Wenn in der Elektrotechnik von Peak Shaving gesprochen wird, geht es darum, Lastspitzen zu glätten. Denn die gehen für Unternehmen richtig ins Geld. Schnell sind hier selbst bei vergleichsweise kleinen mittelständischen Unternehmen 50.000 Euro erreicht – die dann für das ganze Jahr zu zahlen sind. Daraus folgt die Devise, pfleglich mit seinen Lasten umzugehen. Diese Meinung teilt auch der Kabelhersteller Kordes aus Niedersachsen – und hat gemeinsam mit Wago seine Lastspitzen gekappt. Auf Basis der Controller PFC200 wurde dafür eine Lösung entwickelt. Hinzu kommt, dass sich mit der in Maschinen und Prozessbereichen installierten Messtechnik und den damit erhobenen Daten auch langfristig angelegte Energieeffizienzverbesserungen erzielen lassen. Die Controllerprogrammierung ist mit dem Engineeringtool eCockpit in Eigenregie erfolgt.
Tempo rausnehmen statt Vollbremsung
„Es lohnt sich, genau hinzuschauen“, sagt Andre Wächter, Elektriker bei Kordes. Der Instandhaltungsleiter hat es sich zum Ziel gesetzt, die Verbräuche in der Produktion möglichst detailliert zu erfassen, um daraus gezielt Energieeffizienzmaßnahmen ableiten zu können. Denn sowohl der Verbrauch als auch plötzlich auftretende Lastspitzen im Rahmen des Leistungspreises belasten das Betriebsergebnis. Vor allem beim Leistungspreis kostet ein ungeplantes Überholmanöver ganz schnell einen fünfstelligen Eurobetrag. Deshalb wurde ein System implementiert, das sich mit einem Tempomaten vergleichen lässt, der rechtzeitig vom Gas geht, bevor es teuer wird.
Ein Rechenbeispiel
Um einen Eindruck zu erhalten, welche monetäre Bedeutung Lastspitzen einnehmen, reichen wenige Zahlen aus. Der regionale Energieversorger von Kordes gibt den Leistungspreis pro Kilowatt für Unternehmen mit eigener Mittelspannungsversorgung und einem jährlichen Leistungsbezug größer 2.500 Stunden mit rund 120 Euro an. Würde das Unternehmen die vorher festgelegte Leistungsgrenze am Ende nur eines einzigen 15-minütigen Messzeitraums überschreiten, macht jedes weitere kW den Leistungspreis um 120 Euro teurer. Kurzfristige Produktionssteigerungen, die beispielsweise das Zuschalten eines mittelgroßen Hauptantriebs mit 300kW notwendig machen, würden damit auf das Jahr gerechnet 36.000 Euro kosten. Ungewollte Ausreißer haben damit das Potenzial, jede Produktionskalkulation ad absurdum zu führen. Der Rückschluss daraus: Investitionen in Systeme, die helfen, Lastspitzen verlässlich zu glätten, rechnen sich von der ersten Minute. „Dafür müssen wir aber wissen, wo wir ganz genau eingreifen können“, sagt Wächter. Beim Kabelhersteller fließt die meiste Leistung in den sogenannten Grobzug hinein – der erste Arbeitsgang bei Drahtziehen. Dahinter steht eine Anlage, die den 8mm dicken Gießwalzdraht durch immer engere Ziehsteine im Kaltformverfahren auf den gewünschten Querschnitt bringt. Vor der Weiterverarbeitung zu Mantelleitungen (NYM) wird der Kupferdraht noch in einer Widerstandsglühe per Kurzschlussstrom geschmeidig gemacht. Diese hat eine Leistung von 900kW, der Motor der Ziehanlage 700kW. Es gibt noch weitere Verbraucher, die sich zu spürbaren Lasten addieren: Extrusionslinien für die Isolierung von Adern und kompletten Kabeln sowie Schrumpföfen in der Verpackung. „Davon haben wir eine Handvoll mit jeweils 45kW Leistung. Wenn die zufällig alle gemeinsam aufheizen, dann ist unsere Lastgrenze von 1.860kW schnell erreicht“, berichtet Wächter. Tritt dieser Fall ein, kann die Leistungsaufnahme in vier Stufen reduziert werden, ohne dabei komplette Produktionsbereiche von jetzt auf gleich abzuschalten. Die Programmierung des Wago Controllers sieht dafür vor, die Motorleistung des Grobzuges in 70kW Schritten herunterzufahren. Der Grobzug kann verlangsamt werden, ohne den Prozess zu gefährden oder Qualitätsprobleme im Draht zu bekommen. Bei Extrudern wäre das durch den kontinuierlichen Prozess nicht möglich. Da bei Kordes die Extrusion und das Drahtziehen in der Produktion entkoppelt sind, kann aufgrund temporärer Zwischenlagerung in einem Bereich Rücksicht auf die Lastspitzen genommen werden. Bei Anlagen, die vom Ziehen bis zur Extrusion die komplette Fertigung abbilden, ist dieser Weg nicht möglich.
