Heute genügt ein Blick aufs Smartphone, und wir sind über viele Dinge des täglichen Lebens sofort im Bilde. Während die digitale Vernetzung für Millionen Menschen im privaten Bereich selbstverständlich ist, bedeutet sie für große Teile der Industrie noch Zukunftsmusik. Wer mehr über ein bestimmtes Feldgerät in seiner Anlage wissen will, muss sich oft selbst vor Ort begeben und nachschauen. Wenn es nach Steffen Ochsenreither geht, soll der digitale Komfort bald auch in der Prozessindustrie Einzug halten. Ziel des Business Development Manager bei Endress+Hauser ist es, die Daten sämtlicher Sensoren eines Industriebetriebs ohne Aufwand von überall her zugänglich zu machen. „Im Rahmen unserer IIoT-Strategie entwickeln wir ganz konkrete Anwendungen, die sich nahtlos in die bestehende Anlagentechnik einfügen und dem Anwender sofort einen Zusatznutzen bieten.“ Die erste, bereits realisierte Anwendung nennt sich Endress+Hauser Analytics und ermöglicht eine digitale Bestandsaufnahme der installierten Basis. Nach einem ersten erfolgreichen Feldtest bei einem Stahlhersteller steht sie nun für alle Anwendungsbereichen zur Verfügung. Mit Analytics lassen sich sämtliche Feldgeräte einer Anlage – auch solche von Fremdherstellern – katalogisieren und analysieren. Ein im Netzwerk installiertes Edge Device erkennt die verschiedenen Gerätetypen selbstständig und legt digitale Zwillinge in einem cloudbasierten Hub an. Alternativ lassen sich die Typenschilder der Geräte mit einer Scanner App erfassen und die Informationen automatisch in den Hub hochladen. Dort werden sie mit einer Gerätedatenbank abgeglichen und ergänzt. Der Zeitaufwand für eine Bestandsaufnahme reduziert sich so auf einen Bruchteil der bisher für die manuelle Erfassung benötigten Zeit. Über die von mobilen Endgeräten ebenso wie vom Büro-PC aufrufbare Oberfläche der Anwendung können Kunden Gerätedaten und -dokumente wie Kalibrierzertifikate oder Reparaturberichte einsehen. Darüber hinaus erhalten sie Informationen zur Kritikalität von Messstellen, zu Möglichkeiten der Standardisierung oder – falls ein Gerät ersetzt werden muss – zu Nachfolgeprodukten.

Vollautomatische Bestandsaufnahme
Mit Hilfe der genannten Elemente wird das Potenzial der intelligenten Messgeräte ausgeschöpft und die Grundlage für Algorithmen geschaffen, welche die vorhandenen Geräte- und Prozessdaten verknüpfen und so – in Form digitaler Applikationen – einen Mehrwert für die Anwender generieren. Die Bestandsaufnahme funktioniert entweder per App oder vollautomatisch: Die Scanner-App erkennt das Typenschild und generiert daraus Gerätedaten direkt im Hub. Noch einfacher geht es mit dem Edge Device, welches die Informationen vollautomatisch ausliest. Ist die Bestandsaufnahme erfolgt, bietet der Endress+Hauser Hub Zugriff auf alle relevanten Daten der eingesetzten Messgeräte – direkt vom Schreibtisch aus. Mit der Anwendung Asset Health lässt sich zudem der Zustand der Geräte überwachen; künftig wird sogar vorausschauende Wartung möglich sein. Auch von mobilen Endgeräten können Anwender jederzeit auf die Daten im Hub zugreifen und tätig werden. Analytics erkennt kritische Messstellen, meldet veraltete Geräte und gibt Empfehlungen zur Optimierung der Messtechnik. Am komfortabelsten funktioniert die Übersicht über ein Dashboard, das das virtuelle Tor zum Hub bildet. Hier können alle gerätebezogenen Daten und Dokumente sicher verwahrt werden. Der Hub ist als offene Plattform konzipiert, sodass auch Daten von Fremdgeräten eingebunden und aufbereitet werden können. Um einen sicheren Rahmen zu gewährleisten, wurde die Endress+Hauser IIoT-Plattform von der unabhängigen Organisation EuroCloud mit vier Sternen für besonders schützenswerte Daten zertifiziert, wobei die Daten in europäischen Rechenzentren liegen. An der Messtechnik selbst sind keine Anpassungen nötig. Genutzt wird die vorhandene Gerätekommunikation über Hart, WirelessHart, Profibus oder GSM; zukünftig auch weitere Schnittstellen.
Smart Metrology
Weitere Applikationen auf Basis des IIoT-Ökosystems werden bald erscheinen. Eine Anwendung für das Asset Health Monitoring wird den Zustand der installierten Basis überwachen und soll später eine vorausschauende Wartung ermöglichen. In dieselbe Richtung geht Smart Metrology: Mit dieser noch in der Konzeptphase befindlichen Applikation lassen sich künftig die Kalibrierintervalle von pH-Sensoren optimieren. Eine weitere Anwendung zum Thema Wasserqualität wird ein kostengünstiges Fernmonitoring von Wasserständen ermöglichen. „Die Wasserqualitäts-Anwendung werden wir als Komplettsystem mit GSM-Gateway und Smartphone-App im Online-Vertrieb anbieten, wahlweise auch mit Memosens-Sensor und Liquiline-Messumformer“, kündigt Steffen Ochsenreither an. Damit werde neben der Akzeptanz der digitalen Dienstleistung auch der in der Prozessindustrie noch wenig verbreitete Direktvertrieb getestet.