Vielfalt ohne Grenzen: Industrielle Kommunikation – Eine aktuelle Bestandsaufnahme

Die Bedeutung industrieller Kommunikationssysteme nimmt weiter zu. Kaum eine größere Maschine oder Anlage wird heute noch ohne integriertes Netzwerk ausgeliefert. Und während die Automobilindustrie ihrer Rolle als Technologietreiber im Bereich Industrial Ethernet alle Ehre macht, entdeckt auch die eher zurückhaltende Prozessautomatisierung die Vorteile industrieller Netzwerke. Trotz unterschiedlichster Bewertung einzelner Systeme prognostizieren alle renommierten Studien dem Markt ein überdurchschnittliches Wachstum. Kein Wunder also, dass die Vielfalt der industriellen Kommunikationssysteme weiter zunimmt. Schließlich geht es um einen lukrativen Markt, in dem derjenige am Besten dasteht, der sich durch einen Technologievorsprung von seinen Mitbewerbern absetzen kann.

Es gibt derzeit wohl kaum eine andere Branche, in der talentierte Ingenieure ihre Kreativität besser entfalten können und in der so viele unterschiedliche Lösungen für ein und dasselbe Grundproblem entstehen. Weitgehende Stabilität gibt es bei den Standard-Feldbussen wie Profibus, DeviceNet und CC-Link. Viel Bewegung hingegen gibt es einerseits bei den Industrial-Ethernet-Netzwerken und andererseits bei den Sensor-Aktuator-Netzwerken in der untersten Feldebene. Bild 2 zeigt anschaulich, wie aus anfangs zwei Grundtechnologien (Feldbus und Ethernet) heute ein breit diversifizierter Markt wurde. Mit der bevorstehenden Einführung der Industrial-Wireless-Kommunikationssysteme, der Safety-Netzwerke und der Sensor-Aktuator-Netzwerke dürfte sich die rasante technische Entwicklung und die Diversifizierung auch in Zukunft weiter fortsetzen. Bei Industrial Ethernet dreht sich vieles um die Performance Während die einen sich mit immer höherer Performance brüsten, erfinden die anderen munter immer neue Industrial-Ethernet-Lösungen. Die internationale Standardisierung (IEC) nimmt jeden und alles in ihre Standards auf und macht diese damit wertlos, da es die einheitliche Norm nicht mehr gibt. 28 verschiedene Real-Time-Ethernet-Lösungen zählen Experten heute, z.B. Prof. Schwager von der Hochschule Reutlingen in seiner bekannten Liste unter www.real-time-ethernet.de. Der Wettstreit um eine immer höhere Performance macht mittlerweile auch vor der 1GBit/s-Grenze nicht mehr Halt. Die Performance-Messlatte hat Beckhoff mit der Ethercat-Technologie vorgelegt. Die Profibus Nutzerorganisation zieht mit einem auf mehr Performance optimierten Profinet nach, und in Japan hat Mitsubishi mit CC-Link/IE nun auch die GBit-Grenze überschritten. Die Test- und Zertifizierungseinrichtungen können mit der schnellen technologischen Entwicklung kaum mithalten und müssen daher beim Konformitätstest schon mal beide Augen zudrücken. Offensichtlich ist, dass sich nicht alle 28 der derzeitigen Industrial-Ethernet-Systeme am Markt durchsetzen werden. Aber welche werden es sein – und warum? Verschiedene Kriterien werden derzeit diskutiert: Performance, Preis und Marktmacht der hinter den Lösungen stehenden Firmen und Organisationen dürften die ausschlaggebenden Faktoren sein. Man darf davon ausgehen, dass sich die Zahl der marktrelevanten Real-Time-Ethernet-Lösungen bei etwa zehn einpendeln wird. Spannend wird es auf alle Fälle mitzuerleben, wer wie abschneidet. Zweifellos werden in Europa und Nordamerika mit Profinet und Ethernet/IP unterschiedliche Lösungen die Marktführerschaft übernehmen. In Asien dominieren dagegen lokale Standards wie FL-Net und die Ethernet-Variante aus dem Hause Mitsubishi CC-Link/IE. Wenn es um die Antriebstechnik geht, werden in Zukunft Sercos III und Ethercat eine feste Rolle spielen. Ethercat bietet darüber hinaus aufgrund seiner Telegrammstruktur gute Voraussetzungen, E/A-Signale einzusammeln bzw. zu verteilen. Hohes Wachstum bei den Standard-Feldbussen In der Feldebene haben die etablierten offenen Feldbussysteme wie Profibus, DeviceNet, CANopen, CC-Link und Modbus ihre Bedeutung weiter ausgebaut. Lediglich bei speziellen Netzwerken wie FIPIO sowie bei den proprietären Netzwerken sind rückläufige Stückzahlen zu beobachten. Dies zeigt auch die aktuelle Marktstudie der Firma IMS Research (Bild 3), die die Marktanteile der industriellen Netzwerke in der Fertigungstechnik untersucht hat. Trotz stark zunehmenden Knotenzahlen bei Industrial Ethernet wird auch fünf Jahre nach Einführung von Industrial Ethernet die Vielzahl der Anlagen auf Basis der etablierten Feldbusse vernetzt. Auch die aktuellen Meldungen der Feldbus-Nutzerorganisationen machen deutlich, dass die Standard-Feldbusse ihren Zenit noch