Verbesserte Prozesse und neue Materialien

Lapp – ein Mittelständler optimiert Prozesse und Material So meistert der Mittelständler die Herausforderungen der Kabelproduktion

Kabel transportieren Daten und Strom. Sie sind in unserer industrialisierten Welt nahezu unverzichtbar. Und die Nachfrage steigt - überall dort, wo digitalisiert wird und die Fabriken smarter werden. Für Lapp bieten sich dadurch Chancen, gleichzeitig wachsen aber auch die Herausforderungen in der Produktion.
Innovationen erfolgreich in den Produktionsprozess zu integrieren – das packt Lapp als tägliche Herausforderung in all seinen Werken an.
Innovationen erfolgreich in den Produktionsprozess zu integrieren – das packt Lapp als tägliche Herausforderung in all seinen Werken an. Bild: U.I. Lapp GmbH

„Die Losgrößen werden immer kleiner, die Varianten vielfältiger, gleichzeitig wächst der Anspruch bei Material und Prozessen so nachhaltig wie möglich zu wirtschaften“, erklärt Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovation bei Lapp. Das Stuttgarter Unternehmen verfügt über ein breites Produktionsnetzwerk und fertigt an 19 Standorten in Nordamerika, Asien und Europa Kabel- und Verbindungstechnologie. Da die meisten Kunden aus Europa stammen, befinden sich dort aktuell auch die meisten Produktionsstandorte. Wobei jedes Werk unterschiedliche Schwerpunkte hat. Im Kabelwerk in Stuttgart werden z.B. vor allem Steuerleitungen mit geringerem Volumen und größerer Vielfalt gefertigt. Der Standort in Monselice in Italien ist auf Datenleitungen spezialisiert, das Werk in Grimaud in Frankreich konzentriert sich auf das Projektgeschäft und die Marine. Die beiden Produktionswerke in Indien fertigen überwiegend Datenleitungen und Infrastrukturkabel und sind eher für große Volumen und Vielfalt ausgelegt. Korea hat sich auf strahlenvernetzte Leitungen spezialisiert. Und in den USA wird der Fokus auf Steuerleitungen gelegt.

Rüstzeiten bremsen die Produktion

Obwohl sich die Werke mit ihren Produkten unterschiedlich positionieren, sind die Herausforderungen im Prinzip dieselben. Lapp will seinen Kunden eine hohe Variantenvielfalt bei schneller Lieferfähigkeit und zu marktfähigen Preisen anbieten. Klingt einfach, ist es aber nicht. Eine große Produktivitätsbremse sind die langen Rüstzeiten in den Produktionswerken. Sie können oft mehrere Stunden dauern. Um eine neue Produktion mit einem anderen Produkt zu starten, muss erst mal alles abgeschaltet und abgekühlt werden. Das Material und der Extruder werden ausgetauscht und die Reste werden entfernt. Dann wird die neue Kabeltrommel eingehängt und das Kabel eingefädelt. Anschließend wird wieder eingeheizt.

Bei großen Kabellängen sind lange Rüstzeiten nicht so relevant. Bei kürzeren und vielen Varianten werden die Rüstzeiten allerdings zum echten Problem. Um den Kunden trotzdem eine hohe Lieferfähigkeit zu bieten, müsste man hohe Lagerbestände schaffen. Aber auch das ist nicht sehr wirtschaftlich. Deshalb arbeitet Lapp daran, weltweit das Produktionsnetzwerk zu verbessern, um Effizienz, Lieferfähigkeit und Flexibilität zu steigern.

