Zulieferer-Anbindung über zentrale Prozessplattform

Die Automobilindustrie war wie keine andere Branche von der Wirtschaftskrise der letzten zwei Jahre betroffen. Zusammen mit den sich verändernden Absatzmärkten stellt das sowohl OEMs als auch Zulieferer und Logistiker vor die Herausforderung schnell auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Die Praxis zeigt, dass die Entwicklung neuer Absatz-, Belieferungs- und Fertigungskonzepte, wie das Neue Logistik Konzept (NLK) von Audi und Volkswagen oder die Perlenkettenfertigung, und somit die Anpassung oder Neugestaltung von Geschäftsprozessen, ein wichtiges Mittel darstellt, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, Kosteneinsparungspotenziale aufzudecken und Rationalisierungseffekte zu erzielen.

Aus dieser Situation heraus wächst das Interesse vor allem der Tier-1-Lieferanten an Business Process Management (BPM). Die Unternehmen erwarten dadurch vor allem eine flexible Umsetzung neuer Prozesse, die Anpassung bestehender Abläufe sowie höhere Transparenz entlang der Wertschöpfungskette. Gerade die Lieferprozesse der Zulieferer untereinander zeigen hier Potenzial, da aufgrund der komplexen Interdependenzen ein hohes Maß an Transparenz und Standardisierung der Abläufe erforderlich ist. Erste große Erfolge in der Optimierung der Beschaffungsprozesse wurden über die Einführung des elektronischen Datenaustausches (EDI) erreicht. Durch die Vereinheitlichung von Schnittstellen und IT-Landschaften wurden dabei Tier-2-Lieferanten in die Prozesse der Tier-1-Lieferanten entweder über klassische IT-Schnittstellen oder Online-Lösungen eingebunden. Dadurch konnten in der Automobilbranche erste Regelungen für Prozesse herbeigeführt, Komplexität reduziert und Lieferzeiten gekürzt werden. Jedoch stoßen EDI und WebEDI immer wieder an ihre Grenzen, wenn es um mehr Transparenz und die Einbettung in vor- oder nachgelagerte Prozesse geht. Vor allem aufgrund der üblichen bedarfssynchronen Belieferung bietet sich zur Optimierung der Lieferprozesse zwischen Zulieferern unter anderem ein zeitnahes und vorausschauendes Tracking anstehender Prozesse, Aufgaben und Ereignisse an. EDI-Lösungen leisten dies nicht. Als Folge ist die Einhaltung von Lieferterminen nicht absehbar, und Abstimmungen finden eher per Zuruf statt. Für Tier-1-Lieferanten kann dadurch die kritische Situation entstehen, die Belieferung des eigenen Kunden unzulänglich oder gar nicht erfüllen zu können. Dadurch entstehen hohe Kosten durch Sonderschichten oder Sonderfahrten. Alternativ können Engpässe durch Lagerbestände abgefangen werden, was wiederum erhöhte Kapitalbindung bedeutet. Lieferausfälle hingegen können in Form von negativer Lieferantenbewertung die wirtschaftliche Zukunft von Tier-1-Lieferanten gefährden. Zentrale Arbeitsplattform für bessere Planbarkeit Mehr Transparenz, Planbarkeit und standardisierte Abläufe – so lauten die Themen, für die sich Automobilzulieferer Hilfe von Business Process Management erhoffen. Die Lösung, die BPM für das vorausschauende Tracking bereitstellt, liegt in einer einheitlichen Analyse- und Arbeitsplattform für Beschaffung und Wareneingangs-Logistik. Entsprechende IT-Werkzeuge gestatten eine synchrone und aktuelle Kommunikation zwischen Lieferanten und Logistikern, die alle Beteiligten über den Stand einer Lieferung auf dem Laufenden hält. Innerhalb der Lieferprozesse werden dazu Informations- und Dokumentationspunkte definiert, an denen die Akteure bemessen können, ob anstehende Aktivitäten \’in-time\‘ durchgeführt werden. Logistiker werden umgehend über die Funktion \’Lieferungsanmeldung\‘ über eine anstehende Lieferung durch den Tier-2-Lieferanten informiert, Lieferscheindaten gehen den Beteiligten gleichzeitig zu. Phase 1: Prozessanalyse und -beschreibung Bevor eine solche Plattform eingerichtet wird, gilt es, Soll-Prozesse festzulegen und neue Prozesse zu beschreiben. Die Verwendung des internationalen Modellierungsstandards BPMN 2.0 ermöglicht dabei eine \’Top-Down-Modellierung\‘. Dabei kommt es darauf an, zunächst die Grobprozesse zu beschreiben, um anschließend Teil- und Subprozessanforderungen zu modellieren. Wichtig hierbei ist, dass sowohl Informationen aus den klassischen EDI-Verfahren als auch aus Web-EDI-Prozessen zusammen geführt werden. Phase 2: Automatisierung entlang des Fachmodells Sind die Prozesse einmal modelliert, stehen sie im Unternehmen für Mitarbeiter und Management transparent zur Verfügung. Auf Basis der modellierten Fachprozesse erfolgt deren technische Umsetzung und Automatisierung über so genannte Technical Workflows. Die Entwicklung der Ausführungsworkflows entlang des Fachmodells hat den Vorteil, dass die Implementierungszeit der Prozesse erheblich kürzer ist. Konnektoren und Adapter, die schnell und flexibel konfiguriert werden können und per Drag-and-drop grafisch in technische Workflows eingefügt werden, beschleunigen die Umsetzung. Dies erweist sich vor allem beim Design der User-Interfaces als Vorteil, die innerhalb der Technical Workflows konfiguriert werden. Phase 3: Portalbasierte Lieferanten-Anbindung Durch die Automatisierung der Prozesse und das Zusammenführen der Informationen in einem zentralen Portal wird ein zeitnahes und vorausschauendes Tracking anstehender Lieferungen möglich. Der Tier-1-Lieferant erkennt über ein Cockpit, welche Bedarfe \’in-time\‘ sind, welche innerhalb der nächsten Tage im Zulauf sind und wie deren aktueller Prozess-Status ist. Außerdem zeigt eine entsprechende Anwendung, welche Bestellungen in Verzug sind und Folgeaktivitäten beeinträchtigen. Beschaffungssachbearbeiter können sich aus der grafischen Ansicht in Detailansichten navigieren und dort nachvollziehen, bei welchen einzelnen Bedarfen Probleme vorliegen. Für den Tier-2-Lieferanten wird auf einen Blick dargestellt, welche Artikel in welcher Frist zur Belieferung anstehen. Der Tier-2-Lieferant wird so durch die Prozesse geführt, gleichzeitig kann der Status anstehender Aufgaben durch Dritte eingesehen werden. Das gestattet bei Bedarf das Einleiten individueller Eskalationsszenarien. Die manuelle Anmeldung beim Lieferanten entfällt, da dem Logistiker über die Sendungsdisposition alle wichtigen Informationen bereitgestellt werden. Für den Logistiker wiederum hat ein gemeinsames Portal den Vorteil, dass der Umfang der Lieferung beim Verlader eingesehen werden kann. Mit dieser Information kann er seine eigenen Dispositions-Informationen etwa um Bordero- oder Ladelistendaten anreichern. BPM als Wettbewerbsfaktor Für die Automobilbranche bietet Business Process Management so über den bisherigen Austausch elektronischer Daten hinaus die Möglichkeit, Prozesse und Abhängigkeiten transparenter zu gestalten, Abläufe zu standardisieren und deren Komplexität zu reduzieren. Die dadurch zu realisierenden Kosteneinsparungen sind ein wichtiger Baustein für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, um heute und in Zukunft am Markt zu bestehen. Die gebündelte Bereitstellung vorhandener Information gestattet Zulieferern, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und jeweils ein starkes Glied in der Lieerkette zu sein.

inubit AG
http://www.inubit.com

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