Messwerte fördern Energieeffizienz
Das realisierte System arbeitet feinfühlig genug, dass aus dem Ruder laufende Lasten frühzeitig erkannt und mitgeschrieben werden. In diesem Fall wird gezielt und dosiert Leistung heruntergefahren. „Damit müssen wir nicht nach 14 Minuten abrupt den Anker werfen und komplette Produktionen vom Netz nehmen“, so Wächter. Wo die Vorwarnzeichen liegen und wie die jeweiligen Eingriffe im Detail aussehen, wurde nach einer kurzen Schulung im Umgang mit der Engineering-Software eCockpit eigenständig programmiert. Erfasst werden im Werk die Daten von etwa 100 Zählern, die komplette Maschinen und Maschinenteile messen. Durch das Erfassen einzelner Extruder und die Aufteilung einer Linie nach Teilsystemen lässt sich sehen, ob Effizienzverbesserungen in einem Bereich an anderer Stelle zu Verschlechterungen führen. Bei einem unreflektierten Betrachten einer Gesamtanlage würden die meisten Detailveränderungen in der Summenbetrachtung verloren gehen. Folglich lässt sich das System auch dazu verwenden, Maßnahmen für bessere Energieeffizienz überhaupt bewerten zu können. Wichtig sei dabei, eine Lösung im Unternehmen nutzen zu können, die zudem frei programmierbar ist. Der Einsatz von vorbereiteten Bausteinen im eCockpit erleichtere die Arbeit, baue dabei aber keine Funktionsgrenzen auf. Fertige Systeme seien als Blackbox deutlich starrer, so Wächter: „Die meisten summieren die Lasten auf und schalten erst nach Erreichen einer Grenze ab. Wir können stattdessen passgenau vom Gas gehen.“ Für die Zukunft ist überdies geplant, auch die Produktionsdaten einfließen zu lassen. Die Auswertung soll insbesondere vor dem Hintergrund geschehen, dass mit der Bauprodukteverordnung neue Anforderungen an Kabel gestellt werden. Beispielsweise erfordert der vermehrte Einsatz von flammwidrigen Kunststoffen einen höheren Energieverbrauch in der Verarbeitung und treibt damit den Energieverbrauch pro Tonne fertiges Kabel weiter nach oben. Das Interesse nach transparenten Zahlen ist einerseits aus betriebswirtschaftlichen Gründen – Stichwort Herstellkosten – groß und andererseits auch aufgrund der ISO50001. „Wir müssen ja Einsparungen nachweisen können“, so Wächter. Deshalb reiche es nicht aus, nur die Gesamtmenge in Relation zum Energieverbrauch zu setzen, da jedes Produkt seinen eigenen Energiebedarf mit sich bringt.