Ein Erfahrungsbericht

User-Centric Design im industriellen Umfeld

Die Industrie stellt immer höhere Anforderungen an User Interfaces, da Software zunehmend herkömmliche Abläufe ersetzt oder zumindest unterstützt. Zum einen werden auf der Feldebene die Sensoren und Aktoren intelligenter und verarbeiten somit mehr Daten, z.B. bei der automatischen Erkennung des Wartungszeitpunkts. Zum anderen steigen auf den oberen Ebenen der Automatisierungspyramide die Anforderungen an die Software, um die Prozessdaten mit Systemen etwa für die Prozessvisualisierung oder das Engineering zu verknüpfen. Da der Mensch in all diese Prozesse eingebunden ist, muss er auch bei der Definition der Software im Mittelpunkt stehen. Welche Herausforderungen kommen auf die Hersteller zu?

Wie wird das User Interface gestaltet?

Anschließend erfolgt das Design der Anwendung. Die Auswahl an Plattformen und damit einhergehend die Vielfalt an Vorschriften ist riesig. Die klassische Vorgehensweise im industriellen Umfeld, die User Interface Definition von Entwicklern erstellen zu lassen, ist bei Anwendungen, die eine hohe Usability erfordern, nicht mehr zielführend. Entscheidend ist der Einsatz von erfahrenen Designern bei der Erarbeitung der Lösungen. Sie haben die Prinzipien des Designs, z.B. selbstbeschreibend, pragmatisch, aufgabenorientiert und elegant, verinnerlicht und haben bereits einen großen Fundus an möglichen Lösungen für verschiedene Szenarien parat. Designer nutzen Personas, Kontextszenarien und die Anforderungen, um Ideen für das zukünftige User Interface zu entwickeln. Zum Beispiel legen sie die Design Sprache, das Branding, die Art der Navigation, die Darstellung des Inhalts und die Verwendung der Controls fest. Über ständige Anpassungen und Diskussionen anhand von Prototypen wird in mehreren Iterationen sichergestellt, dass der Anwender auch in dieser Phase immer im Zentrum des Geschehens ist. Die Design Studie in Bild 3 verdeutlicht beispielhaft, wie die einzelnen Elemente aus dem User-Centric Design in die Gestaltung des Interfaces einfließen:

  • Der Anwender hat das Ziel, Parameter zu einem Feldgerät einzustellen. Über den groß gewählten Inhaltsbereich [1a] und der zweispaltigen Darstellung [1b] wird er bei der Erfüllung seiner Aufgabe optimal unterstützt.
  • Der Prozess sieht vor, dass er in der Anwendung immer wieder andere Aufgaben abarbeiten muss. Über die vorhandene Menüstruktur behält er auch bei Unterbrechungen im Arbeitsablauf den Überblick. Mit zwei Aktionen gelangt man schnell an jede Stelle der Applikation.
  • Der Auftraggeber hat die Anforderung, dass er mit dem Produkt in Verbindung gebracht wird. Das Branding des Kunden lässt sich über Logos und Farben [3] realisieren.
  • Der Kontext des Anwenders sieht eine mobile Anwendung vor, somit stehen keine externen Eingabegeräte zur Verfügung. Die Lösung: ein Tablet [4a] mit Touch-Bedienung und größeren Bedienelementen [4b].
  • Die Navigationselemente entsprechen den Design-Vorgaben für die vorgegebene Zielplattform – hier Menüelemente und Eingabefelder für Android [5].

Während und nach der Gestaltung der Prototypen, Mockups und Storyboards gilt es das Design immer und immer wieder zu validieren. Alle Design-Entscheidungen, z.B. Auswahl der Farbe, Art und Ort der Linien, Art der Navigationselemente müssen begründet werden können – nur so entsteht ein User Interface, das auch wirklich den Wünschen der Anwender entspricht. Häufig steht am Ende des Designs ein Style Guide, der alle wichtigen Entscheidungen und Vorgaben dokumentiert und aufbereitet.

Was passiert nun mit dem Design?

Während und nach der Erstellung des Designs, muss sichergestellt werden, dass sich das Design in der Entwicklung effizient umsetzen lässt. Dies wird durch die Auswahl von Design- und Entwicklungs-Tools erreicht, die eine spätere Wiederverwendung der Design-Elemente ermöglichen und Doppelarbeit vermeiden. Die Vorgaben für das User Interface und die getroffenen Design-Entscheidungen sollten in adäquatem Maß an die Entwicklung kommuniziert werden. Für die verständliche Dokumentation eignet sich ein Style Guide sehr gut. Der intensive Wissensaustausch mit dem neu zu schaffenden Design sollte eher in Präsenzveranstaltungen stattfinden. Bei Änderungen am Design – die erfahrungsgemäß immer gefordert sind – muss man auf die Einhaltung der Integrität achten. Regeln, die im Style Guide festgelegt sind, dürfen auch bei neu hinzugefügten Elementen nicht verletzt werden.

Fazit und Empfehlungen

Der beschriebene User-Centric Design Prozess ist nicht neu, viele Elemente sind aus dem traditionellen Usability Engineering im industriellen Umfeld bekannt. Neu sind allerdings die gesetzten Schwerpunkte während des Design-Prozesses. Hierzu zählen beispielsweise die Berücksichtigung des Anwenders und dessen Ziele in allen Entwicklungsphasen. Neu sind auch einige Methoden und Verfahren, die in ihrer Anwendung innerhalb des Gesamtprozesses zu einem effizienten nutzerzentrierten Design führen, etwa die Erstellung von Personas und die Ermittlung von Kontextszenarien. Was bedeutet das nun für Anbieter von Software-Lösungen? Sie müssen die Gestaltung des User Interfaces ganzheitlich betrachten, indem sie die Ziele, die Prozesse und den Kontext des Anwenders einbeziehen. Dazu kommt ein mehrfaches Iterieren innerhalb des Design-Prozesses, durch die Verwendung von Prototypen unterschiedlicher Detaillierungsgrade. Der Anbieter sollte wichtige Punkte des aktuellen Projektes identifizieren und den Prozess entsprechend adaptieren. Es kann auch Sinn machen, den Ist- und den Soll-Prozess in einem Workshop gemeinsam aufzunehmen. Wichtig hierbei ist nur, dass man den Gesamtprozess im Auge behält und den Anwender stets in den Fokus des Entwicklungsprozesses und des zukünftigen User Interfaces rückt.

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M&M Software GmbH
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