Smarte Servotechnik – Wenn Antriebe anfangen zu denken

Analysen bestehender Produktionsmaschinen zeigen: Die meisten Antriebe werden nicht an ihrem Nennpunkt, sondern überwiegend im Teillastbereich betrieben. In Europa liegt die mittlere Auslastung von Motoren bei maximal 60% der Nennlast. Dies gilt insbesondere für Anwendungen mit einer hohen Varianz, beispielsweise Konstantleistungsantriebe. Das Verbesserungspotenzial einzelner Komponenten ist für die Zukunft relativ gering, da Motor, Getriebe und Umrichter heute in der Regel bereits sehr hohe Reife- und Wirkungsgrade aufweisen. Die Zukunft der Antriebstechnik könnte daher kleinen, digital in Echtzeit und energetisch intelligent verknüpften Servoaktoren gehören.

Mit den Ansätzen und Ideen rund um Industrie 4.0 befindet sich die Industrie inmitten eines Entwicklungssprungs. Doch wie zeigt sich dieser Sprung im Detail? Was erwartet die verschiedenen Industriebranchen in Zukunft? Und welchen (monetären) Nutzen bringt Industrie 4.0 dem eigenen Unternehmen? Um diese Fragen zufriedenstellend zu beantworten, ist es empfehlenswert, sich frühzeitig mit diesem Trendthema zu beschäftigen und einen Blick auf bereits verfügbare Entwicklungen, Technik und Trends zu werfen. Zurzeit ist beispielsweise die Energieeffizienz elektrischer Antriebe ein wesentlicher Treiber für solche Neuerungen. Hierzu beigetragen hat unter anderem die Definition von Effizienzklassen in der IEC60034-30. Eine zielführende Maßnahme, aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Betrachtet man die typische Anwendung von elektrischen Antrieben, so erkennt man, dass in sehr vielen Applikationen der Teillastbetrieb vorherrschend ist. Dies gilt bei Konstantmomentantrieben für Fördereinrichtungen oder Extrudern genauso wie bei Konstantleistungsantrieben für Abwickel- und Aufwickelvorrichtungen oder Drehmaschinen. Ein konkretes Beispiel aus der Kabelindustrie zeigt, dass durch ein intelligentes Antriebssystem (Bild 1) der Anwender erhebliche Energiemengen und somit Energiekosten einsparen kann.

Teillastbereich in Zeiten steigender Energiepreise

Nach wie vor gehört der Extrusionsprozess zur Königsdisziplin innerhalb der Wertschöpfungskette eines Kabels. An solchen Anlagen wird nicht nur die Isolierung über den Leiter aufgebracht, es werden die wesentlichen Eigenschaften geprägt, die ein Kabel zu einem High-Tech-Produkt werden lassen (z.B. fire resistant, flame retardent, Permittivität oder Impedanz). Grundsätzlich wird bei der Kabelextrusion das in Spulen oder Fässern gespeicherte Endlosmaterial, mittels einer Einschub/Einzugs-Einrichtung dem Extruderkopf zugeführt und mit einer – unter Druck und Hitze gekneteten und geförderten – zähen Kunststoffmasse überzogen. Nach Verlassen des Extruderkopfes wird der heiße Strang über ein wassergekühltes Umlenkrollensystem geleitet und von einer Abzugs-Einrichtung zur traversierenden Wickelvorrichtung gezogen/geschoben. Bei Extrusionsanlagen kommen bis heute überdimensionierte Konstantmoment- und Konstantleistungsantriebe zum Einsatz mit hohen und nicht genutzten Leistungsreserven. Die gesunde Überdimensionierung eines Antriebsystems gilt auch noch heutzutage als probates Mittel, um die Betriebssicherheit einer Arbeitsmaschine zu gewährleisten. Kennt der Entwicklungsingenieur die mechanische Last, das wirkende Lastkollektiv oder die Umgebungsbedingungen nicht genau, so bewegt er sich durch Überdimensionierung immer auf der sicheren Seite. Hinzu kommt, dass Antriebe mit definierten Lasten und Geschwindigkeiten auf maximale Betriebszustände auszulegen sind. Die damit installierten Leistungsreserven sind unter Umständen gerechtfertigt. Beispielsweise beim Extruder, der eine zähe Knetmasse fördert, um ein teures Endprodukt herzustellen (z.B. LWL-, Hochspannungs- oder Telefonkabel). Fällt der Motor an einem heißen Sommertag wegen Überhitzung aus, so ist das teure Endprodukt verloren. Bei den Ab- und Aufwickelmaschinen sieht es ähnlich aus, hier ist die Überdimensionierung bedingt durch den Prozess erforderlich. Obwohl bei Wickelantrieben hohe Drehzahlen und hohe Drehmomente nicht gleichzeitig auftreten, muss der Motor beides erbringen können. Die Prozessleistung ist in diesem Fall viel kleiner als die Eckleistung. Es müssen Elektromotoren mit einer hohen Antriebsleistung eingesetzt werden, die nur schlecht ausgenutzt werden kann. Umrichter können durch einen Betrieb des Motors im Bereich der Feldschwächung den Drehzahlbereich des Wickelantriebs erweitern. Daher lassen sich die Mehrkosten für den Strom rechtfertigen, welche durch die Überdimensionierung von Antriebssystemen entstehen. Gibt es Alternativen?