lange nicht überschritten haben. Entgegen allen früheren Annahmen steigt bei den etablierten Feldbussen die Anzahl der installierten Knoten weiter stark an. Die allgemein angenommene schnelle Verdrängung der Feldbussysteme durch Industrial Ethernet vollzieht sich viel langsamer als erwartet. Alle etablierten Feldbusse verfügen seit einiger Zeit über stabile Spezifikationen; es gibt eine sehr große Anbietervielfalt und Endanwender sowie Systemintegratoren, die die Systeme sicher bei Installation, Wartung und Fehlersuche beherrschen. Fast alle Feldbusse verfügen heute über integrierte Lösungen für die Übertragung sicherheitsrelevanter Daten (z.B. Profibus: Profisafe und DeviceNet: CIP-Safety) und erlauben so die Übertragung von Standarddaten und sicherheitsrelevanten Daten über dieselbe Busleitung. Dadurch werden weitere Anwendungsbereiche erschlossen, die bisher häufig noch diskret verkabelt wurden. Viel Neues in der Sensor-Aktuator-Ebene Die industrielle Kommunikation dringt zunehmend auch zu den einfachen Sensoren und Aktuatoren vor. Hauptmotivation dafür ist, dass neben den reinen E/A-Daten auch Diagnose und Statusmeldungen übertragen werden und so das Anlagen-Engineering bei Inbetriebnahme, Wartung und Fehlersuche weiter vereinfacht werden kann. In der untersten Feldebene war bisher das Sensor-Aktuator-Interface (AS-i) der meist benutzte offene Kommunikationsstandard. Die Erfolge von AS-Interface haben Mitbewerber auf den Plan gerufen, und neue Systeme drängen in den Markt. Aus Europa kommt IO-Link, aus USA CompoNet und aus Japan CC-Link/LT. Alle Netzwerke sind speziell auf die Anforderungen einfachster Feldgeräte zugeschnitten. Die Einbindung der neuen Sensor-Aktuator-Netzwerke in die hierarchisch übergeordneten Feldbus- oder Industrial-Ethernet-Systeme erfolgt über spezielle Gateways oder Proxies. Industrial Wireless steckt noch in den Kinderschuhen Die Nutzung der drahtlosen Kommunikationssysteme in der industriellen Kommunikation steht noch ganz in der Anfangsphase. Ähnlich wie bei Industrial Ethernet ist auch hier zu erwarten, dass jede Feldbus-Nutzerorganisation einen eigenen Standard erarbeitet, da die Grundtechnologien wie Bluetooth und W-LAN den industriellen Anforderungen nicht Genüge tun. So hat die Hart Communication Foundation (HCF) kürzlich mit Wireless Hart eine der ersten speziellen Wireless-Lösungen, zugeschnitten auf die Anforderungen der Prozessautomatisierung, vorgestellt. Die Experten der Profibus Nutzerorganisation und der amerikanischen ODVA arbeiten ebenfalls mit Hochdruck an Wireless-Lösungen für ihre jeweiligen Grundtechnologien. Modulare Lösungen als Ausweg Für Gerätehersteller bedeutet die Entwicklung eine beunruhigende Ungewissheit, auf welchen Standard man künftig setzen sollte. Mit der Entwicklung einer Kommunikationsanschaltung sind schnell sechsstellige Summen investiert, ohne dass ein kurzfristiger Return-On-Invest sichtbar wäre. Leider ist es aber gerade mit der einen Anschaltung nicht getan: Die Entwicklung zeigt ja gerade, dass insbesondere der sehr international aufgestellte Maschinen- und Anlagenbau Komponenten benötigt, die hinsichtlich ihrer Kommunikation auf die regionalen Eigenheiten der Käufer angepasst sind. Doch ist dieses sich in Zukunft noch verstärkende Dilemma zu beseitigen? Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es sicherlich nicht. Aber insbesondere Kommunikationsanbindungen von Geräten, die in kleineren und mittleren Stückzahlen verkauft werden (bis 10.000 Stück/ Jahr), sind nicht kostendeckend selbst zu entwickeln. Bei größeren Stückzahlen ist es dann eher eine Philosophiefrage. Fazit Grundsätzlich gilt: Gerätehersteller sind angesichts der großen Vielfalt bei den industriellen Netzwerken gut beraten, wenn sie ihre Geräte mit möglichst flexiblen Kommunikationsschnittstellen ausrüsten. Nicht immer ist dabei eine Eigenentwicklung der Kommunikationsanschaltung die kostengünstigste Variante, denn die reinen Bauelementekosten sind nur die Spitze des Eisbergs. Einbaufertige Kommunikationsmodule wie die Anybus-Module von HMS sind in vielen Fällen eine interessante Alternative. Mit den einbaufertigen Lösungen lassen sich die Entwicklungsaufwendungen und das Entwicklungsrisiko für den Gerätehersteller um bis zu 70% reduzieren und die Time-to-Market wird deutlich verkürzt. Die Frage nach dem richtigen Bussystem reduziert sich dann auf eine Bestückungsoption, und das Automatisierungsgerät findet immer den richtigen Anschluss. Kasten 1: Flexibilität im CompactFlash-Format

HMS Industrial Networks GmbH
http://www.anybus.de

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