Digitalisierung und Vernetzung verändern die industriellen Prozesse derzeit stärker als jede andere technische Entwicklung seit Erfindung des Fließbandes: Jahrzehntelang war die Operational Technology (OT) von der in den Unternehmen eingesetzten Informationstechnik (IT) abgeschottet und setzte auf proprietäre Technologien, Schnittstellen und Protokolle. Hard- und Software, die zur Steuerung, Regelung und Überwachung von Maschinen und Anlagen eingesetzt werden, waren zwar miteinander vernetzt, nutzten aber von der ethernetbasierten Unternehmens-IT getrennte, eigene Kommunikationswege und Bussysteme. Mit IIoT und industrietauglichen Ethernet-Netztechnologien, wie zum Beispiel SPE (Single Pair Ethernet), verwischen nun aber die Trennlinien zwischen Informationstechnologie und OT immer schneller. Und künstliche Intelligenz, – die beispielsweise in Machine-Learning-Modellen dabei hilft, die Qualität des Produktionsprozesses zu sichern und entstehende Mängel an Produkt oder Anlagen durch Predictive Maintenance bereits im Ansatz zu entdecken – benötigt ebenso ein IIoT-Umfeld wie Cloud- und Edge-Technologien, die diese enormen Mengen an Informationen und Daten speichern und verteilen (Cloud) oder direkt vor Ort bereits filtern und vorverarbeiten (Edge).
Digitale Vernetzung unterschiedlicher Systeme wird einfacher
Die Digitalisierung der Prozesse bis an den Rand des Netzwerks, dem ‚Edge‘, bietet den Unternehmen wettbewerbsentscheidende Vorteile: transparente und aktuelle Informationen, flexible Prozesse, die Möglichkeit zu vorausschauenden Entscheidungen und damit zu Zeit- und Kosteneinsparungen – und nicht zuletzt eine gesteigerte Qualität der Prozesse. Was in der Theorie nur vorteilhaft klingt, ist es in der Praxis auch – doch die Umsetzung ist (noch) nicht so einfach. Denn viele Vorteile, die eine durchgängige Smart Factory in puncto Flexibilität, Kosten- und Energieeffizienz bieten könnte, lassen sich aufgrund herstellerspezifischer Automatisierungssysteme nicht nutzen. Was in der IT heute Voraussetzung für eine am Markt erfolgreiche Lösung ist, nämlich die problemlose Kompatibilität zu Fremdsystemen, ist in der OT noch lange nicht Standard: Inkompatibilitäten der proprietären Lösungen, teure Wartungen und Nachrüstungen der Anlagen sind für die Anwender oft die Folge. Zudem mussten viele Unternehmen in den letzten Monaten feststellen, dass eine herstellerbezogene Lösung wenig Möglichkeiten bietet, bei Störungen in der globalen Lieferkette einfach auf einen anderen Komponentenhersteller auszuweichen.
Zusätzlich verschmelzen die IT- und OT-Welt immer mehr, was den Wunsch der Anwender nach Unabhängigkeit zusätzlich verstärkt: Mit u-OS bietet Weidmüller nun eine Software-Plattform für Industrial IoT und Automation, die offen, flexibel und unabhängig ist. Das Betriebssystem vereint den für Automatisierungslösungen deterministischen Ablauf mit den Möglichkeiten des IIoT auf nur einem Gerät und bietet für Automatisierer und IT-Programmierer eine offene und flexible Lösung, die die digitale Vernetzung unterschiedlicher Systeme auf einfache Weise erlaubt.
