Mit wenig Aufwand zu fehlertoleranten Motoren

Sicherheit im Miniaturformat

Elektrische Antriebe für sicherheitskritische Bereiche müssen erhöhte Anforderungen an die Ausfall- und Funktionssicherheit erfüllen. Die meisten marktüblichen Elektroantriebe sind heute für solche Einsätze nicht geeignet. Ganz anders eine neue Entwicklung für begrenzten Bauraum: Der kompakte Schrittmotor mit zwei Wicklungen pro Phase bildet eine interessante Grundlage für miniaturisierte, ausfallsichere Antriebslösungen.

Sicherheitskritischen Systemen kommt in der industriellen Welt immer größere Bedeutung zu. Typische Beispiele liefern Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt, im Transportwesen, in der Medizin oder in der Energiewirtschaft. Meist arbeiten in diesen Applikationen mehrere Elektroantriebe, von denen die fehlerfreie Funktion der gesamten Anlage abhängt. Jede Fehlfunktion der Antriebe kann Störfälle auslösen, die nicht nur Stillstandszeiten, Schäden an der Anlage und hohe Kosten verursachen können, sondern schlimmstenfalls auch Menschen gefährden.

Redundante Antriebstechnik

Zu den gängigen Hilfsmitteln bei der Entwicklung von sicherheitskritischen Systemen gehört das Prinzip der Redundanz, also das zusätzliche Vorhandensein funktional gleicher oder vergleichbarer Ressourcen eines technischen Systems. Im Idealfall sollten also für jeden Betriebsablauf zwei Systeme vorhanden sein, sodass beim Ausfall eines Systems das andere seine Funktion übernehmen kann. In diesem Zusammenhang liegt für die Elektroantriebe der Gedanke nahe, zwei Motoren auf derselben Welle miteinander zu koppeln. Das ist unkompliziert umzusetzen, man handelt sich so aber Nachteile ein, die häufig unterschätzt werden: Die redundante Lösung kostet ungefähr doppelt so viel wie ein nicht fehlertolerantes System. Zudem gilt es technische Probleme zu lösen: So muss der aktive Antriebsmotor zusätzlich das Reibungsmoment und die Rastkräfte des im Normalbetrieb leerlaufenden Motors ausgleichen, in den er währenddessen zusätzliche Eisenverluste induziert. Das setzt den Gesamtwirkungsgrad des Systems herab. Außerdem entstehen Resonanzfrequenzen, die den ordnungsgemäßen Betrieb des Systems beeinträchtigen können. Die beiden miteinander gekoppelten Motoren beanspruchen dazu auch noch verhältnismäßig viel Platz und wiegen natürlich auch mehr als ein einzelner Antrieb. Nicht alle Anforderungen, die zum Beispiel von der Luft- und Raumfahrtindustrie in Bezug auf Baugröße und Gewicht gestellt werden, lassen sich so erfüllen. Besser also, man kommt auch bei fehlertoleranten Antriebslösungen mit nur einem Motor aus.

Fehlertoleranter Motor

Ein fehlertoleranter Motor bietet durch Einsatz identischer Motorsegmente auf derselben Welle eine Redundanz. Er hat diskrete, elektrisch voneinander isolierte Spulen zur Vermeidung von Phase-zu-Phase-Kurzschlüssen sowie magnetisch entkoppelte Wicklungen, um Leistungsverlusten im Fall eines Ausfalls einer Phase entgegenzuwirken. Physisch voneinander getrennte Spulen verhindern zudem eine Fehlerfortpflanzung in die benachbarten Phasen und dienen zur Erhöhung der Wärmeisolation. Bei der Umsetzung dieser Spezifikationen ist jetzt die Kreativität der Entwickler gefragt. Eine Möglichkeit wäre es beispielsweise, die Wicklungen eines herkömmlichen Zweiphasen-PM-Schrittmotors doppelt auszuführen. Die Wicklungen können entweder aus nebeneinander angeordneten Einzelkomponenten aufgebaut werden, sodass zwei Zweiphasenmotoren entstehen, oder – mit derselben Zielsetzung – in Form von zwei zusammen gewickelten Wicklungen ausgeführt sein (Bild 3). Beide Konzepte gewährleisten jedoch keine sehr gute Wärmeisolation und der Ausfall einer Phase kann auf die daneben liegende Phase übergreifen. Außerdem sind für beide Lösungsansätze umfangreiche Modifikationen an der Motorkonstruktion notwendig und die beschriebenen Spezifikationen für einen fehlertoleranten Motor sind nicht exakt erfüllt. Die Antriebsspezialisten von Faulhaber verfolgten deshalb einen anderen Ansatz.

Patentierte Grundlage

Die Grundlage lieferten kleine Schrittmotoren aus dem Standardprogramm: Durch die Scheibenmagnetmotoren der Precistep-Serie vereinfachte sich die Suche nach Redundanzfähigkeit, denn das patentierte Motordesign basiert bereits standardmäßig auf vier Wicklungen (Bild 2). Normalerweise sind diese paarweise miteinander verbunden und bilden einen Zweiphasen-Schrittmotor, der interessante Eigenschaften bietet. Dazu gehören ein geringes Trägheitsmoment, hohe Leistungsdichte, Langlebigkeit und ein großer Temperaturbereich. Die vier Wicklungen bieten gleichzeitig aber auch die Basis für ein fehlertolerantes System. In einer kundenspezifischen Lösung, bei der die vier Wicklungen jeweils als Einzelspule ausgeführt werden, entstanden zwei Zweiphasen-PM-Schrittmotoren mit physisch und elektrisch isolierten Phasen. Die Wicklungen sind nur zum Teil magnetisch gekoppelt, und die redundante Konfiguration führt so zu einer Drehmomentreduzierung von nur 30%, verglichen mit der Standardmotorkonfiguration bei äquivalenter Verlustleistung. Mit einer geeigneten Wärmesenke und einer Phasenstromerhöhung kann man aber dasselbe Ausgangsdrehmoment wieder erreichen. Die kleinen Standardmotoren (Bild 4), die es mit Durchmessern bis herunter zu 6mm gibt, können so mit vergleichsweise geringen Anpassungen die Spezifikationen für einen fehlertoleranten Motor erfüllen. Damit stehen für sicherheitskritische Anwendungen jetzt kleine, robuste Schrittmotoren zur Verfügung, die ohne Aufwand das notwendige Maß an Redundanz bieten und keinen zusätzlichen Einbauplatz beanspruchen.

Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG
http://www.faulhaber.de

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