 Hubertus Breier, neuer CTO bei Lapp (links) erzählt, wie er seine persönliche Expertise einsetzen wird, um die Innovationskraft bei Lapp noch weiter zu stärken.
Hubertus Breier, neuer CTO bei Lapp (links) erzählt, wie er seine persönliche Expertise einsetzen wird, um die Innovationskraft bei Lapp noch weiter zu stärken.Bild: U.I. Lapp GmbH

Maschinenauslastung und Materialeinsatz

Kontinuierlich werden in allen Werken die Maschinenauslastung überprüft und Kenngrößen wie die Overall Equipment Effectiveness (OEE) gemessen. Gleichzeitig versucht Lapp beim Materialeinsatz nachhaltiger zu wirtschaften. Es ist eine einfache Rechnung: wenn die Isolierung eines 10mm dicken Kabels bei einer Extrusionsgeschwindigkeit von 100m/min um 10µm dünner würde, könnte pro Stunde über eine Tonne Kunststoff eingespart werden. Ein Kabel hält heute in vielen Anwendungen oft länger als die Maschinen, in denen es eingesetzt wird. Für Verbindungslösungen stellt sich die Frage, ob die gleiche Funktionalität mit einigen Prozent weniger Material sichergestellt werden könne, trotz der bestehenden Normen. „Wir müssen uns fragen, ob wir es uns in Zukunft noch leisten können, Produkte herzustellen, die so überdimensioniert sind. Wir müssen daher gleichermaßen über alternative Designs und Prozesse nachdenken. Auch die Normen für Zertifizierungen müssen dringend überprüft werden“, sagt Breier. Eine weitere Herausforderung sieht er in der Integration von Innovationen in den Produktionsprozess. Denn ein Produkt könne nicht losgelöst von der Fertigung entwickelt werden. Daher müsse eine Produktentwicklung immer kombiniert werden mit der Prozessentwicklung in den jeweiligen Werken. „Je innovativer die Prozesse in der Produktion sind, desto einfacher lassen sich Neuheiten integrieren, sie sind quasi Innovationstreiber.“

Steigende geopolitische Herausforderungen

Die Verbesserung der Prozesse ist aber noch lange keine Erfolgsgarantie. Angesichts der gestiegenen geopolitischen Herausforderungen müssen auch die weltweiten Handelsketten viel agiler und unabhängiger aufgestellt werden. Lapp war plötzlich – wie viele andere Unternehmen auch – mit Lieferengpässen bei Material und Maschinen sowie massiv gestiegenen Rohstoffpreisen konfrontiert. Die Preise der verschiedenen Kunststoffe sind heute zwischen 30 bis 60 Prozent höher als vor drei Jahren. Hubertus Breier: „Unsere Wirtschaft ist immer volatiler geworden, darauf müssen wir uns auch bei den Produktionsprozessen einstellen.“

Drei Handlungsschwerpunkte

  • Digitalisierung in der Produktion, damit das Portfolio in der gesamten Supply Chain besser geplant werden kann. Ziel ist die komplette Transparenz des Planungsprozesses.
  • Dekarbonisierung in Richtung weniger Kupfer, das im Durchschnitt für 88 Prozent des CO2-Fussabdrucks in den Produkten von Lapp verantwortlich ist. Daher wird das Thema Recycling strategisch angegangen. Im Werk in Grimaud in Südfrankreich wurden beispielsweise zwei Maschinen gekauft, um den ersten Schritt des Recyclings selbst zu machen – etwa den Mantel von den Leitungen zu ziehen, zu zerkleinern und Kupfer vom Rest trennen. Ziel ist, den ganzen Kreislauf selbst zu besetzen.
  • Diversifizierung: Ziel ist es, in allen Regionen möglichst unabhängig von einzelnen Lieferanten zu werden. Bei der Suche nach neuen Lieferanten setzt Lapp auf eine KI-Lösung: Diese Software kann in Hochgeschwindigkeit das Internet durchforsten, findet Lieferanten auf der ganzen Welt und bewertet sie.

„Allein kontinuierlich innovative Ideen am Markt zu präsentieren, garantiert nicht den Erfolg eines Unternehmens. Genauso wichtig ist es, diese Innovationen auch erfolgreich in den Produktionsprozess zu integrieren. Alles muss perfekt abgestimmt wie in einem Uhrwerk funktionieren. Das ist unsere tägliche Herausforderung“ ,fasst Breier zusammen.

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