Betriebssystem u-OS setzt auf offene Standards
Zwar gibt es bereits Ansätze zu übergreifenden Automatisierungsplattformen, aber auch bei diesen muss sich der Anwender an den Vorgaben des Anbieters orientieren – Lösungen von Drittanbietern einzubinden, ist beispielsweise nur sehr aufwendig möglich. u-OS setzt dagegen auf die Verwendung offener, etablierter Standards wie Linux, die Container-Technologie, OPC UA, HawkBit oder OAuth 2.0 und ermöglicht die Einbindung von Weidmüller Apps, anwendereigenen oder Fremdanbieter-Apps. Das macht den Anwender unabhängig und zukunftsfähig, denn er ist damit in der Lage, auf Drittanbieter zurückzugreifen, die ebenfalls Automatisierungsplattformen oder Apps anbieten. u-OS ist im Kern eine Zusammenstellung von Open-Source-Technologien bzw. De-facto-Standards. Bei der Auswahl der Technologieblöcke ist die Maxime, die Unabhängigkeit der Anwender zu wahren. Dementsprechend werden proprietäre Erweiterungen der verwendeten Technologien vermieden – so setzt die Codesys-App beispielsweise nicht auf ein OEM-spezifisches Derivat. u-OS ist deshalb nicht ein abgeschlossenes, eigenes Automatisierungs- bzw. Ökosystem, sondern vielmehr eine Plattform, um die vielen existierenden Ökosysteme miteinander zu verbinden.
Linux als offener Standard ist zum Beispiel deshalb Voraussetzung, weil es wichtige Eigenschaften für den Einsatz im Automatisierungsumfeld vereint: Durch den offenen Quellcode kann es bei Bedarf problemlos optimiert und angepasst werden. Es verfügt über eine große Dienstleister- und Entwicklergemeinde. Dazu ist die Echtzeitfähigkeit von Linux vollständig in den Kernel integriert, sodass mit modernen CPU-Systemen Steuerungsanwendungen mit 1ms Zykluszeit realisiert werden können. Dabei bekommt der Anwender mit u-OS ein Betriebssystem auf hohem Produktniveau, sodass beispielsweise identifizierte Sicherheitslücken unmittelbar geschlossen werden. Ebenso werden eine regelmäßige Software-Wartung und kontinuierliche Weiterentwicklung durch Weidmüller garantiert.
Die Container-Technologie als offener Standard erlaubt es, eine Anwendung mit all ihren Abhängigkeiten in einem einzigen Paket zu bündeln. Damit lassen sich selbst komplexe Software-Releases automatisiert und schnell bereitstellen. Das eliminiert viele Fehlerquellen beim Installieren und Updaten, verringert den Zeitaufwand und spart Kosten. u-OS nutzt zur Erstellung und für den Betrieb der Container die Docker-Technologie, was eine hohe Skalierbarkeit sowie einfache Handhabung auch für Nichtprogrammierer ermöglicht.
OPC UA ist ein offenes Industrie-Kommunikationsprotokoll, das einen plattformunabhängigen, zuverlässigen und sicheren Informationsaustausch zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller ermöglicht. Mit HawkBit wird ein Framework bereitgestellt, welches das Ausrollen von Software-Updates auf Edge-Geräte, Controller und Gateways im IIoT vereinfacht. Und OAuth 2.0 (Open Authorization) ist ein weltweit genutztes Authentifizierungsprotokoll, das eine sichere Autorisierung beim Austausch von Daten zwischen verschiedenen Lösungen ermöglicht. Auch Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter nutzen das Protokoll beispielsweise.
Laufzeitsysteme von Drittanbietern
Aus der Nutzung dieser offenen Standards ergibt sich mit u-OS die Möglichkeit, Laufzeitsysteme von Drittanbietern oder der Anwender selbst auf der Software-Plattform auszuführen. Ein Beispiel dafür ist Codesys, das größte herstellerunabhängige Ökosystem in der Industrieautomatisierung. Es ist ein hardwareunabhängiges Programmiersystem zur Erstellung, Projektierung, Dokumentation, Visualisierung und Konfiguration von Steuerungsapplikationen. Zudem erlaubt die integrierte Laufzeitumgebung U-Create Web einfaches Engineering ohne Programmierkenntnisse.