Eckleistung: So wenig wie möglich, so viel wie nötig

Der maximale Wirkungsgrad, d.h. das Verhältnis zwischen der abgegebenen mechanischen Leistung und der aufgenommenen elektrischen Leistung, liegt bei einem genormten Asynchronmotor (Bild 2) üblicherweise im Bereich von 60 bis 100% der Nennlast. Unter 25% Belastung sinkt der Wirkungsgrad steil ab. Betrachtet man nur den Wirkungsgrad, scheint es sinnvoll, Motoren in dem Belastungsbereich zu betreiben, wo sie ihren maximalen Wirkungsgrad aufweisen. Betrachtet man die Lebensdauer, empfiehlt es sich den Motor etwas größer zu dimensionieren. Dadurch ist zwar der Kaufpreis höher, aber man erwirbt Leistungsreserven und der Motor erwärmt sich dann nicht so stark. Deshalb sollte ein energieeffizientes Antriebssystem für Arbeitsmaschinen entwickelt werden, das kostengünstig, modular aufgebaut und wartungsfrei ist sowie mit hoher Präzision, Dynamik und zuverlässig arbeitet – und zwar im bestmöglichen Wirkungsgradbereich des Motors und des gesamten mechanischen Antriebsstrangs. Der störungsfreie Betrieb des Antriebssystems und des mechanischen Getriebestrangs muss bei hoher Produkt-, Parameter- und Prozessvarianz gewährleistet sein. Dabei liegt der optimale Wirkungsgradbereich des Motors bei 0,75 ± 0,15 x Nenndrehzahl und 0,75 ± 0,15 x Nennmoment. Diese Vorgaben erfüllt eine vom Unternehmen Kabel.Consult.Ing zum Patent angemeldeten Erfindung. Ein Hauptvorteil des neuen Antriebssystems ist, dass Nennverluste und Leerlaufverluste des antreibenden Motors – gegenüber dem Stand der Technik – um ein Vielfaches reduziert werden. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass alle am Antrieb beteiligten mechanischen Getriebestränge stets im besten Wirkungsgradbereich betrieben werden können. Das Leerlaufdrehmoment des mechanischen Antriebes bzw. der einzelnen Getriebestränge wird ebenfalls – gegenüber dem Stand der Technik – um ein Vielfaches reduziert. Abbildung 3 zeigt: Wenn mehrere kleine Antriebe vorteilhaft eingesetzt werden, erhält man einen Zustand, in dem die installierte Eckleistung für eine Anwendung mit Konstantleistungskurve nicht wesentlich größer ist als die Prozessleistung. Trotzdem ist noch eine ausreichend hohe Sicherheit gegeben, z.B. gegen externe thermische Einflüsse oder eine in der Planungsphase nicht berücksichtigte und andauernde Überlastsituation. Als Resultat erhält man ein Antriebssystem mit einem sehr hohen Systemwirkungsgrad, einer optimalen Energiebilanz und somit niedrigen Energiekosten. Dadurch, dass der Motor und das Getriebe stets im optimalen Wirkungsgradbereich arbeiten, geht die meiste Antriebsleistung effizient in den Prozess ein. Das neue und zum Patent angemeldete energieeffiziente Antriebssystem ist Signo-gefördert und gehört zu einer \’Förderinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie\‘.

Kabel.Consult.Ing
http://www.kabelconsulting.de

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