendung findet, besonders wenn der Kunde seine komplette Sensorik über IO-Link einbindet.

Wo ergibt es keinen Sinn mehr Seilzüge einzusetzen?

Kleiner: In Bereiche, in denen er entweder stark verschmutzt oder beschädigt werden kann. Dort sind andere Verfahren oftmals deutlich sicherer. Auch bei einer Objekt-Abstandserkennung, wo sich Einheiten zueinander bewegen, wird es mit einem Seilzug mit ändernden Winkeln schwierig. Dort kommen eher Laserdistanzsensoren, Lidar usw. zum Einsatz.

Forthaus: Neben starken Verschmutzungen, wird es bei bei Chemikalien, Klebstoffen oder Allem schwierig, was das Aufwickeln des Seils beeinträchtigen kann. Dort sind andere Systeme sicherlich performanter.

Kaiser: Wir hatten einmal eine Applikation, bei der sich Frostpartikel am Seil gebildet haben und es dadurch nicht mehr eingezogen werden konnte. Das passiert, wenn der Kunde nicht alle Informationen bzgl. des Einsatzgebietes des Produkts rausgibt.

Middendorf: Es ergibt keinen Sinn, wenn die Technik unter Staub leidet, der ungeschützt in die Mechanik reinkommt. Wir hatten eine Applikation bei Glascontainern. Der feine Glasstaub hat im Endeffekt den Seilzugaufnehmer zerstört. Es ist wirtschaftlich aber auch nicht sinnvoll, ein Potentiometer oder einen magnetostriktiven Sensor ab einer gewissen Länge zu fertigen, denn alleine der Transport ist unbezahlbar. Einen Seilzugaufnehmer einzusetzen ist dann sinnvoll, wenn sie kompakt und robust sein müssen.

Roth: Sobald wir in Genauigkeitsbereiche kommen, bei denen wir von Mikrometern sprechen, ergibt ein Seilzuggeber keinen Sinn mehr. Auch bei Anwendungen mit extrem hohen Zyklen, also zehn bis 15 Millionen Zyklen im Jahr, oder bei extrem hohen Geschwindigkeiten ist der Einsatz nicht sinnvoll. Wir haben dort einfach ein verschleißbehaftetes Prinzip, bei dem irgendeine Komponente nachgeben wird. Dort raten wir dann meistens zu lagerlosen magnetischen Encoder-Systemen.

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